Der griechische Finanzminister veröffentlichte am Mittwoch seine Vorschläge zur Sitzung der Eurogruppe am vergangenen Montag. Darin zählt er auf, in welchen Feldern er weiter mit der Eurogruppe zusammenarbeiten möchte. Dazu gehören strukturelle Reformen bei der Steuereintreibung, der Finanzverwaltung, dem allgemeinen öffentlichen Dienst, Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsklimas, eine Justizreform und eine Reform der Raumplanung sowie die Bekämpfung von Renditejägern. Man fragt sich unwillkürlich, was griechische Regierungen in den letzten fünf Jahren getrieben haben. Vor der graduellen Wiedereinführung des Mindestlohns von 2012 will die Regierung von Alexis Tsipras Arbeitgeber und Gewerkschaften konsultieren. Finanzminister Yanis Varoufakis hätte gerne die EU-Kommission als Verhandlungspartner und nicht die Eurogruppe. Insbesondere mit Kommissar Pierre Moscovici wäre er sich schnell einig geworden. Die Kommission hat aber wenig zu sagen, da sie selbst keine Gelder verleihen kann.
Als Verhandlungsangebot an die Mitglieder der Eurozone zur Vergabe weiterer Kredite ist der Reformkatalog mehr als dürftig. Wenn die Griechen neues Geld bekommen wollen, müssen sie sich auf ein vorab beschlossenes Programm einigen und die Umsetzung von den Gläubigern kontrollieren lassen. Wie man das Konstrukt dann nennt, ist völlige Nebensache. Alexis Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis stehen mit leeren Händen vor den 18 Finanzministern der Eurogruppe und sind immer noch nicht bereit, ein Hilfsprogramm ein Hilfsprogramm zu nennen. Die Regierung kündigte am Dienstag an, am Mittwoch den entsprechenden Antrag einzureichen. Am Mittwoch teilte sie mit, dass sie ein neues Hilfsprogramm am Donnerstag beantragen würde. Am Donnerstag schließlich liegt die Bitte um eine sechsmonatige Verlängerung der Finanzhilfen schriftlich in Brüssel vor.
Wenn man sich am Freitag nicht darauf einigt, dann eben später. Niemand soll glauben, dass so schnell alles vorbei sei, weil der Deutsche Bundestag und andere nationale Parlamente nicht mehr rechtzeitig vor dem 28. Februar ihre Zustimmung zu einem neuen Programm geben könnten. Die einzig relevante Frage angesichts keiner Einigung an diesem Freitag ist diejenige nach der Reaktion der Märkte. Werden die Börsenkurse in Athen weiter purzeln? Werden die Ratingagenturen Griechenland ab 1. März einen Staatsbankrott attestieren? Davon ist nicht auszugehen. Zuerst muss Griechenland eine fällige Rate tatsächlich nicht bezahlen. Das kann, muss aber nicht, Mitte März der Fall sein. Insgesamt benötigt Griechenland im März circa vier Milliarden und bis August weitere zehn bis zwölf Milliarden Euro. Gibt es diesen Freitag keine Einigung, werden die Spekulationen über einen Austritt der Griechen aus dem Euro zunehmen. Es kann durchaus sein, dass eine solche Diskussion eine eigene Dynamik entwickelt. Eine Schlüsselrolle in der griechischen Tragödie hält aktuell die europäische Zentralbank (EZB). Sie erlaubte am Mittwoch weitere Notfallkredite für griechische Banken von 3,3 Milliarden Euro. Die Kredite werden von der griechischen Notenbank ausgegeben, bisher hielten 65 Milliarden die griechischen Banken fürs Erste überlebensfähig. Setzt die EZB eines Tages eine Bedingung für die Notfallkredite, könnte das bei starrer Haltung von Tsipras tatsächlich den Euroaustritt herbeiführen.
Geht alles nach griechischem Willen, so erhält die neue Regierung sechs Monate Zeit, um einen neuen Vertrag mit der Eurozone abzuschließen. Notwendige Übergangsgelder sollen bis dahin ohne Bedingungen vergeben werden. In der Praxis würde das bedeuten, dass ärmere Länder als Griechenland für die soziale Absicherung der Griechen zahlen müssten. Es war deshalb nicht unlogisch, dass die neue Links-Rechts-Regierung Anfang der Woche eine europäische Sozialpolitik für alle gefordert hat.
Kurzfristig wird niemand dazu bereit sein, langfristig gilt eine eigenständige Sozialpolitik neben einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik als eines der drei notwendigen bundesstaatlichen Elemente einer Währungsunion. Insofern gehört sowohl die Krise als auch die Lösung des griechischen Problems zur „alten Währungsunion“. Wenn das griechische Problem einmal gelöst, das heißt: erfolgreich in die Zukunft verschoben ist, spätestens dann müssten in Europa alle darüber nachdenken, wie die nächste Eurokrise unmöglich gemacht wird. Bisher haben Angela Merkel und Co. die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen. Stabilitätspakt und Europäisches Semester mögen notwendige Maßnahmen in der akuten Krise gewesen sein, hinreichend für eine stabile Währungsunion sind sie nicht. Dauerhafte Stabilität kann nur über eine politische Union erreicht werden.
Die müsste die Kommission von Jean-Claude Juncker vorantreiben. Zumindest eine qualifizierte Diskussion darüber im Rat und im EU-Parlament könnte sie anzetteln. Für die Währungsunion ist eine politische Union tatsächlich die letzte Chance. Das Terrain dafür zu bereiten, auch wenn man dafür keine Lorbeeren ernten kann, sollte Juncker einen Versuch wert sein.