Früher, im Club des jeunes, gab es immer ein paar Jungs, die sich auch in der Spätpubertät noch mehr für Autos als für Mädchen interessierten. Die voller Enthusiasmus ihre Freizeit damit verbrachten, an Autos herumzuschrauben, um neue Fahrzeuge ein bisschen schneller, alte wieder fahrtüchtig zu machen oder einfach nur ihren Klang ein wenig eindrucksvoller zu gestalten. Für die es nicht Schöneres gab, als Stunden im Graben unter dem Fahrgestell zu verbringen, sich erst die Hände, dann die Kleidung schmutzig zu machen. Wer sie kannte, konnte oft viel Geld für die eigene Auto-Reparatur sparen.
Das ist heute nicht mehr so einfach, jedenfalls für diejenigen, die ein Auto neueren Baujahrs haben. Zwar bleibt ein Auto ein Auto, sagt Ernest Pirsch, Präsident des Autohändler- und Werkstattverbands Fegarlux. Doch der erste Handgriff, den gelernte Mechaniker in der gewerblichen Werkstatt bei einem defekten Fahrzeug tätigen, ist das Einstöpseln eines Computerkabels. Auch in Basismodellen, die ansonsten wenig elektronische Extras aufweisen, wird der Motor elektronisch gesteuert, um die Einstellung zu optimieren und den Treibstoffverbrauch zu senken. Weshalb zum Chip-Tuning heutzutage Hand an die Computer-Tastatur gelegt wird, statt an den Schraubschlüssel. Die computergesteuerten Autos sind so schlau, dass sie, an den Computer angeschlossen, dem KFZ-Mechaniker via Fehlermeldung sagen, was ihnen fehlt, und ob es beispielsweise eine Rückrufaktion für dieses Auto gibt. Die zunehmende Elektro- und Informationstechnik im Auto hat die Arbeitsweise in den Werkstätten verändert. Erst wenn die Computer-Untersuchung kein Ergebnis bringt, forschen die Mitarbeiter weiter.
Stark verändert hat sich aber auch die Aus- und Weiterbildung im KFZ-Mechaniker-Beruf. Der heißt heute „KFZ-Mechatroniker“, um der zuneh-menden Bedeutung der Elektronik Rechnung zu tragen. „Die Arbeit“, schreibt die Handwerkskammer im Ausbildungsprofil, „setzt die Handhabung einer Vielzahl von Spezialwerkzeugen und -geräten voraus, vom optischen Achsmessgerät bis hin zum elektronischen Motortestgerät. Sie ermöglichen schnelle Diagnosen und exakte Reparaturausführung.“ Das klassische mechanische Fachkönnen ist nur noch Grundausbildung.
Hybrid- und Elektroautos setzen aber zunehmend auch Elektriker-Fachwissen der Werkstattmitarbeiter voraus, fügt Ernest Pirsch hinzu. Um mit der Technik Schritt zu halten, sind die Mitarbeiter quasi ständig in Weiterbildung. „Zehnmal im Jahr“, schätzt Pirsch, sind seine Mitarbeiter im Weiterbildungskurs bei den Herstellern. Besonders intensiv wird es, wenn neue Modelle auf den Markt kommen. Dazu kommen E-Learning-Kurse, inklusive Prüfungen, in denen das Wissen abgefragt wird. Dass die Mitarbeiter auf dem neuesten Stand sind, ist Konzes-sionsbedingung der Hersteller, sagt Pirsch, nicht nur bei den Marken, die er im Angebot hat.
Die Luxemburger Kunden würden elektronische Extras lieben, sagt Pirsch, der Ford, Mazda und Kia vertritt. Bremshilfen, ob ABS oder solche, die bis zu einer gewissen Geschwindigkeit im Stadtverkehr den Bremsvorgang auslösen, sobald sie ein Hindernis auf der Fahrbahn erkennen. Traction-control-Systeme, die verhindern, dass das Auto ungewollt nach hinten rollt. Einparkhilfen, vom einfachen „Pieps“-System bis hin zur Luxusversion für notorische Schlechtparker, die voll automatisch einparkt. Lane-control-Systeme erkennen, wenn der Fahrer auf der Autobahn die Fahrbahn verlässt, weil er eingeschlafen ist, und korrigieren die Richtung. Hoch im Kurs steht aber auch die Unterhaltungselektronik, und wenn es nur der USB-Anschluss für den MP3-Player ist, eher aber das integrierte Navigationssystem. Um den Kunden zu erklären, wie das alles funktioniert, räumen die Händler immer mehr Zeit ein, schmunzelt Pirsch.
Wer trotz dieser Hilfen auf dem Supermarktparkplatz rückwärts in ein anderes Auto fährt, für den wird die Reparatur teuer. Denn dann muss nicht nur die – meist lackierte – Stoßstange, sondern auch die ganze Technik dahinter ersetzt werden, die beim Autokauf, je nachdem, einen Aufpreis im vierstelligen Bereich ausmacht. Und wer hatte nicht schon einmal Probleme mit defekten elektrischen Fensterreglern oder der Zentralverriegelung, die ein ansonsten fahrtüchtiges Auto außer Gefecht gesetzt haben? Dabei, wirft Pirsch ein, werden solche Pannen immer seltener und die Systeme dadurch, dass sie immer häufiger zum Standard werden, auch zunehmend billiger. Dass der Kunde aufgrund der zunehmenden Informatisierung für Reparaturen und Revisionen tendenziell eher zu der Markenwerkstatt geht, statt zu markenunabhängigen Werkstätten, kann auch Pirsch nicht abstreiten. Dennoch scheint es auch einen Trend in eine ganz andere Richtung zu geben: Unter Dacia-Käufer etwa, so ist immer wieder zu hören, seien nicht nur solche, die sparen wollen oder denen der Statussymbolcharakter eines Autos völlig egal ist. Sondern auch solche, die als Hobbymechaniker an dem Auto viel selber machen.
Ohne Zweifel ist die Informatik wichtigster Innovationstreiber in der Automobilbranche. Die Hochschule Landshut im Autoland Bayern hat vor ein paar Jahren als erste einen Bachelor-Studiengang Automobilinformatik eingeführt. Bis zu 40 Prozent der Herstellungskosten eines Autos sind auf die Elektronik zurückzuführen und 90 Prozent aller Innovationen auf Elektronikunterstützung, lockt die Hochschule Bewerber: „Premiumfahrzeuge besitzen bis zu 70 Rechnereinheiten, die mit bis zu fünf Bussystemen untereinander kommunizieren.“ Der Trend gehe sogar in Richtung Trennung von Hard- und Software; die Automobil-Softwarebranche werde dadurch zum eigenständigen Sektor und der Markt dafür auf über 100 Milliarden Euro beziffert. Die Entwicklungseinheiten von Automobilkonstrukteuren und Zulieferfirmen sind deshalb händeringend auf der Suche nach Informatikern, berichtete Der Spiegel vergangenen Oktober. Demnach haben die Jugendlichen im Club des jeunes, die auch im spätpubertären Alter noch lieber mit der Play-Station spielen, statt sich für das andere Geschlecht zu interessieren, gute Grundlagen für den Arbeitsmarkt.