Nicht einmal die Regierungserklärung war Premier Jean-Claude Juncker vergangene Woche zu schade gewesen, um sich über „primitive und primäre Studien“ zu ereifern, die „ausgerechnet von Luxemburger Entwicklungs-ONG eingeleitet wurden“. Genau eine Woche später kündigte daraufhin der Cercle des ONG in einer „Mitteilung an unsere Mitglieder“ an, seine Studie Zur Debatte um Steueroasen. Der Fall Luxemburg „von seiner Internet-Seite zu entfernen und sich von den darin enthaltenen falschen und ungenauen Behauptungen zu distanzieren“.
Der Großangriff von Frankreich, Deutschland, USA, OECD und G-20 auf den Luxemburger Finanzplatz schien den Cercle des ONG ermutigt zu haben, nicht länger abseits zu stehen und sich selbst mit einer Kritik am Finanzplatz zu Wort zu melden. Deshalb hatte er sich an einen langjährigen Militanten der deutschen Dritte-Welt-Bewegung gewandt, den es im Laufe des Lebens nach Luxemburg verschlagen hat, wo er einen globalisierungskritischen Informationsbrief herausgibt, und eine Studie erworben, die „eine Diskussion um das Thema ‚Bekämpfung der Steuerflucht’ aus entwicklungspolitischer Perspektive anstoßen“ sollte.
Doch spätestens das beherzte Einschreiten des Premiers sollte zeigen, dass es sich bei dem ganzen Unternehmen um ein Missverständnis gehandelt hatte. Nicht weil das empirische Fundament der Studie zu schwach war, um die vielen gut gemeinten Vorurteile zu tragen. Denn solche Studien verkaufen die Unternehmensberater den Ministerien, Firmen und Vereinen am laufenden Band. Vielmehr hatte der Cercle des ONG seine eigene Rolle in dieser Debatte um Steueroasen im Allgemeinen und den Fall Luxemburg im Besonderen kurz aus dem Blick verloren.
Der selbst nur mäßig für das Finanzgewerbe zu begeisternde Premier ging bezeichnenderweise mit keinem Wort auf die vom Cercle des ONG verbreiteten Kritiken an Banken, Investitionsfonds und privater Vermögensverwaltung ein. Dafür zuständig hielt er wohl die Bankenvereinigung ABBL. Vielmehr beklagte Juncker, dass ausgerechnet jene, die sich „professionell um die Entwicklungshilfe kümmern“, „die kollektive nationale Anstrengung“ zur Entwicklungshilfe als „unmoralisch“ darstellen und dadurch „unglaubwürdig machen“.
Damit erinnerte der Regierungschef die 75 Vereine, die der Lobby der zwecks Kostensenkung halbprivatisierten Entwicklungshilfe angehören, diskret daran, dass sie sich zwar stolz „organisations non-gouvernementales“ nennen, aber in Wirklichkeit irgendwie auch halbstaatliche Hilfstruppen der Regierungspolitik sind. Denn sie sind weitgehend von staatlichen Mitteln abhängig, mit denen sie ihre Projekte in der Dritten Welt und ihre Funktionäre und Büros hierzulande unterhalten. Auf diese Weise helfen die Entwicklungshilfevereine, fast ein Prozent des Nationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben, und erfüllen so die Rolle, das internationale Ansehen des oft als Steueroase verschrienen Finanzplatzes und als parasitäre Volkswirtschaft kritisierten Großherzogtums mit großzügiger Entwicklungshilfe aufzupolieren. Mit dem selben Ziel werden seit Jahren die Militärausgaben erhöht.
Doch leider glaubte der Cercle des ONG nun durch ein bedauerliches Missverständnis, seine Rolle zum falschen Zeitpunkt und mittels des falschen Objekts ins Gegenteil verkehren zu müssen. Aber der Premierminister, die neue Entwicklungshilfeministerin und der ABBL-Direktor erklärten ihm, dass da der Spaß aufhört, und der Cercle des ONG hat das binnen weniger Tage auch reumütig eingesehen.