Gewicht des Finanzsektors

Ein fettes Jahr

d'Lëtzebuerger Land vom 27.09.2007

Zum ersten Mal analysiert die vom Comité pour le développement de la place financière (Codeplafi) jährlich in Auftrag gegebene Studie über den Einfluss des Finanzplatzes auf die Luxemburger Wirtschaft dies nicht auf Basis der verschiedenen Tätigkeiten der Akteure. Es sind die Resultate der Akteure selbst, also der  Versicherer und Rückversicherer, der Banken, der Professionels du secteur financier und der Sociétés de gestion, die als Grundlage der Analyse dienen.

Zusätzlich dazu werden Umfang und Wirkung der Organismes deplacements collectifs (OPC) untersucht, in der viele Aktuere mitmischen und – zumallerersten Mal – auch des Private Banking, flavour of the day und der Geschäftsbereich, in dem die Finanzakteure ein großes Entwicklungspotenzialsehen.

Eins vorweg: Die Studie ist noch nicht veröffentlicht, die Resultate noch nicht bestätigt. Am Montag wurde die vorläufige Version im Codeplafi vorgestellt und diskutiert. Mit wenig Eintracht hätten die Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen die Daten aufgenommen, hört man einerseits. Dabei zitierte ABBL-Präsident Jean Meyer am Montag bei der Vorstellung von Luxembourg for Finance, der neuen Promotionsagentur für den Finanzplatz, gleich einige Zahlen, um zu veranschaulichen, warumder Staat auch Geld zurück in den Sektor investieren soll. Dass der erste Wurf kritisch betrachtet werde, sei normal und Teil des Aufstellungsprozesses der definitiven Zahlen, sagen andere. Nun sollen alle ihre Bemerkungen bei Deloitte, dem Verfasser des Papiers einreichen. In zwei Wochen wird sich der think tank, dem CSSF-Chef Jean-Nicolas Schaus vorsitzt,nochmals über das Zahlenmaterial beugen.

Unangefochten seien auf jeden Fall schon jetzt die Daten über das Gewicht des Finanzplatzes insgesamt, heißt es bei allen Quellen. Und das istwie erwartet schwer beeindruckend. Rund 18,7 Milliarden Euro nahmen die Luxemburger Finanzakteure im vergangenen Jahr direkt ein, dazu enstanden, wie Deloitte errechnet, noch einmal 4,1 Milliarden Euro indirekte Einnahmen. Zusammen macht dies 26 Prozent der nationalen Produktion aus. Betrachtet man die Leistung des vergangenen Jahres aus dem Blickwinkel des geschaffenen Mehrwertes – darunter verstehen die Autoren der Studie die erzielten Resultate zusätzlich der gezahlten Steuern und Personalkosten, so erwirtschafteten die Finanziers letztes Jahr 46 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Bereits unter Ausschluss der indirektenWirkung ihrer Tätigkeit sind es 40 Prozent oder 13,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2005 lag der Anteil noch bei 31 Prozent am BIP. 

Die Zahlen bestätigen vollends die Rekordergebnis-Meldungen der einzelnen Institute: 2006 war ein fettes Jahr. Knapp über 40 500 Mitarbeiter trugen zu diesen Ergebnissen bei, gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Personalzuwachs von 16 Prozent.  Rechnet man die 23 400 Stellen hinzu, die indirekt durch die Finanzindustrie zustande kommen, hängt jeder fünfte Arbeitsplatz von dieser Branche ab. Sie sorgt für mehr als ein Fünftel der Staatseinnahmen: 1,9 Milliarden Euro zahlte sie vergangenes Jahr ins Staatssäckel, die von ihr indirekt generierten Steuereinnahmen miteingerechnet, sind es über 2,2Milliarden Euro, 26 Prozent der Steuereinnahmen des Luxemburger Staates.

Die Finanzwelt sieht sich also in ihrer Rolle als Wachstumsfaktor bestätigt. Gut für sie – schlecht für die Finanz- und Budgetminister. Besonders im Ausblick auf das aktuelle Jahr und angesichts der amerikanischen Subprime-Krise und deren Impakt auf die internationale Finanz. Je höher der Anteil der Finanzbranche beiden Einnahmen steigt, desto unvorhersehrbarer und verletzlicher werden diese an sich.

Dabei, so schreiben die Autoren des Papiers, sei man bei dessen Aufstellung vorsichtig gewesen, mussten Hypothesen aufgestellte werden, sei man sehr konservativ vorgegangen. „Ainsi les résultats obtenus sont conservateurs et sous-estiment probablement l’impact réel de l’industrie financière sur l’économie“, schreiben sie und streichen hervor, dass sie einen faktuellen Ansatz verfolgen und keine Einschätzung der gefundenen Resultate geben wollen. Das ist etwas schade, wäre es doch beispielsweise interessant gewesen, zu berechnen, wie viel der Sektor vergangenens Jahr an der Fusion von Arcelor und Mittal Steel verdient hat. Zumal dennoch die schwächelnden Resultate der Rückversicherer gegenüber demVorjahr mit der Erklärung relativiert werden, 2005 sei ein ganz außergewöhnlich gutes Jahr für sie gewesen, 2006 habe eine Normalisierung stattgefunden.

Die Versicherungsbranche ist – auch hier keine Überraschung– die einzige, in der die Entwicklung nach unten zeigt. Ihre Einnahmen gingen im Jahresvergleich um 21 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro zurück, ihr Anteil an der nationalen Produktion ging von vier auf drei Prozent zurück. „La contribution des activités d’assurance et de réassurance diminue de 37 pour cent par rapport à2005, dû aux bénéfices du secteur de la réassurance. Ce chiffre masque en effet une progression de près de vingt pour centdes recettes issues des salaires et, pour les branches assurance vie et non vie, d’environ 10 pour cent des recettes issues des bénéfices“, so die Spezialisten von Deloitte, die sich in ihrer Untersuchunggrößtenteils auf offizielles Zahlenmaterial von Statec, Commissionde surveillance du secteur financier, Zentralbank und Commissariataux Assurances stützen. 

Das ist für die Analyse der Auswirkung des Private Banking anders, da in den offiziellen Erhebungen keine spezifischen Daten abgefragt werden. Deswegen stützen sich die Autoren auf eine Umfrage der ABBL von Mai 2007, wenn sie sagen, diese Sparte allein sei mit fast zwei Milliarden Euro für zwei Prozent der Einnahmen verantwortlich und trage fünf Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Das ist nicht wenig und dürfte diejenigen bestätigen, die in den vergangenen Jahren für ein schärferes Profil des Berufes in Luxemburg gekämpft haben und auch in den Nahen Osten gereist sind, um neue Vermögen hierher zu locken. Nicht zu vergessen die Schaffung der Private Banking Group innerhalb der ABBL vor ein paar Monaten und die Aufnahme deren Vorsitzenden Charles Hamer, in den Verwaltungsrat der Bankenvereinigung. Allerdings dürfte diese Bewertung auch eines der Elemente der Studie sein, das in der definitiven Version noch abgeändert werden könnte. Denn im Verhältnis zur Fondsindustrie, unbestrittenerweise der Wachstumsmotor schlechthin, ist es relativ viel und die Grenzen zwischen Private Banking, Fondsverwaltung und Asset Managment sind nicht so einfach zu ziehen. Und auch wer alles daran teilnimmt, also die Banken selbst aber auch Versicherungsgesellschaften, PSF und die sociétés de gestion. Weshalb die Autoren warnen: „L’ évaluation des activités OPC et de Private Banking ne peut être cumulée avec celle des résultats globaux, ni entre elles.“

Die vorläufigen Zahlen zeigen: Die Fondsbranche steuert 25 Prozent der direkten Resultate des gesamten Finanzsektor bei. Die Hälfte der Steuerabgaben der Branche wird von den Fonds generiert. Der Sektor soll 2006 den bisherigen Daten zufolge für zwölf Prozent des Bruttoinlandproduktes verantwortlich gewesen sein, gegenüber acht Prozent im Vorjahr. Wobei einige meinen, das Volumen der Fondsindustrie und ihre Auswirkungen würden bei diesen Berechnungen noch unterschätzt. In zwei Wochen, nach der neuerlichen Codeplafi-Sitzung, wird man warscheinlich klarer sehen. Auch über die genaue Anzahl der Beschäftigten in derInvestmentfondsaktivität, die laut vorläufigen Zahlen mit 10 732 dreiProzent der Gesamtbeschäftigung Luxemburgs ausmachen. Daran soll es am Montag Zweifel gegeben haben, ob es wohl mehr Leute sind, die bei den verschiedenen Akteuren an den Fonds mitarbeiten.Auch die indirekten Auswirkungen des ganzen Sektors wurden gemessen, und sind nicht zu unterschätzen.

Momentan geht man von einem zweiprozentigen Anteil amBIP aus. Auch wenn sie im Vergleich zu den anderen Sparten „aufgrund ihrer Art“ nicht so hoch sind, wie die Autoren unterstreichen. Interessantes Detail: Die Ausgaben der Beschäftigten. DieStatistiker von Deloitte bemerken, dass fast die Hälfte der Beschäftigten nicht innerhalb der Grenzen Luxemburgs leben. Die Grenzgänger, davon geht man aus, geben in Luxemburg jährlich 7 833 Euro aus, die Einwohner 37 690 Euro. Eine konservativeEinschätzung, wie man findet, da die Beschäftigten der Geldinstitute besser verdienten als die anderer Branchen. So „konsumierten“ die Arbeitnehmer des Finanzplatzes mehr als 592 Millionen Euro in Luxemburg, acht Prozent mehr als im Vorjahr. Ein dicker Batzen, der so zurück in die Luxemburger Wirtschaft fließt. 

 

Michèle Sinner
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