Einen Faschismus nannte der Philosoph im November die aktuelle Version des Islamismus. Das weckt Erinnerungen an Mussolini, Hitler-Deutschland und Pinochet und drückt so eine moralische Verurteilung als absolut Böses aus, der vielleicht eine kathartische Funktion zukommen soll. Aber man darf auch zögern, durch einen Vergleich mit diesen gefährlichen Spaltprodukten des Irakkriegs die Besonderheiten des historischen Faschismus mit noch einer weiteren Totalitarismustheorie zu verwischen. Wahr ist, dass die Anschläge, wie am Dienstag dieser Woche in Brüssel, zuvor aber auch in Paris, Istanbul und Moskau, Ausdruck eines, wenn nicht faschistischen, so doch zumindest rechtsradikalen Terrorismus sind.
Denn es gibt eine linksradikale Tradition des Terrorismus, von den russischen Anarchisten des 19. Jahrhunderts bis zur Roten Armeefraktion in Deutschland, der gezielt seine Opfer auswählt, meist aus den herrschenden Kreisen, um meist erfolglos ein Exempel zu statuieren. Und es gibt eine rechtsradikale Tradition des Terrorismus, der wahllos eine möglichst große Zahl Unbeteiligter umbringt, um meist erfolgreich Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, von der Strategia della tensione in Italien über 9/11 in den USA bis zum Blutbad in einem Pariser Konzertsaal. (Dazwischen gibt es übrigens auch noch einen Terrorismus der radikalisierten Mitte, der weder herrschende Kreise, noch Unbeteiligte, sondern staatliche Einrichtungen zum Ziel hat und deshalb vom Staatsanwalt im Bommerleeërten-Prozess das Werk von „Idealisten“ genannt wurde.)
Die im Polizeijargon „weiche Ziele“ genannten Passanten, die sich ohne Leibwächter und gepanzerte Limousinen auf den belebten Straßen, in Flughäfen, Bahnhöfen und Fußballstadien bewegen, können selbst durch massive Polizeiaufgebote eher beruhigt, denn zuverlässig geschützt werden. Denn die Asymmetrie des Kampfes zwischen Hunderten von Polizisten und Soldaten in Kriegsmontur und einem einzigen Selbstmordattentäter könnte kaum größer sein. Und auf neun Anschläge, die rechtzeitig von den Sicherheitskräften vereitelt werden können, genügt es, dass einer kommt, von dem sie zu spät erfahren.
Deshalb erweist sich der von allerlei Kriegsrhetorik begleitete Übergang zum ständigen Ausnahmerecht, die Außerkraftsetzung von immer mehr durch die Verfassung garantierten Freiheiten eher als Ausnutzung eines willkommenen Vorwands, denn als erfolgversprechende Strategie. In den nächsten Monaten soll hierzulande das eher Frankreich denn Belgien folgende Parlament den Artikel 32.4 der Verfassung ändern, damit die Regierung sich bei einer „schwerwiegenden Störung der öffentlichen Ordnung“ über alle Gesetze hinwegsetzen darf,
Zur wirksamen Bekämpfung des Terrorismus reicht es nicht, ihn als Objekt der Strafverfolgung zu sehen, da er zuerst eine, wie kriminelle auch immer, politische Ausdrucksform ist. Er ist ein Anschlag auf „unsere Werte“, die nur vordergründig universell erscheinen, da einige Jugendliche in europäischen Metropolen so wenig an ihnen teilhaben dürfen, dass sie sich inzwischen lieber in die Luft sprengen. Und er ist ein Produkt oft mit Stellvertreterkriegen ausgetragener geostrategischer Rivalitäten im Nahen Osten und in Nordafrika. Sie nehmen auch nach den Erfahrungen des Afghanistankriegs Terrorismus und damit tote Zivilisten nicht nur in Mossul und Homs, sondern auch in Brüssel und Paris als Kollateralschaden wissentlich in Kauf. Da derzeit die Bereitschaft weder zur Beseitigung der einen, noch der anderen Ursache zu erkennen ist, dürfte ein rasches Ende des Terrorismus leider nicht abzusehen sein.