Dank der wieder gestiegenen Staatseinnahmen aus dem inzwischen eher für „mechanisch“ gehaltenen Aufschwung konnte die Regierung vor einem Jahr, nach dem Scheitern der Tripartite-Verhandlungen, doch noch eine Fortsetzung der Indexmanipulation und den sozialen Frieden in bilateralen Verhandlungen erkaufen. Dass die Tripartite gestern zum zweiten Mal seit September überhaupt wieder tagte, rechnet die Regierung sich als Erfolg an. Aber der Preis dafür ist, dass der vollauf mit der Krise der Euro-Zone beschäftigte Premier dafür sorgte, dass die Tripartite einen Eiertanz veranstaltet, um keine Themen zu erörtern, die für Verstimmung sorgen könnten, etwa den Index.
Den in der Tripartite vertretenen, während Jahrzehnten sich meidenden Gewerkschaften der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes war es am Montag erneut gelungen, gemeinsam aufzutreten. Das war nicht so offensichtlich. Denn sie marschieren derzeit getrennt gegen die Sekundarschulreform der Regierung, weil der OGB-L seine Ablehnung der Reform mit einer Ablehnung der Gehälterrevision verbindet. Jene Gehälterrevision, welche die CGFP mit der Regierung ausgehandelt hat, auch wenn sie inzwischen auf allerlei Einwände hin dazu vorsichtig auf Distanz geht.
Die Gewerkschaften wissen, dass sie bereits vor einem Jahr in der Bipartite damit einverstanden waren, über eine Verschiebung der 2012 fälligen Indextranche zu diskutieren. Sie wollen bloß das Feld nicht kampflos räumen und eine kleine Gegenleistung herausschlagen, mit der sie eine weitere Indexmanipulation gegenüber den eigenen Mitgliedern rechtfertigen können. Dabei denken sie an die von der Familienministerin in Aussicht gestellten Verbesserungen am garantierten Mindesteinkommen, an die Teuerungszulage, das Wohngeld oder gar die seit 2006 desindexierten Familienzulagen. „Den Inlandskonsum aufrecht erhalten, das ist unsere Linie“, nannte OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding das, um vielleicht auch die vom Inlandskonsum abhängigen mittelständischen Unternehmer zu interessieren.
Ähnlich illusionslos sind die Unternehmerverbände, die sich am Dienstag ebenfalls an die Öffentlichkeit gewandt hatten, um unmittelbar vor der Tripartite-Sitzung eine neue Ausgabe ihres Jahrbuchs der Wettbewerbsfähigkeit vorzulegen. Sie haben als Haupthindernis der internationalen Wettbewerbsfähigkeit den Unterschied zwischen der Inflation, will heißen zwischen den Lohnstückkosten, in Luxemburg und Deutschland ausgemacht. Deshalb rangiert bei ihren Vorschlägen für Wirtschaftsreformen an erster Stelle ein Index-Moratorium und an zweiter Stelle eine Reform des Index-Mechanismus. Aber in Wirklichkeit machen sich die Unternehmer wenig Illusionen, dass unter den derzeitigen politischen Verhältnissen mehr als eine weitere Aufschiebung der nächsten Indextranche machbar ist. Sie erhoffen sich deshalb, ähnlich wie die Gewerkschaften, ebenfalls eine Gegenleistung von der Regierung. Schließlich hatte diese ihnen in der Vergangenheit bereits eine größere Indexreformen in Aussicht gestellt.
Der Aufschub der für nächstes Frühjahr erwarteten Index-Tranche will die Regierung am liebsten noch vor Jahresende kurz und schmerzlos beschlossen haben. Aber die allgemeine Sorge um die Inflation wirkt auch schon ein wenig rührend zu einem Zeitpunkt, da in Wirklichkeit der Machtkampf um den Euro und seinen Zinsfuß nächstes Jahr bestenfalls zu einer Rezession, schlimmstenfalls zum Zusammenbruch der gemeinsamen Währung zu führen droht. Dann wäre die Inflation wohl die geringste der Sorgen.