„Soll ich einen weißen Kittel anziehen fürs Foto?“, fragt Joseph Rodesch grinsend und kriecht dann in die Labormontur. Die ist so fleckenlos weiß, dass man glauben muss, sie sei nur für besondere Anlässe da. Was Rodesch in seiner Garage in Berchem aufgebaut hat, sieht wiederum aus, als wäre für die Konstruktion ein Schlosseranzug geeigneter gewesen.
Dabei ist der Apparat gar nicht groß. Zwei Plastiktanks und zwei Glaskolben, ein paar Meter Plastikschlauch, ein Riemengetriebe und eine elektrische Heizung – viel mehr ist da nicht. In demontiertem Zustand dürfte die Anlage ohne weiteres in den Kofferraum jedes Kleinwagens passen. Aber eine Menge Handarbeit und Improvisation steckt darin. „Einmal“, sagt Rodesch, „ist mir der große Tank sogar explodiert. Da hatte ich die ganze Suppe auf dem Fußboden liegen.“ Schön gerochen habe das nicht.
Denn es ist Biomasse, was in dem gro-ßen Plastiktank schwimmt: Gülle von einem Bauernhof in der Nachbarschaft. Die wird nach und nach „entgast“, und der kleinere Plastiktank füllt sich mit Methan – wie in großen Biogasanlagen. Wenn seine Anlage gut läuft, ließen sich aus vier bis fünf Litern Biomasse sechs bis acht Liter Gas gewinnen, sagt Rodesch.
Eine Perspektive für jeden Haushalt, der Gas nutzt? Unabhängig zu werden von der Erdgasversorgung, durch Recycling irgendwelcher Bio-Abfälle? Das nicht gerade. Dazu ist der Apparat in seiner Garage schon mal zu klein, hat Rodesch, 31 und gelernter Chemiker, in seinen Experimenten erkennen müssen. Nicht fünf, sondern mindestens fünfzig Liter Biomasse-Grundstoff seien nötig, damit die Gasausbeute stimmt, erklärt er. Das ergebe rund eine Woche lang hundert Liter Gas am Tag, und damit könne ein Vierpersonenhaushalt schon ein paar Mal kochen. Doch wenn das Grundmaterial vollständig entgast worden ist, stellt sich die Frage: Wohin mit den Überresten? – Ein Bauer bringt sie aufs Feld. Ein Stadthaushalt dagegen hätte ein Problem. Und auf dem Lande sind, um rentabel zu sein, Großanlagen in Betrieb. Was soll’s also?
In erster Linie treibt Rodesch die pure Lust am Experiment. „Chemiker wird man ja nicht, weil man begeistert ist von der Schönheit von Molekülstrukturen, sondern weil es in der Chemie zischt und knallt“, behauptet er entschieden. Und sogar sein derzeitiger Job als Scientific mediator beim Nationalen Forschungsfonds ist voll von Experimenten, um Wissenschaft und Forschung in den Schulen populärer zu machen. Mit einem Kollegen unterhält er im Internet das Chemie-Portal chimie.lu. Das kurze Wissensmagazin, dass RTL Télé Lëtzebuerg seit diesem Herbst ausstrahlt, hilft er ebenfalls produzieren, sucht Themen dafür und tritt manchmal als „Mister Science“ in der Sendung auf. Besonders aufregend daran sei immer, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man es zeigen will: Sogar gut etablierte Theorien lassen sich nicht immer durchs Experiment so prompt bestätigen, wie der Drehplan fürs Fernsehen es will. Unlängst etwa habe man versucht, in einem Windkanal die Strömungsverhältnisse herzustellen, die an den Tragflächen eines Flugzeugs für Auftrieb sorgen, aber das wollte einfach nicht gelingen ...
Auch das Biogas-Projekt war zunächst als ein Stück Populärwissenschaft gedacht: Noch als er in Aachen an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule studierte, hatte Rodesch für das Science Festival, das vom natur musée alle zwei Jahre ausgerichtet wird, einen Chemie-Stand zu betreuen begonnen. Ab 2005 nahm das natur musée teil an einem europäischen Wettstreit von Veranstaltungen wie dem Science Festival. Für den Wettstreit 2008, der in Genua stattfinden sollte, hieß die Themenvorgabe „Erneuerbare Energien“. Mit einem Freund, dem Architekten Philippe Mayer, nahm Rodesch sich vor, eine portable Biogasanlage zu bauen. Sie errang in Genua den 3. Preis, steht heute in Rodeschs Garage, und er verfolgt damit nun doch ein praktisches Ziel.
Eine Fünfzig-Liter-Anlage könnte sich eignen für die Dorfbevölkerung in armen Ländern, glaubt Rodesch. „Vor kurzem war ich einen Monat lang in Senegal. Dort kochen in den Dörfern die Frauen den ganzen Tag über offenen Holzfeuern. Durch den Qualm erblinden viele schon mit 40 Jahren. Könnten solche Familien ihre Essensabfälle in einer Biogasanlage recyceln, würde das nicht nur die Frauen ein wenig schützen. Es würde auch Holz sparen, das in Ländern wie Senegal eigentlich sehr knapp ist.“ Gelinge es ihm, eine zuverlässig funktionierende Fünfzig-Liter-Anlage zu entwickeln, würde er sie einer Entwicklungshilfeorganisation vermachen. Einen Prototyp will Rodesch mit einem Pfadfinderverband testen, so viel steht schon fest. Kompakt soll er sein und in einen PKW-Kofferraum passen. Und aus fünfzig Litern Biomasse ließe sich auf jeden Fall genug Gas gewinnen, um eine ganze Scoutséquipe gut zu bekochen.
Das Vorhaben hat es allerdings in sich. Als Rodesch vor ein paar Jahren für eine Kontrollfirma arbeitete und Biogas-Großanlagen prüfte, lernte er die Probleme ihrer Betreiber kennen. „Der Biogas-Prozess ist so empfindlich, dass man die Anlagen am liebsten mit stets der gleichen Biomasse füttert. Am liebsten mit Maispflanzen.“
Das liegt an der Chemie: Eigentlich wird aus der Biomasse Kohlenstoff abgebaut und mit Wasserstoff zu Methan verbunden. Doch ehe es so weit ist, wird die organische Biomasse in mehreren Phasen vergoren. Wie gut das klappt, hängt vom Wohlbefinden der Bakterien ab, die an der Gärung beteiligt sind. „In Großanlagen“, weiß Rodesch, „wird immer wieder der pH-Wert kontrolliert. Man schaut nach, ob die Biomasse nicht zu zähflüssig ist und gibt, wenn nötig, Wasser zu.“ So viel Überprüfen und Nachschütten wäre von Dorfbewohnern in Afrika vermutlich zu viel verlangt. Deshalb will er vor allem herausfinden, mit welchen Mischungen von Essensresten und Pflanzenabfällen die Zerlegung der Biomasse noch gut im Selbstlauf funktioniert.
Sollte das nicht klappen, hätte Rodesch mehr Zeit für andere Experimentiervorhaben. „Ich muss immer schauen, was noch so alles möglich ist. Mich auf eine Sache allein zu beschränken, fällt mir gar nicht so leicht“, sagt er von sich selbst. In seiner Garage steht keine fünf Schritte entfernt vom Mini-Biogas-Apparat eine schlanke, vielleicht anderthalb Meter lange Rakete. Bis auf zwei Kilometer Höhe müsste die sich katapultieren lassen, sagt er. Vorausgesetzt, der richtige Treibstoff findet sich, und die Düsen am Heck der Rakete fallen nicht ab. Aber das wäre wohl nur Künstlerpech.