Weil viele Beschäftigte der Privatwirtschaft keine Luxemburger sind, stellen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und ihre Familien ein großes Gewicht in der Wählerschaft dar. Deshalb erhalten sie regelmäßig die besondere Aufmerksamkeit sämtlicher Parteien. Und nachdem die CGFP der CSV den Gefallen eines Waffenstillstands bis nach den Wahlen in der Frage einer allgemeinen Gehälterrevision getan hatte, schien es einen Augenblick lang, als ob der öffentliche Dienst in diesem Wahlkampf kein heißes Eisen mehr sei.
Hätte da nicht ein merkwürdiges Ballett auf der Rechten stattgefunden: Die ADR, welche die Beamtenhetze lange als ihren wertvollsten Geschäftsfundus gepflegt hatte, biedert sich nach einer 180-Grad-Kehrtwende plötzlich beim öffentlichen Dienst an, dessen oft etwas patriotische und etwas protektionistische Stimmen sie nicht mehr länger verschmähen zu können glaubt. Dafür trieb die CSV nun die CGFP auf die Barrikaden und bei der Kundgebung am vergangenen Samstag in die Arme des OGB-L mit ihrer Ankündigung, die Anfangsgehälter beim Staat kürzen zu wollen.
Dass die CSV sich kurz vor den Wahlen öffentlich zu der langjährigen Forderung der Unternehmerverbände bekennt, sorgt für Unruhe in den eigenen Reihen, angefangen bei den zahlreichen Kandidaten aus dem öffentlichen Dienst. Denn andere Parteien teilen durchaus das Ansinnen der CSV, die Anfangsgehälter der Staatsbeamten „näher an den Privatsektor heranzuführen“, um dort den Lohndruck zu senken und nebenbei Steuermittel zu sparen. Sie hängen es bloß nicht an die große Glocke. Auf den entsprechenden, von der CGFP in ihrer Fonction publique abgedruckten „Wahlprüfstein“ lehnen weder LSAP, noch DP eine Kürzung der Anfangsgehälter ab. Die LSAP kritisiert den CSV-Vorstoß lediglich als „vorschnell“ und „Einzelaspekt“, die DP verpflichtet sich vage zu „regelmäßi[n] Besoldungsverhandlungen“. Die Anfangsgehälter nicht zu kürzen versprechen bloß Grüne, KPL und déi Lénk. (Die CGFP hatte offensichtlich wieder einmal vergessen, die ADR zu fragen.)
Und während die LSAP in einem hoch kodierten Sprachgebrauch eine „allgemeine Gehälterrevison“ und die DP eine „Besoldungsstrukturreform“ für „überfällig“ halten, soll es laut CSV „nicht zu einer allgemeinen Gehälterreform“ kommen, sondern lediglich zu Neuanpassungen. Anders als vielleicht die CGFP erhofft, dürfte es vor allem darum gehen, die Staatslaufbahn an die neuen Bologna-Diplome anzupassen und bei hohem Haushaltsdefizit Geld zu sparen.
Nach den Wahlen sollen auch wieder Gehälterverhandlungen beginnen, denn das aktuelle Gehälterabkommen läuft Ende dieses Jahres aus. Doch Kaufkraft- und Konjunkturförderung hin oder her, bei der ziemlich leeren Staatskasse dürfte der neuen Regierung wenig Spielraum bleiben, um die aktive Beamtenschaft mit Gehaltserhöhungen über die Gehaltskürzungen der Berufsanfänger hinwegzutrösten.
Deshalb kursiert vierzehn Tage vor den Wahlen im parteipolitischen Mikrokosmos schon die Frage, wer der nächste Minister des öffentlichen Dienstes sein wird. Das heißt, welche Art Minister notwendig sein wird. Vielleicht einer wie Michel Wolter, der die Pensionsreform 1998 mit dem Brecheisen durchsetzte, vielleicht einer wie das liberale Duo Lydie Polfer und Jos Schaack, die sich nach 1999 für ihren Wahlsieg erkenntlich zu zeigen versuchten, oder vielleicht einer wie Claude Wiseler, der nach 2004 die CSV sehr vorsichtig und sehr diskret mit dem öffentlichen Dienst versöhnen sollte?