Es war eines der typischen Satzungetüme, das der Staatsminister Jean-Claude Juncker am Montag beim Neujahrsempfang vor Journalisten sprach: verschachtelt, mit Anfang und ohne echtes Ende. Und dennoch dürften viele der versammelten Journalisten aufgehorcht haben. Denn was Juncker sagte, war sinngemäß: In der Schule müsse man lernen, investigativen Journalismus von suggestivem Journalismus zu unterscheiden. Was wohl eine Andeutung auf die Enthüllungen der Medien über Liwingen, Cargolux, Bommeleeër und den Geheimdienst im vergangenen Jahr war. Es ist nicht das erste Mal, dass der Staatsminister die Presse belehrt. Seine Lektionen auf den freitäglichen Pressebriefings waren legendär, sie wären es vielleicht heute noch, wenn die Briefings nicht so oft ausfielen. Auch bei seinem Neujahrsinterview mit RTL konnte Juncker es nicht lassen: Angesprochen auf die jüngsten Affären wie Wickringen-Liwingen sprach Juncker von „egal was für Gerüchten, die in die Welt gesetzt wurden“ und „Vorwürfen, von denen nichts übrig geblieben“ sei. Damit suggeriert der Staatsminister: Nicht er oder seine Regierung sind das Problem – sie haben sich nichts vorzuwerfen –, sondern übereifrige Journalisten und böswillige Oppositionspolitiker. Während er sich als Macher inszeniert: Der seit Jahren vergeblich geforderte Informationszugang zu Verwaltungen soll jetzt doch kommen, ein Ethikkodex für Minister ebenso. Dass der Staatsminister den Entwurf selbst jahrelang in der Schublade liegen hatte und der Kodex ein Ergebnis des öffentlichen Drucks in der Liwingen-Affäre ist, sagte der Premier lieber nicht. Auch nicht, dass die Regierung die Projekte Wickringen als auch Liwingen fallen gelassen hat. Es könnte trotzdem sein, dass Junckers Ablenkungsmanöver aufgeht: Die Staatsanwaltschaft teilte kürzlich mit, die illegalen Machenschaften in der Geheimdienstaffäre könnten verjährt sein. Alles hänge davon ab, wann der Staatsminister von der Abhöraktion gegen ihn erfahren hat. Dieselbe Justiz kündigte auch an, der Diffamierungsklage von Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké gegen den Liberalen-Chef Claude Meisch stattzugeben – und sie will zudem gegen den Grünen-Chef und Präsidenten des Geheimdienstkontrollausschusses François Bausch vorgehen. Meisch hatte aufgrund der Aussage eines Bauunternehmers von Erpressungsversuchen gesprochen. Es wäre für die Demokratie aber gefährlich, wenn die Immunität von Abgeordneten nun nicht spielen soll, weil Aussagen während einer Pressekonferenz gemacht wurden. Sinn der Immunität ist schließlich, dass Politiker sich frei äußern können, ohne befürchten zu müssen, für ihre Aussagen und Polemiken verfolgt zu werden. Wohl gemerkt, es geht bei den jüngsten Affären um keine Lappalien, sondern um die Frage, wie eng Politik und Wirtschaft verstrickt sind, und ob im Staat ein Geheimdienst außerhalb des Legalen agiert hat. Noch ist nicht geklärt, wie weit die Bespitzelung gegen politische Verdächtige gegangen ist – und ob sie wirklich jemals eingestellt wurde. Die illegale Abhöraktion gegen einen Geschäftsmann wirft weitere Fragen auf, etwa wie Telefondienstleister es mit dem Fernmeldegeheimnis halten, wenn sie Abhöraktionen durchführen, ohne dass die vorgeschriebene schriftliche Genehmigung seitens des Richters und des Premiers vorliegt. Die politische Verantwortung für einen übereifrigen Geheimdienst trägt der Staatsminister, dem der Dienst untersteht. Ob er für dessen Missetaten, oder für andere Fehler seiner Regierung, haften muss, hat nicht er zu entscheiden, auch wenn Jean-Claude Juncker das hochmütig so darstellt, sondern die Justiz, das Parlament oder am Ende die Wähler.
Romain Hilgert
Catégories: Affaire Srel
Édition: 04.01.2013