Zu den Vorhaben, an denen der politische Erfolg der Regierung am Ende dieses Jahres gemessen werden wird, gehört das Bemühen, die Tripartite im Besonderen und den Sozialdialog im Allgemeinen wieder auf ihre gewohnte Weise zu organisieren. Denn dass sie die Tripartite durch zwei Separatfrieden ersetzen musste und die Unternehmer den Wirtschafts- und Sozialrat und andere sozialpartnerschaftliche Gremien boykottieren, wird aus nicht immer ganz überzeugenden Gründen vor allem der Regierung angelastet. Und die fühlt sich nun dafür verantwortlich, das ausgeprägte Harmoniebedürfnis der CSV-Wähler und den unerschütterlichen Sozialstaatsglauben der LSAP-Wähler zu bedienen, indem sie die Sozialpartner wieder an einem Tisch vereint.
Nach dem laut Verbandsblatt d’Handwierk „fast unmöglich“ erschienenen Abkommen mit den Unternehmerverbänden Mitte Dezember hatte Premier Jean-Claude Juncker eine Reform der Tripartite angekündigt. Zu diesem Zweck wird vor allem daran gedacht, einen „engeren“, das heißt effizienteren und nicht zuletzt vertraulicheren Gesprächsrahmen für einige wenige Spitzenleute zu schaffen. Die Idee ist ungefähr so alt wie die Tripartite selbst. Denn schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren war bei jeder größeren Schwierigkeit die Tripartite kurzerhand zur feierlichen Plenarversammlung erklärt und durch ein Koordinationskomitee oder ein Steering-Komitee mit jeweils geringerer Teilnehmerzahl ersetzt worden.
Jene, denen die Verhandlungsform wichtiger als das Verhandlungsergebnis scheint, oder die ständig über eine Volkskrankheit namens „Neokorporatismus“ jammern, rätseln seither, ob es der Regierung dieses Jahr gelingen wird, die Tripartite wieder in altem Glanz aufblühen zu lassen. Die Antwort ist selbstverständlich: nein. Denn dabei wird stets bewusst oder unbewusst an der Mutter aller Tripartiten gemessen, der Stahltripartite der Siebzigerjahre, die in Wirklichkeit keine Urform, sondern eine Ausnahmeerscheinung war. Die Stahltripartite ermöglichte nämlich einen Ausweg aus einer wirtschaftlichen und damit politischen Existenzkrise, bei dem jeder der Teilnehmer auf seine Kosten kam: Die Stahlarbeiter erhielten eine Arbeitsplatz- und Standortgarantie, die Arbed erhielt den sozialen Frieden und staatliche Zuschüsse für ihre Restrukturierung, und die Regierung verhinderte in dem mit Abstand dominierenden und gewerkschaftlich am höchsten organisierten Wirtschaftszweig ein soziales Erdbeben, das das ganze Land erschüttert hätte. Dieses als nationale Solidarität gefeierte Arrangement, das ein italienischer Philosoph als einen historischen Klassenkompromiss bezeichnet hätte, konnte und musste nie mehr wiederholt werden.
Dass die Regierung mangels Kompromisses im vergangenen Herbst mit dem Scheckheft einspringen musste, um doch noch die im Laufe der Monate radikalisierten Sozialpartner zufrieden zu stellen, zeigt, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 keine nationale Solidarität und keinen neuen Standortpatriotismus im internationalen Wettbewerb provozierte, sondern als große Ungerechtigkeit empfunden wurde, für die jeweils andere zahlen sollen. Sicher ist damit die lange sozialpartnerschaftliche Tradition nicht am Ende und treffen sich Regierung, Unternehmer und Gewerkschaften auch auf nationaler Ebene wieder. Aber in Zeiten des globalisierten Konkurrenzkampfs, verschärfter Stabilitätskriterien und des „europäischen Semesters“ dürfte die reformierte Tripartite kaum noch die Rolle in der nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik spielen, die sie in der Vergangenheit hatte. Paradoxerweise zumindest so lange, wie Parteien mit einem einflussreichen Gewerkschaftsflügel regieren.