Es herrschte ein wenig Ratlosigkeit unter den versammelten Journalisten, die vor ein paar Wochen angetreten waren, um das Ergebnis der monatelangen Verhandlungen zwischen Post und Raiffeisen zu erfahren. Sie hatten Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, wie dieser Deal das Problem der Post beheben soll, das Post-Chef Claude Strasser noch einmal in Erinnerung rief: In Zeiten niedriger Zinsen fährt der Post-Chèque (CCP) ein Defizit ein – das Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) im Parlament auf 25 Millionen Euro beziffert hatte.
Anders als eine Bank, die einerseits von Kunden Einlagen annimmt, ihnen dafür Zinsen gibt und andererseits Kunden Kredite zu einem höheren Zinssatz gewährt und von der Differenz auf Haben- und Kreditzinsen lebt, sammelt die Post nur Einlagen ein. Kredite vergibt sie keine; sie muss also die Kundengelder möglichst risikofrei anlegen, um eine Marge zu machen, aber auf solchen sicheren Anlagen gibt es kaum noch Zinsen. So hatte die Post laut Jahresbericht 2014 790 Millionen Euro bei Luxemburger und deutschen Banken angelegt und wies 1,2 Milliarden Euro Kundeneinlagen aus.
Auch in Zukunft bleibt dies ein Problem für die Post. Denn sie behät ihren Postchèque und ihre Kunden. Die Raiffeisen bietet ihnen ein Sparbuch an, das sie über CCP Connect verwalten können. Die Postkunden können die Geldautomaten beider Häuser nutzen und ab Mai ihre Geldoperationen in den Filialen der Raiffeisen abwickeln. Umgekehrt geht nicht, die Postmitarbeiter dürfen ohne Banklizenz keine Bankprodukte verkaufen.
„Die ganze Kundschaft übernehmen“, erklärt Raiffeisen-CEO Guy Hoffmann den Kompromiss, „das wäre nicht denkbar gewesen, da hätten wir in diesem Zinsumfeld auch hohe Verluste gemacht.“ Hoffmann betont: „Ich wollte auf keinen Fall unsere Bank in Gefahr bringen.“ Deshalb war eine Übernahme der ganzen Finanzsparte ausgeschlossen.
Durch die Abmachung wird die Post ihre Einnahmen aber nur wenig steigern und schon gar nicht ihr Defizit decken, das größer ist als der Gewinn von 18 Millionen Euro der Raiffeisen 2014. Post und Raiffeisen haben vereinbart, die Marge zu teilen, die bei Raiffeisen durch die CCP-Kunden entsteht, die das Angebot eingehen und ein Sparkonto eröffnen, das ihnen während drei Monaten einen Vorzugszins von 0,95 Prozent anbietet. Das ist derzeit ein guter Zins, aber ob Raiffeisen damit die Kunden hinter dem Ofen hervorlocken kann? Wie viel Marge die Raiffeisen damit im derzeitigen Umfeld generieren kann, um sie mit der Post zu teilen? Wie viele des sagenhaften Pools von 140 000 bis 150 000 Kunden haben überhaupt ein Interesse daran? Denn die meisten CCP-Nutzer, das haben Erhebungen in der Vergangenheit ergeben, stehen ohnehin in einem Kundenverhältnis zu zwei weiteren Banken. Ob die anderen ausreichend Geld auf dem CCP haben, um es auf ein Raiffeisen-Sparbuch zu überweisen, oder ob sie zu denjenigen gehören, die zur Post gehen, weil andere Banken sie abgewiesen haben?
Das, erklärt Claude Strasser, mag auch der Grund gewesen sein, weshalb die BCEE frühzeitig das Interesse an den Verhandlungen mit der Post verlor. Weil die Sparkasse ohnehin den höchsten Marktanteil hat, sind die Überschneidungen zwischen ihrer eigenen Kundenbasis und derjenigen der Post, wahrscheinlich groß. „Groß“, sagt auch Guy Hoffmann, wenn man ihn auf die Überschneidungen mit der Raiffeisen-Kundendatei anspricht. „Weniger als die Hälfte. Aber deutlich mehr als ein Viertel.“ Genau weiß er es nicht – auf die Postdaten hat Raiffeisen keinen direkten Zugriff. Dennoch ist die Zusammenarbeit eine riesige Gelegenheit für Raiffeisen. „So ein Zug kommt in Luxemburg nur einmal vorbei“, so der Chef der Raiffeisen, die nicht um ausländische Kunden wirbt und deren Aktionsradius damit auf den Luxemburger Markt beschränkt ist.
Die Raiffeisen hat gut verhandelt. Gerne hätte die Post die neuen Partner überzeugt, in ihren Filialen auch Postdienstleistungen durchzuführen. Sie konnte sich nicht durchsetzen. „Wir haben sehr viel in unser Filialnetz investiert, in die Infrastruktur, die Ausbildung der Leute, damit sie weniger Transaktionen abwickeln und dafür mehr Kundenberatung machen. Da verkaufen wir doch keine Briefmarken und geben Pakete aus. Wir würden ja in der Entwicklung zehn Jahre zurückgehen“, wehrt Hoffmann ab. Die Briefmarken verkauft nun die Supermarktkette Cactus und die Pakete geben Tankstellen aus. Dennoch ist die Öffnung des Raiffeisen-Filialnetzes für die Postkunden der wichtige Aspekt an der Zusammenarbeit, weil sie der Post erlaubt, den CCP-Kunden alternative Anlaufstellen anzubieten. Seit vergangener Woche sind 35 kleinere Büros der Post geschlossen. Das Zweigstellennetz der Post, erklärt Claude Strasser, kostet 30 Millionen Euro jährlich. Von diesen Kosten entfalle in der Buchhaltung ein großer Teil auf die Finanzsparte, die auch deshalb so schlecht dastehe. Nun kann Strasser Mietverträge kündigen, Immobilien verkaufen. Das wird sich positiv auf die Gewinnrechnung des CCP auswirken, auch ohne dass die Einnahmen steigen.
Dabei muss Strasser aber erst einmal viel Geld ausgeben. Für 30 Millionen Euro kauft sich die Post mit zehn Prozent im Kapital der Banque Raiffeisen ein. „Das war ganz klar unsere Forderung“, sagt der Post-Direktor. Sonderlich viele Probleme, ihm entgegen zu kommen, dürfte Raiffeisen nicht gehabt haben. Denn seit 2009 regt sich Guy Hoffmann bei der Vorstellung der Jahresbilanz auf, dass die Raiffeisen die einzige Bank auf dem Luxemburger Schalterkundenmarkt sei, die ohne staatliche Beteiligung oder Garantien auskomme. Dass der Staat nun indirekt via Post einsteigt, dürfte ihm deshalb Genugtuung verschaffen. „Wir wollen über die Beteiligung und den Verwaltungsrat unser Mitspracherecht wahren“, sagt Strasser. Wenn er das behalten will, darf er sich keine Dividenden auszahlen lassen. Tut die Post das, sehen die Statuten der Kooperativbank vor, dass die Beteiligung schrumpft.