Leitartikel

Öffentlich ist nicht Mist

d'Lëtzebuerger Land vom 13.04.2018

Anfang der Woche sah es nach Krach im Gesundheitswesen aus. Da protestierte der Ärzteverband AMMD, dass die CNS die Labors benutze, um die Ärzte zu kontrollieren und Geld zu sparen: Anfang Januar war für die Analyselabors eine neue Gebührenordnung in Kraft getreten, nach der sie ihre Leistungen mit der Kasse verrechnen. Zum 1. April endete die Übergangsphase. Dann sollte, schrieb der CNS-Präsident den Labors Anfang März, von ihnen kontrolliert werden, ob ein Arzt mehr verschrieben hat, als in dem neuen Tarifkwerk steht, das unter anderem „Anti-Kumul-Bestimmungen“ enthält. Würden die verletzt, werde die CNS die Abrechnung „en bloc“ zurückweisen, auch für Analysen, deren Kumul nicht zu weit geht. Im Grunde müsste der Patient dann zurück zum Arzt gehen, damit der weniger verschreibt.

An den Anti-Kumul „werden wir uns natürlich nicht halten!“, kündigte AMMD-Präsident Alain Schmit an. Schließlich ist dem Arzt Verschreibungs- und Therapiefreiheit garantiert, sie einzuschränken, schade dem Patienten. Schmits Punkt war aber noch ein anderer: Dass die CNS Abrechnungen von Labors überhaupt „en bloc“ ablehnen kann, liegt daran, dass für Labors der Tiers payant gilt und die Kasse Laborkosten direkt übernimmt. Jener Tiers payant, von dem die AMMD fürchtet, er werde womöglich von der nächsten Regierung auch für die Ärzte „verallgemeinert“, weil zu viele Parteien sich in ihr Wahlprogramm schreiben könnten, was sich vergangenes Jahr die Online-Petitionärin Jill Sterba gewünscht hatte und was mehr als 7 100 Leute auch so sahen. Am Beispiel der Labors sehe man, wohin das führen würde, so die AMMD: Ein Tiers payant généralisé für den Arzt wäre gesundheitsschädlich, quod erat demonstrandum.

Unrecht hatte der Ärzteverband mit seiner Kritik an der Weisung der CNS an die Labors nicht. Weshalb die Kasse schon vor den Osterferien ein erstes Mal eingelenkt hatte, aber das sagte die AMMD nicht. Vergangene Woche schloss die CNS sich der Idee des Laborverbands an: Steht auf einer Analyse-Verschreibung zu viel auf einmal, kann der Patient entweder zurück zum Arzt gehen und sich ein regelkonformes Rezept holen, oder nur jene Analysen vornehmen lassen, die den Anti-Kumul nicht verletzen, und die anderen nicht, oder sich drittens für sämtliche Analysen entscheiden und aus eigener Tasche bezahlen, was über den Anti-Kumul hinausgeht. Zu vermuten ist, dass der Kompromiss auch die AMMD zufrieden stellt. Denn sie hatte geklagt, es sei schon bisher so gewesen, dass der Patient im Labor zuzahlte, wenn es für eine Leistung nach der alten, hoffnungslos veralteten Gebührenordnung keinen Tarif gab. Und ihr Widerstand gegen den Tiers payant généralisé erklärt sich auch daraus, dass es für einen Arzt dann weniger leicht wäre, als Convenance personnelle mit dem berühmten Zusatz „CP“ etwas in Rechnung zu stellen, wofür es keinen Kassentarif gibt.

Das sind ziemlich komplexe Zusammenhänge, die überdies beunruhigend sind: Welcher Patient kann schon einschätzen, welche Laboranalyse nicht so wichtig wäre oder für welche eine Extra-Ausgabe Sinn macht? Nur der mit einem abgeschlossenen Medizinstudium? Dass die CNS versucht, an den Laborleistungen vielleicht nicht zu sparen, aber auf jeden Fall nicht zu viel dafür auszugeben, sieht man an den „Anti-Kumul-Regeln“. Daraus folgt im Grunde zweierlei: Erstens, dass den Tiers payant généralisé einzuführen, nicht einfach wäre. Zweitens, und vor allem: Es wäre nötig, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung ein Wahlkampfthema wird und die Parteien sich dort äußern, wie das System „zukunftsfähig“ gemacht werden kann. „Weiter so“ ist keine Option. Denn seit zwei Jahren schon entsteht der Eindruck – sei es durch überfüllte Notaufnahmen, den Mangel an MRT-Apparaten oder jetzt das Hin und Her um die Labors – dass ein öffentliches System ineffizient, träge und nicht auf dem neuesten Stand ist. Das ist gefährlich. Die Alternative „mehr privat“ hieße mehr Zwei-Klassen-Medizin.

Peter Feist
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