Es soll ein wahrer Pionier sein, jene Maissorte „Pioneer 1507“, deren Anbau auf Äckern und Feldern in der Europäischen Union Mitte Februar erlaubt wurde, der dazu beitrage, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Eine Wunderpflanze ist dieser gentechnisch veränderte Mais ohnehin – glaubt man den „Herstellern“ Dow Agro Sciences und Pioneer Hi-Bred International. So lobt Pioneer, die Dupont-Tochter aus Iowa, ihre Saat über den grünen Klee: Pioneer 1507 bekämpfe den Schädling Maiszünsler wirksam. Diese Mottenraupe zerstöre jährlich bis zu vier Prozent der weltweiten Maisernte, wie die Welt-Ernährungsorganisation FAO schätzt. Über Risiken und Nebenwirkungen, die der gentechnisch verändert Mais verursachen kann, schweigt sich das US-amerikanische Unternehmen aus.
Europa erlaubte die Zulassung des Genmais durch eine Enthaltung Deutschlands – wie auch Belgiens, Portugals und Tschechiens – bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel. Und das, obwohl sich in Berlin wie auch in einigen Bundesländern Widerstand gegen die neue Mais-Sorte regt. Das deutsche Umweltministerium, geleitet von Barbara Hendricks (SPD), als auch das Landwirtschaftsministerium unter Christian Schmidt (CSU) meldeten Bedenken an, die vom Gesundheits- und vom Forschungsministerium, beide CDU geführt, vom Tisch gewischt wurden. Eine gesundheitliche Gefährdung sei nicht nachweisbar, hieß es aus dem Gesundheitsamt, das auf die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA verwies, die den Genmais als „unbedenklich“ deklarierte.
Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Bayern – beides wichtige Agrarstandorte in Deutschland – bemühen sich bereits um Ausnahmegenehmigungen, um die Zulassung von Pioneer 1507 umgehen zu können. Auch Österreich möchte den genveränderten Mais nicht auf seinen Äckern säen lassen. Das Land poche auf die Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten für einen Gentechnik freien Anbau, so der österreichische Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter von der konservativen Regierungspartei ÖVP. Unterstützung bekam er von seinem Parlamentskollegen Wolfgang Pirklhuber, von den Grünen: „Das derzeitige Prozedere in Sachen EU-Zulassung von Gentech-Pflanzen offenbart ein massives Demokratiedefizit, gepaart mit der Missachtung des Vorsorgeprinzips.“
Ärger in Europa ist ohnehin programmiert: Während Spanien, Schweden, Finnland, Estland und Großbritannien für die Zulassung votierten, stemmten sich Italien, Frankreich, Luxemburg und weitere 16 EU-Staaten vehement dagegen. Dabei steht die Zulassung von Pioneer 1507 nicht erst seit gestern auf der Tagesordnung. Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich Dupont um die Zulassung und wurde ebenso lange schlichtweg ignoriert, bis das Unternehmen schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof klagte. Erfolgreich. Der EU-Kommission blieb somit nichts anderes übrig, als im November letzten Jahres den offiziellen Vorschlag zur Zulassung des Gen-Mais zu präsentieren.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso laviert zwischen den Standpunkten. Man verstehe, dass es Bedenken gebe, sagte ein Kommissionssprecher Mitte Februar in Brüssel und verwies auf einen Richtlinien-Vorschlag der Kommission. Dieser sieht vor, dass die Kriterien für nationale Anbauverbote ausgeweitet werden können. Bislang sind es nur Gesundheits- und Umweltaspekte, die von der Lebensmittel-Sicherheitsagentur EFSA überprüft werden, die ein Anbau-Verbot bewirken können. Nach dem Richtlinien-Vorschlag sollen künftig auch Fragen der Landnutzung und sozio-ökonomische Gründe als Kriterium zulässig sein, die nicht von der Lebensmittelagentur bewertet werden. Die EFSA hat sich bereits mehrfach mit Mais 1507 beschäftigt und kam zum Schluss, dass er sich in Bezug auf Umwelt Gesundheit nicht von herkömmlichen Sorten unterscheide. Auch führe der Anbau des gentechnisch veränderten Mais nicht dazu, das ganze Schmetterlingspopulationen gefährdet seien. Zur Schädlingsresistenz wird in den Genmaispflanzen ein Protein gebildet, das für Schmetterlinge schädlich ist.
Der Richtlinien-Vorschlag wird allerdings seit 2011 von großen EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland blockiert. Sie sehen in der Ausweitung des Verbots ein Verstoß gegen die Vorgaben der Welthandelsorganisation WTO, die ein Verbot des Anbaus von Genmais nur in begründeten Ausnahmefällen zulassen. Darüber hinaus, so das Pro-Anbau-Lager, verliere vor allem der Forschungsstandort Europa.
In den Vereinigten Staaten gehören gentechnisch veränderte Pflanzen beinahe schon zum Alltagsgut. Sie werden angebaut und verarbeitet. Ihre Verwendung als Zutat in Lebensmittel muss nicht eindeutig gekennzeichnet werden. In Europa ein gänzlich anderes Bild: Nach einer Greenpeace-Umfragen lehnt 88 Prozent der Deutschen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab.
Mais 1507, der unter den Handelsnamen Herculex I und Herculex CB vertrieben wird, ist bislang in 18 Ländern weltweit und der EU als Lebensmittel zugelassen, wo er auch – wie in 15 weiteren Staaten – als Futtermittel verwendet werden darf. Darunter Argentinien, Kanada und die Türkei. In Puerto Rico wurde der Mais bereits vor acht Jahren wieder vom Markt genommen, nachdem ein Maisschädling aus der Familie der Eulenfalter Resistenzen dagegen entwickelt hatte, womit sich eine Auswirkung auf die Umwelt zeigte. In Europa gilt ein Anbau in Spanien zunächst als am wahrscheinlichsten – doch nicht mehr in diesem Jahr, denn zunächst muss Mais 1507 in den europäischen Saatgut-Katalog aufgenommen werden.