Roboter und Androiden bestimmen die Science-Fiction in Literatur und Film seit geraumer Zeit; sie sind, in einer Ableitung des Prometheus-Komplexes, der vermeintlich entwickeltste Ausdruck einer avancierten Technologie. Für viele negative Utopien der Science-Fiction sind sie aber Ausdruck für den Niedergang der menschlichen Kultur und Zivilisation. Am Ende der Menschheit steht gerade erst deren Anfang. So verwundert es auch nicht, dass die auf HBO gestartete Serie Raised by Wolves mit geradezu biblischen Bildern in ihre Welt einführt: Da gibt es Adam und Eva und den Garten Eden. Im Jahre 2145 wurde die Erde in einem Atomkrieg zwischen Gläubigen und Atheisten zerstört. Die von den Atheisten gebauten Androiden, Mutter (Amanda Collin) und Vater (Abubakar Salim), wurden auf einen fernen Planeten namens Kepler-22B entsandt, um dort mit zwölf mitgeführten Embryonen ein neues Menschengeschlecht zu erziehen, frei von jeglichen religiösen Ansichten. Menschliche Kinder zu erziehen, erweist sich aber als schwierig. Das Problem des künstlichen Menschen ist ebenso ein theologisches: Der Mensch wiederholt den göttlichen Schöpfungsakt, entwickelt Androiden, die ihrerseits wieder Menschenkinder großziehen – eine Anmaßung, die die religiösen Fundamentalisten um den fanatischen Marcus (Travis Fimmle) auf den Plan rufen. Sie empfinden die neu gegründete Kolonie als Gotteslästerung und wollen diesen Garten Eden zerstören. Besonders der junge Campion (Winta McGrath) gerät zunehmend in einen Gewissenskonflikt um die Frage, wem er denn nun zu folgen hat.
Showrunner Aaron Guzikowski hat mit Ridley Scott einen versierten Produzenten zur Seite; ein Name, der für die Entwicklung der filmischen Science-Fiction von besonderem Range ist. Seit Beginn seiner Regiekarriere beschäftigt sich der Filmemacher mit den großen Fragen der Menschheit, exploriert philosophische Themenfelder, ohne dabei auf die wirkungsmächtigen Einflussfaktoren von Genrestandards und die Inszenierung von action zu verzichten. Alien (1979) oder Blade Runner (1981), sowie die Fortsetzung Blade Runner 2049 (2017), bei der er als Produzent mitwirkte, stehen als Beispiele dafür, dass Scott das Genre erneuerte, indem er es wieder überaus ernstnahm. So auch in Raised by Wolves: Es ist ein kühler, stilisierter Essay über die Versuchung und den Glauben. Die künstlichen Wesen sind nicht mehr Lachnummern wie etwa das Roboterpaar in Star Wars. Sie sind auch nicht mehr ausschließlich Quelle menschlicher Ängste, die sich aufgrund der Überlegenheit künstlicher Wesen, in Sachen Intelligenz oder Widerstandsfähigkeit, ihrer Existenz bedroht sehen. Der Kniff von Raised by Wolves besteht darin, dass er die emotional wahrnehmbaren Grenzen zwischen dem „natürlichen“ und dem „künstlichen“ Menschen vollständig aufhebt; die Serie erzählt von den Widersprüchen, von der Unmenschlichkeit der Menschen, von der Menschlichkeit der Maschinen.
Kalte, aseptische Oberflächen und triste Grautöne dominieren die Bildinhalte. Die archaischen Behausungen, die an Planet of the Apes (1968) erinnern, die glatten Strukturen der futuristischen Raumschiffe sowie die Latexanzüge der Androiden wirken wie Fremdkörper in der kargen Landschaft von Kepler-22B; gerade so, als wollten uns die Bilder sagen, dass sich das neue Zivilisationsprojekt in seiner eigenen Widersprüchlichkeit nur ausschließen könne. Der Zuschauer folgt mit fasziniert-entsetztem Blick diesen mitunter verstörenden Bildern. Ein zwielichtiger Fixpunkt ist in alldem der Schauspieler Travis Fimmle: In seinen Augen lässt sich sein Entsetzen über diese Zukunft ablesen – das Erschreckende liegt darin, dass die Menschheit hier nicht mehr für ihre Vormachtstellung gegenüber den Androiden eintritt, sondern nur mehr einen hoffnungsvollen Kampf darum führt, in der Erinnerung der Androiden künftig einen festen Platz einnehmen zu können.