Nein, leise ist es in der Lauterborner Mühle der Dieschbourg Familie nicht. Stahlwalzen drehen sich ratternd gegeneinander, um das Korn von den Schalen lösen, Elevatoren, an großen Lederriemen befestigt, transportieren klappernd das Korn unters Dach zum Sichter. Zwei große, an dünnen Stäben aufgehängte hölzerne Plansichter rütteln und schütteln das Korn durch mehrere übereinanderliegende Siebe und sortieren es so nach Größe und Feinheit. Dazwischen Stimmen der Arbeiter, die sich die nächsten Handgriffe zurufen. Bei einem Walzenstuhl hat etwas verhakt, nun muss die Maschine gestoppt werden, die schweren Lederlaufbänder drehen nicht mehr.
Die Lauterborner Mühle kurz vor Echternach ist eine von zwei verbleibenden gewerblichen Mühlen in Luxemburg – und sie läuft noch „neun Stunden am Tag“, wie Carole Dieschbourg nicht ohne Stolz erzählt. Angetrieben wird sie zu zehn Prozent mit Wasser und zu 90 Prozent mit Strom. Zehn Leute arbeiten hier, sind beschäftigt von der Getreideannahme über das Mahlen bis hin zum Verkauf im kleinen angegliederten Hofladen.
Carole Dieschbourg ist, neben ihrem Bruder, stellvertretende Geschäftsführerin und kümmert sich um das Qualitätsmanagement. Eigentlich hat die 34-Jährige Geschichte und Germanistik studiert, aber das Mühlenhandwerk ist ihr Leben, schon von klein auf (sie hat ein Buch über Luxemburgs Mühlen geschrieben). Es war ihr Vater, der die Mühle 1979 von seinem Vater übernommen hatte: Müllerei ist in der Familie Dieschbourg eine jahrhundertealte Tradition, der erste Müller mit dem Namen Dieschbourg datiert auf das Jahr 1740 zurück. Als Caroles Vater aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten musste, sprang sie verstärkt ein. „Ich bin aber die meiste Zeit im Büro, kümmere mich um den Einkauf und die Produktentwicklung.“
Die Mühle, im Volksmund nach ihrem Erbauer Joseph Speck Speckmühle genannt, ist vergleichsweise klein, an einem Tag werden rund 25 Tonnen Körner vermahlen, und hat eine lange Tradition. So hat die Mühle ein eigenes patentiertes Mahlverfahren entwickelt. Dieschbourg-Mehle werden alle möglichst schonend und nach traditioneller Art hergestellt. Gemahlen wird auf leuchtend-roten Original-Walzenstühlen der Dresdner Firma Speck aus den 1930er Jahren. Der Holzboden der vierstöckigen Mühle ist wie geleckt, nur ein leichter Mehlstaub bedeckt hier und dort die Maschinen. Sauberkeit wird in der Mühle groß geschrieben, schon um die Gefahr von Schädlingen so klein wie möglich zu halten.
Die lange Tradition heißt aber nicht, dass es keine betrieblichen Neuerungen gibt. „Wir arbeiten an einem neuen Produkt“, verrät Carole Dieschbourg und zeigt dabei auf eine Mühle, die in einem Raum hinter dem Hofladen aufgebaut ist. Hier hat die Firma einen neuen Mahlgang installiert: für glutenfreien Lebensmittel-Buchweizen. Gemahlen wird er auf einer Osttiroler Mühle mit Naturmühlenstein und mittels einer Passage, der Mahl- und Siebvorgang, den die Dieschbourgs selbst entwickelt haben. Denn das ist das Geheimnis einer guten Müllerei: die perfekte Kombination aus gutem Korn, Mühlenstein und der richtigen Technik.
Dass die Traditionsmühle sich trotz Fusionsprozesse, Mühlen- und Bäckereiensterben auf dem Luxemburger Markt behaupten kann, liegt nicht zuletzt an der Bereitschaft der Familie Dieschbourg, sich umzustellen. Lag der Akzent der Produktion früher neben Futtermittel für die umliegenden Bauernhöfe, ähnlich wie bei den deutschen Raiffeisenmühlen, auf Qualitätsmehl und Körnermischungen, legt die Firma heute mehr Wert auf eine konsequent nachhaltige Verankerung in der Region und einer sehr sorgfältigen umweltbewussten Produktauswahl. Roggen- und Weizenmehl und Körnermischungen, in konventioneller aber auch in biologischer Qualität sind weiterhin das Markenzeichen der Mühle. „Wir versuchen aber mehr und mehr auf Bio-Qualität umzustellen“, sagt Carole Dieschbourg. Die Dieschbourg-Mühle ist Demeter und Biolabel zertifiziert und bietet ihre Produkte im Rahmen des Produit du Terroir – Lëtzebuerger Miel an. Statt auf Quantität setzt die Mühle gezielt auf Nischenprodukte, wie „Kärebommel“ oder „Lauterbourer“, zwei Weizen-Roggen-Körnermischungen nach eigener Rezeptur. 15 verschiedene Mischungen für Brote und Feinbäckerei bietet die Mühle an, sie werden auf den alten Walzenstühlen gemahlen und später gemischt. Qualität, die ein paar Cent mehr kostet, für die sich die Dieschburg-Familie aber verbürgt: „Wir wollen zufriedene Kunden. Und die bekommen wir nur, wenn die Qualität stimmt“, betont die Juniorchefin.
Daneben hat die Mühle auserlesenen selbst gerösteten Kaffee im Programm. „Mein Vater hat sich schon immer für Kaffee interessiert“. Als die Kaffeerösterei Maison Boursy aus Echternach keinen Nachfolger fand, übernahm Jean-Paul Dieschbourg die Rösterei. Seitdem wurde das Sortiment sukzessive ausgebaut, seit 1997 wird verstärkt auf fair gehandelten und in den letzten Jahren auch biologisch-zertifizierten Kaffee gesetzt: Neben dem klassischen Boursy-Kaffee gibt es fair gehandelten Kaffee aus Kooperativen in Mexiko, Honduras und anderswo. Er sorgt für den herzhaften Kaffeeduft im Laden.
„Für mich ist das eine Lebensphilosophie“, verrät Dieschbourg, die für Déi Gréng im Echternacher Gemeinderat sitzt. Eine Weltanschauung, nach der sie selbst lebt. In ihrem Sortiment führt die Junior-Geschäftsführerin Produkte, wie Apfelsaft mit dem Label „Initiative Bongert“, sowie Liköre und Marmelade aus der Region. „Ich kenne meine Lieferanten und sie kennen mich“, lobt sie den Vorteil der regionalen Vernetzung. Gemeinsam fährt man auf Wochenmärkte, bespricht neueste Produkte, die, bei Gefallen, ins Sortiment des Hofladens aufgenommen werden. Frische Produkte aus der Region, Direktvermarktung, um die Qualität zu kontrollieren und nicht unnötig Geld und Übersicht durch Zwischenhändler zu verlieren, sind Kernprinzipien der Firmenphilosophie. Genmanipulierte Lebensmittel oder Fertigprodukte haben in der Mühle ohnehin nichts verloren.
Ins Leben gerufen wurde das Konzept früh vom Vater – und von der jungen Dieschbourg im Rahmen eines Leader-Projektes konsequent weiter entwickelt. Carole Dieschbourg würde selbst gerne noch mehr umstellen: „Aber ich muss Rücksicht auf meine Kundschaft nehmen.“ Die kommt zum Teil aus der Region, aber auch Großabnehmer wie Cactus und die Biogenossenschaft BioG zählen dazu. Soeben konnte Carole Dieschbourg einen weiteren Erfolg verbuchen: Auf der Tüte für das Bio-Mehl kommt nun der Name des Hauptproduzenten: die Dieschbourg-Mühle. „Ich habe lange dafür kämpfen müssen“, erzählt die Juniorchefin lachend. Aber das, so scheint es, kann sie gut.