Farniente ist anders. Rastlos und inspiriert hat Dullemajik ihr neues Album Häss de Flilléken! herausgebracht. Erst vor zwei Jahren hatte die Folkloregruppe mit der Best-Of-Scheibe Dat Bescht! einen Querschnitt durch 33 Jahre Dullemajik, das heißt durch drei LPs und vier CDs, veröffentlicht, ein wahres Juwel, das sozusagen alle Künstler, die in diesen Jahren mit der Formation zusammen musiziert haben, vereinigt. Noch zwei Jahre vorher war es das Album Schons erëm!, mit dem Guy Schons und Co. mit ihren unverwechselbaren Weisen und der klaren, bodenständigen Sprache ihrer Texte die Zuhörer faszinierten.
Dullemajik ist zweifellos die Koryphäe des luxemburgischen Volkslieds. In die Schublade mittelalterlichen Bardentums zwängen lassen sich die Musiker allerdings nicht, denn ihr Liedgut reicht von Frühmittelalter und Renaissance bis zu Batty Weber, Putty Stein und Fritz Weimerskirch – nicht zu vergessen, die zahllosen Eigenkompositionen. Charmant und tiefgründig wie eh und je sind die Musiker auch in ihrem neuen Album Häss de Flilléken! Der Titel steht für die Nummer eins der Scheibe: die Übertragung ins Luxemburgische des jiddischen Volkslieds Dos kelbl. Op dem Schluechtdësch, läit e Källefchen / läit gebonne mat engem Stréck, / Héich am Himmel, do flitt e Vijelchen, / Flitt, an dréit séch hin an zréck. Was als poetische Umschreibung eines zwischen Nature morte und naturalistischem Spektakel angesiedelten Tableaus anmutet, stammt aus der Feder des polnischen Autors Jtschak Katsenelson, der das Lied vom Kälbchen 1944 unter dem Eindruck seiner Deportation aus dem War-schauer Ghetto ins Vernichtungslager Ausschwitz schrieb. Getragen kommt der von Guy Schons übersetzte Text daher, traurig und ruhevoll die Gitarrenbegleitung. Gelassen, friedlich und subtil ist ebenfalls das Schloflidd, ein weiteres jiddisches Stück, ein Wiegenlied des 1942 im Warschauer Ghetto erschossenen Dichters und Komponisten Mortche Gebirtig.
Aufreibend und eindringlich ist das portugiesische Lied Sodade über die Kolonialzeit auf den kapverdischen Inseln, fast feierlich das aufklärerische Stück Die Gedanken sind frey, das im Zeitalter der französischen Revolution auf Flugblättern verteilt wurde: „Denn meine Gedanken / Zerreißen die Schranken / Und Mauern entzwei, / Die Gedanken sind frey“. Ein Obligat sind natürlich die im Sinne der ursprünglichen luxemburgischen Volksmusik interpretierten Nummern wie De Kanonéier aus dem Dicks-Singspiel d’Mumm Séiss, das ebenfalls von Edmond de la Fontaine stammende „Uucht“-Lied Léif Gefuedesch oder D’Margréitchen von Laurent Ménager und Michel Lentz. Souverän und kultiviert singen Nadine Bissen, Sylvia Nels und Guy Schons. Unaufdringlich und feinfühlig ist die Begleitung durch Guy Schons und Sylvia Nels auf der Gitarre, Nadine Bissen auf der Blockflöte, Maurizio Spiridigliozzi auf dem Akkordeon und Lisa Berg auf dem Cello. Ein subtiles, vielseitiges Album.