Cellule de renseignement financier

Die Banken schwärzen an

d'Lëtzebuerger Land du 20.08.2009

Wer erinnert sich nicht an den Bericht, den France 2 vergangenen Oktober im Rahmen eines Interviews mit dem Luxemburger Staatsminister Jean-Claude Juncker ausstrahlte, darin Weltkulturerbepanoramas der Stadt Luxemburg auf Bilder von Geldkoffern und Waschmaschinen folgen ließ? Die französischen Journalisten hatten darin in einem Waschgang Luxemburg nicht nur als Steuerparadies, sondern auch als Geldwäschezentrum dargestellt – der Sender entschuldigte sich später für die befangene Berichterstattung. 

Als Indiz in ihrer Beweiskette hatten sie damals auch die Führung mit dem beigeordneten Staatsanwalt Jean-Paul Frising durch die Büros der Cellule der reseignement financier (CRF) gezeigt, ihn erklären lassen, dass es dort nur vier Vollzeitmitarbeiter gebe und die geringe Mitarbeiterzahl den rund 150 Banken gegenübergestellt. Die unterschwellige Aussage sollte lauten: Luxemburg gibt sich nicht die nötigen Mittel, Finanzdelikte zu ahnden, es gibt nicht genug Sheriffs, um die Cowboys in Schach zu halten. Ein schwarzes Loch im Finanzkosmos, in dem sich alle möglichen Gauner verstecken können. 

Die CRF hat nun ihren Rechenschaftsbericht für das Jahr 2008 veröffent­licht. Demnach hat die Finanzabteilung der Staatsanwaltschaft, zuständig für die Ahndung von Geldwäsche und der Finanzierung von Terroraktivitäten, im vergangenen Jahr erstmals mehr als 1 000 Akten angelegt, gegenüber nur 811 im Vorjahr. Auch die Zahl der aus der Finanzbranche kommenden Verdachtsmeldungen stieg 2008 auf 752 gegenüber 552 im Vorjahr. 

Dahinter steckt aber nur bedingt ein gesteigerter Meldeeifer der etablierten Banken. Denn es ist einerseits die Ankunft der elektronischen Bank PayPal Mitte 2007, welche die Statistiken beeinflusst, anderseits gelten seit Mitte 2008 neue Spielregeln darüber, welche Straftaten als Grundlage von Geldwäsche gelten. Allein auf den von PayPal gemeldeten verdächtigen Transaktionen (253) gehen 25 Prozent der angelegten Akten zurück. Weswegen sich auch die geografische Aufschlüsselung der von den Verdachtsmeldungen visierten oder betroffenen Personen stark verändert hat: Seit der Niederlassung der elektronischen Bank stellen die Einwohner Großbritanniens (213 von insgesamt 2 191) nach denen Luxemburgs (311) die größte Gruppe dar – kein Hinweis darauf, dass die Briten eine größere kriminelle Energie an den Tag legen als andere Völker, sondern eher darauf, dass PayPal dort besonders viele Kunden hat und sich dadurch die Kundschaft des Luxemburger Finanzplatzes insgesamt verändert hat. 

Dennoch, auch ohne Berücksichtigung der E-Bank steigt die Zahl der Verdachtsmeldungen um 12,5 Prozent. Die CRF freut sich in ihrem Jahresbericht über die steigende Kooperation mit den Kreditinstituten und hebt hervor, dass die anderen „professionnels du secteur financier“ weiterhin wenige Mitteilungen machen. Allerdings setzte sich nur rund die Hälfte (75 von 152 registrierten Banken) überhaupt mit der CRF in Verbindung. Spekulationen über die Ursachen stellt die CRF keine an. 

Ob allerdings die Hälfte aller Luxemburger Banken sich ausschließlich Aktivitäten ohne viel Kontakt zu Privatpersonen widmet, demnach wenig Möglichkeiten hat, meldungspflichtige Transaktionen festzustellen? Zumal allein fünf Banken für rund 42 Prozent der Meldungen aus den Kreditinstituten verantwortlich sind? Und die CRF 2008 fünf Untersuchungen wegen Verletzung der professionellen Meldepflicht eingeleitet und 12 Mahnungen verschickt hat? Dabei wurde der Katalog der Straftaten, durch die gewaschene Gelder ergaunert wurden, Mitte 2008 erweitert. Zwar wurden weder Steuerbetrug noch Steuerhinterziehung als Delikte in den Katalog aufgenommen (d’Land, 14.12.2007), dafür aber Fälschungsdelikte insgesamt, die Vorlage falscher Bilanzen, die Veruntreuung von Firmengeldern, Untreue und Diebstahl – allesamt Delikte, derer sich Steuersünder in ihrer Absicht Steuern zu sparen ohnehin strafbar machen. Als Konsequenz, kann die CRF, deren Aufgabenbereich zwar auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beschränkt ist, zwar nicht direkt, aber dennoch zumindest am Rande von Steuerfällen ermitteln. 

Vor allem aber sind es auch diese breitere Palette an Erstvergehen sowie die einhergegangene Verschärfung der Meldepflicht, die den Anstieg der Verdachtsmeldungen erklären. Ein Blick in die Statistik zeigt: Die große Mehrheit der Vorfälle geht auf Betrug, Untreue und andere unspezifische Straftaten zurück, deren Motiv sicherlich die finanzielle Bereicherung der Täter war, die aber sicherlich nicht in die Kategorie der großen Finanzkriminalität gehören, über die manch ausländischer Beobachter in Bezug auf die hiesige Finanzbranche mutmaßt. Bei allen 17 Meldungen eines Verdachts auf  Finanzierung terroristischer Aktivitäten, die auf Basis internationaler Verdäch­tigenlisten erfolgten, stellten sich die visierten Personen als harmlose Namensvettern heraus.

In lediglich 13 Fällen ließ die Finanzabteilung der Staatsanwaltschaft insgesamt 15,64 Millionen Dollar einfrieren – die CRF geht mit dieser wie sie schreibt „außergewöhnlichen Maßnahme“ wohl bewusst sparsam um und setzt sie nur ein wenn ein bereits bestehender Verdacht bestätigt wird. Nichtsdestotrotz ließ sie davon 9,2 Millionen Dollar beschlagnahmen. Insgesamt ging es bei den gemeldeten verdächtigen Transaktion um 525,37 Millionen Dollar, sehr viel weniger als noch 2007, da es noch 1,3 Milliarden waren. Eine Erklärung dafür liefert die CRF nicht. Dabei machten 2008 die 13 mutmaßlichen Korruptionsfälle fast die Gesamtheit aller 2008 beschlagnahmten Gelder aus. 

Dass es in- und ausländischen Kritikern leicht fällt, die Effizienz des Luxem­burger Systems zu kritisieren, mag auch daran liegen, dass es trotz zahlreicher Akten zu nur wenig Verfahren kommt – im vergangenen Jahr wurden auf Basis der CRF-Akten 104 Strafverfahren eingeleitet, davon nur 17 Geldwäscheverfahren – und zu noch weniger Verurteilungen. 2008 gab es genau einen Schuldspruch  gegenüber drei Freisprüchen. Das liegt aber nicht daran, dass die Ermittlungen der CRF allesamt im Sande verlaufen würden, sondern dem eigenen Aktivitätenbericht zufolge daran, dass in fast allen untersuchten Fällen die Straftat, durch die das zu waschende Geld ergaunert wurde, im Ausland stattfand, und die Täter dort, nicht vor den Luxemburger Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden. Insgesamt gab es 2008 in Verbindung mit 45 von der CRF geführten Akten internationale Rechtshilfeersuchen, bei nur 35 davon lautete der Vorwurf unter anderem auf Geldwäsche; sie fielen also in die direkte Zuständigkeit der CRF.

Dass aber die Zahl der Strafverfahren in den kommenden Jahren steigen könnte, ist wahrscheinlich, da auf Basis des neuen Gesetzes vom Juli 2008 mehr Informationen bei der CRF eingehen. Die arbeitet derzeit noch an der Einführung elektronischen Verdachtsmeldungen. Dass es mit der informatischen Ausstattung der CRF immer noch nicht zum Besten steht, kann man auch daraus schließen, das ihre Mitarbeiter die Statistiken teils immer noch manuell erfassen (d’Land, 23.05.2008). Indiz dafür, dass die Arbeit der CRF bei der Regierung bislang keine Priorität hatte?

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Michèle Sinner
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