50 Millionen Euro will die blau-rot-grüne Regierung in die berufliche Weiterbildung investieren, dazu soll die Finanzierung der Weiterbildung auf neue Füße gestellt werden. Eine stolze Summe, aber die Arbeitnehmerkammer ist dennoch nicht zufrieden. D᾽Land hat mit dem Präsidenten des Luxembourg Lifelong Learning Center, Claude Frising, über die Zukunft der Weiterbildung gesprochen. Das Zentrum ist eine Initiative des Institut national pour le développement de la formation continue, das als öffentlich-rechtliche Anstalt dem Erziehungsministerium untersteht. Claude Frising hat mehrere Schwächen sowohl in der Erwachsenen-, als auch in der beruflichen Weiterbildung ausgemacht.
Obwohl die Anzahl der Kurse in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist, sei der Zugang zu Aus-und Weiterbildungen für Erwachsene weiter verbesserungswürdig. Vor allem die oftmals noch zu formalistische Herangehensweise stört Frising: Einschreibe- und Anerkennungsprozeduren insbesondere für Erwachsene, die das Abitur nachholen wollten, seien oftmals „zu schwerfällig“ und nicht immer sei nachvollziehbar, was an Informationen gefragt wird: „Wozu soll ein Arbeitnehmer, der voll im Beruf steht und das Abitur nachholen will, um studieren zu können, wissen, wo Napoleon seinen größten Sieg feierte?“, fragt Frising zugespitzt. Er plädiert dafür, Inhalte, Methoden und Organisation in der Erwachsenenbildung viel stärker auf die Bedürfnisse und Realitäten der Studenten zuzuschneiden, die oft seit vielen Jahren berufstätig sind. Dazu gehöre auch, die Unterrichtseinheiten modular zu organisieren, um eine bessere Vereinbarung zwischen Arbeits- und Ausbildungszeit zu erlauben und den Betreffenden zu ermöglichen, auf einmal erreichten Kompetenzen aufzubauen. Sollte es an einer kritischen Masse für bestimmte Kurse fehlen, könne man das Weiterbildungsangebot auf die Großregion ausdehnen.
Die Validation des acquis de l’expérience, also die Anrechnung beruflicher Erfahrung für weiterführende Studien, sei zu schwerfällig. Insbesondere Anwärter und Anwärterinnen mit niedriger Bildung wüssten oft nicht, wie sie die Bewerbungsmappen zusammenstellen sollen, um ihre Erfahrung anerkannt zu bekommen. Die Arbeitnehmerkammer (CSL) setzt sich dafür ein, im Bewerbungsverfahren auch andere Methoden gelten zu lassen, mit denen Personen ihre Erfahrung nachweisen können, etwa in Form von Fotos oder Videos. In Ländern wie Norwegen ist dies möglich, Luxemburg, das sich am französischen Modell orientiert, ist da formalistischer.
Frising wünscht überdies, kleine Betriebe würden stärker unterstützt, wenn sie in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Unternehmen, die dies nicht tun, könnten beispielsweise „in einen Fonds einzahlen, der wiederum in die Weiterbildung zurückfließt“. Damit Investitionen in die Weiterbildung attraktiver werden, sei eine Voraussetzung jedoch, dass in Zukunft mehr Wert auf die Qualität von Weiterbildung gelegt werde. „Die Gesetzesänderungen, die die Regierung bei der Finanzierung der Unternehmen vorschlägt, sollen vor allem Kosten einsparen. Maßnahmen, die die Qualität verbessern, sind nicht vorgesehen“, bedauert Frising. In der Masse der Angebote sei es für Außenstehende schwer zu erkennen, welche Weiterbildungsträger qualitativ hochwertigen Unterricht und Beratung anbieten. Sinkt jedoch die Qualität der Lehre und werden allzu leichtfertig Zertifikate vergeben, befeuern Weiterbildungsinstitute die Entwertung von Bildungstiteln. Umso wichtiger wären verbindliche und kontrollierte Qualitätsstandards. Auch bei den Studien, die das Observatoire de la formation erstellt, gibt bislang es wenig Aufschlussreiches über qualitative Aspekte. So lässt sich nicht feststellen, wie Niedrigqualifizierte die Weiterbildungsangebote bewerten, warum sie diese seltener nutzen. Solche Analysen wären aber wichtig, um dem Matthew-Effekt beizukommen. Die Arbeitnehmerkammer schlägt einen paritätisch bestezten Rat vor, der Trends in der beruflichen Weiterbildung analysieren und Empfehlungen geben soll.
In dem Kontext gehöre auch der Congé individuel de formation überdacht, betont Claude Frising. Ein Arbeitnehmer kann 80 Tage im Laufe seiner beruflichen Karriere für Weiterbildung freinehmen, freilich nicht auf einen Schlag: Maximal zwanzig Tage sind innerhalb von zwei Jahren erlaubt. Viele Weiterbildungen, vor allem höherwertige, wie ein Meisterbrief oder ein ergänzendes Studium, dauern aber viel länger als die gesetzliche vorgegebene Urlaubszeit. „Wir fordern, den Weiterbildungsurlaub zu verlängern und auch auf die Validierung der Berufserfahrung auszudehnen“, so Frising. Für Behördengänge, die beim VAE recht komplex sind, ist keine Freistellung vorgesehen. Um die Organisation von Weiterbildungsmaßnahmen zu erleichtern schlägt die Arbeitnehmerkammer vor, neben einem Weiterbildungsplan einen Qualifizierungsplan vorzusehen. Um die Bedürfnisse der Angestellten besser zu berücksichtigen, sollten zudem Personalvertreter an der betrieblichen Weiterbildungsplanung beteiligt werden.