Zeitgenössischer Tanz

Innere Kriegszone

d'Lëtzebuerger Land vom 21.12.2018

Allerorten ziehen sie in den Krieg. Kaum etwas macht in diesen Tagen, wo hinter der Grenze Luxemburgs wütende Massen in gelben Westen in Frankreich auf die Straßen strömen und ihrem Zorn auf das elitäre Gebaren der regierenden Klasse Ausdruck verleihen, wohl mehr Sinn, als sich tänzerisch mit Krieg und dem Phänomen von KriegerInnen auseinanderzusetzen.

Doch Anne-Mareike Hess gleicht mit ihrer Solo-Performance Warrior mehr einer Athene, als den Gilets jaunes. Die Wut scheint sie zwar anzutreiben, doch lässt sich ihre knapp einstündige Choreografie viel mehr als eine differenzierte tänzerische Reflexion über – meist männliche – Kriegstreiber(ei) lesen. Die Idee entstand, als mit dem Women’s March in den USA Frauen auf die Straßen gingen, um gegen die misogyne Rhetorik eines Donald Trump zu protestieren.

Tänzerische Experimente kennzeichnen die Tanzsprache der Luxemburgerin Anne-Mareike Hess, die 2015 den Danzpräis erhielt. Ob in ihrer letzten Produktion Give me a reason to feel (2017) im Grand Théâtre oder in Tanzwut (2014), stets zeigt Hess tänzerische Ausbrüche, lotet Grenzen aus, indem sie ihre Tänzer wie sich selbst an ihre physischen Grenzen bringt und an den Grenzen der Welt abprallen lässt. – Tanzende Körper im Widerstreit mit den eigenen Gefühlen und ständige Transformationsprozesse: Wo Bewegung ist, ist Potenzial zur Veränderung und Verwandlung!

Nicht in stählerner Ritterrüstung, sondern in einem luftigen Filzgewand (Mélanie Planchard) kommt Anne-Mareike Hess als „Warrior“ auf die Bühne gestapft; zunächst schwerfällig und bereitbeinig wie ein Sumo-Kämpfer, der in den Ring zieht, dann trippelnd, schwer atmend und schnaufend im Warmlauf, um in ihren Bewegungen schneller und schneller zu werden. Ihr Zorn ist im Zusammenspiel mit Marc Lohrs elektrischen Klängen elektrisierend, und man meint in ihrer Mimik versteckte Referenzen auf Kriegstreiber dieser Tage auszumachen. Ihre zuckenden Bewegungen rütteln auf und schrecken zugleich ab.

Sich windend, wird sie die Wut gegen die Welt tänzerisch kanalisieren und herausschreien. (Vocal Coach: Joséphine Evrard). Warrior ist eine eigenwillige tänzerische Reflexion einer Choreografin, die auszog, um sich mit Kriegssymbolik auseinanderzusetzen. Auf der Suche nach dem inneren Feind (die Überwindung der eigenen Ängste und Barrieren) wird die Bühne zum Kampfschauplatz einer Kriegerin, die sich während einer einstündigen Performance womöglich erst warmläuft, um irgendwann in den Krieg zu ziehen. – Auf der Suche nach Frieden.

Warrior von Anne-Mareike Hess (Choreographie und Tanz); Sound: Marc Lohr; Kostüme: Mélanie Planchard; Belichtung: Brice Durand; Dramaturgie: Thomas Schaupp; Künstlerische Beratung: Rosalind Goldberg; Vocal Coach: Joséphine Evrard. Produktion: Utopic productions.

Anina Valle Thiele
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