Am vergangenen Freitag legte Erziehungs- und Hochschulminister Claude Meisch (DP) einen Entwurf zur Reform der Reform der Studienbeihilfen vor. Damit will die Regierung die unkontrollierbar gewordenen Kosten eines der größten Schnitzer der vorigen Legislaturperiode senken. Selbstverständlich kam Claude Meisch ebenso wenig wie seine beiden christlich-sozialen Vorgänger umhin, seine Sparmaßnahme in allerlei wohlklingende Rhetorik zu packen. So als ob schon vergessen wäre, dass die nach der gescheiterten Tripartite 2010 in Akrobatik ausgeartete Anstrengung bloß darauf abzielte, das Kindergeld für Grenzpendler zu kürzen. Um 40 Millionen Euro, wie der damalige Finanzminister Luc Frieden in einem Interview versprochen hatte.
Seinerzeit hatte der zuständige Minister François Biltgen diese Benachteiligung der Grenzpendler den hierzulande wahlberechtigten Studierenden als Bemühung um ihre Autonomie vom Elternhaus schmackhaft gemacht. Denn die gleichzeitig zur Kindergeldstreichung für die studierenden Grenzpendlerkinder erfolgte Erhöhung der Stipendien für die Landeskinder war substantiell: Statt 40 Millionen Euro zu sparen, sollten die Kosten der Reform 88 Millionen Euro ausmachen. Außerdem kamen nun auch Studierende aus besserem Haus erstmals in den Genuss der von ihnen vielfach als unverhofftes Taschengeld empfundenen Studienbeihilfen. Mit dieser horizontalen Umverteilung innerhalb einer Klasse, von kinderlosen Steuerzahlern zu solchen mit Kindern, führte Biltgen statt einer schon damals viel diskutierten sozialen eine nationale Selektivität ein und nannte sie Autonomie. Dies begeisterte selbstverständlich sämtliche einheimische Jugend- und Studentenorganisationen, die so taten, als ob es viele arme Studierende aus reichen Familien oder einen reichen Studenten aus einer armen Familie gäbe.
Doch der vom europäischen Recht faszinierte Jurist hatte sich verrechnet, und nach den von OGBL und LCGB unterstützten Klagen verlangte der Europäische Gerichtshof, die nationale Selektivität nicht abzuschaffen, aber doch abzuschwächen und Grenzpendler nur bis zum Erreichen einer mehrjährigen Beschäftigungsdauer zu diskriminieren. So dass die Kosten nach einer während der Regierungskrise vorgenommenen Blitzreform auf über 200 Millionen Euro jährlich zu steigen begannen. Das kann die neue liberale Koalition so nicht durchgehen lassen und will die jährlichen Ausgaben nun auf etwa 100 Millionen halbieren. Schließlich ist sie angetreten, um bis zum Ende der Legislaturperiode ausgeglichene Staatsfinanzen aufzuweisen. Dabei tritt sie ehrlicher auf als die Vorgängerkoalition. Denn in ihrer Regierungserklärung kündigt sie an, die bisherige „Gießkannenpolitik“ des Sozialstaats durch eine selektivere Politik zu ersetzen, lässt also die Kriterien ihrer Selektivität offen.
In dem nun vorgestellten Entwurf mischt die Regierung nationale und soziale Selektivität. Dazu behält sie das Darlehen über 6 500 Euro bei und teilt das bisherige Stipendium von 6 500 Euro auf: Neben einem Grundbetrag von 2 000 Euro führt sie ein beim Europäischen Gerichtshof beliebtes „Mobilitätsstipendium“ ein, das den meisten Grenzpendlerkindern entgeht, weil sie erfahrungsgemäß in ihrem Heimatland studieren. Zu dieser nationalen Selektivität kommen weitere 500 bis 2 500 Euro hinzu, die je nach Einkommenslage des Elternhauses gewährt werden. Allerdings sind die Einkommensschwellen weit höher als bei der Gewährung anderer sozialstaatlicher Zuschüsse, sie reichen nämlich bis zum 4,5-fachen Mindestlohn oder einem respektablen Monatseinkommen von 8 644,64 Euro. Gegenüber Armen scheint die Regierung gemeinhin misstrauischer als gegenüber den von der DP umworbenen Mittelschichtfamilien, die noch vor der versprochenen Glättung des Mittelstandsbuckels erst einmal von der sozialen Selektivität verschont bleiben.