Nach einer monografischen Ausstellung im Jahr 2012 würdigt die Galerie Schlassgoart in Esch-sur-Alzette den renommierten Luxemburger Künstler Fernand Roda erneut mit einer Ausstellung seiner aktuellen Werke. Der Titel der Ausstellung, Bësch, verweist unmittelbar auf das Thema selbst und zugleich auf eins der Leitmotive in Rodas Œuvre. Ausgehend von der Natur – der unberührten Natur wie eben dem Wald, aber auch der von Menschenhand bearbeiteten Natur wie die Agrarlandschaft – lotet er in großformatigen Gemälden die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion aus. Bäume oder Ackerfurchen werden zu Linien, die dem Bild eine klare Komposition verleihen und auf einen abstrahierten Raum verweisen. Um seinen Werken einen persönlichen Duktus und mehr Tiefe zu verleihen, baut Fernand Roda seine Pinsel zum großen Teil selbst. Die hierfür verwendeten groben oder feinen Fasern und Stroh verleihen dem Gemälde eine besondere Struktur und Plastizität, welche ebenfalls durch die einzelnen Farbschichten hervorgehoben wird. Die Werke von Roda sind, wie die Natur selbst, in Zyklen angelegt und erlauben so dem Betrachter, den Blick des Malers auf die Natur und sein Umfeld nachzuvollziehen. Fernand Roda studierte von 1971 bis 1977 an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er Meisterschüler von Joseph Beuys war und wo er auch heute noch lebt und arbeitet. d’Lëtzebuerger Land hat ihn dort getroffen.
d’Land: Herr Roda, wie kam es dazu, dass Sie nach Düsseldorf gezogen sind und heute immer noch in der Kunst- und Modestadt leben?
Fernand Roda: Ich war in Paris und in Mailand für ein Studium angemeldet, wollte mich aber auch an der Kunstakademie in Düsseldorf bewerben. Dort begegnete ich einem Mann im Flur der Akademie, der sich meine Zeichnungen anschaute und zu mir sagte: „Du bist in meiner Klasse“. Da ich bis dahin Joseph Beuys nicht kannte, fragte ich zuerst, wer er denn wäre. Beuys antwortete und sagte, ich solle mich oben im Sekretariat anmelden und sagen, ich wäre in der Beuys-Klasse.
Sie sind relativ früh bekannt geworden und das auf internationaler Ebene. Was waren Ihre ersten Projekte und Ausstellungen?
Zu meinen ersten Ausstellungen zählten Schlaglichter, 1979 im Landesmuseum Bonn, eine erste Bestandsaufnahme aktueller Kunst im Rheinland, und ein Jahr später Nuova Immagine im Palazzo della Triennale in Mailand, woran auch Künstler wie Longo, Kushner, Cragg, Schnabel und andere teilnahmen. Im selben Jahr stellte ich auch in der Ausstellung Après le classicisme in Saint-Etienne neben Stella, Schnabel, Penck, Lüpertz, Kiefer, Clemente, Chia und anderen aus. 1982 wurde ich als Luxemburger Beitrag für die BRD zur XII Biennale de Paris im Musée d‘art moderne Paris eingeladen.
Düsseldorf ist seit langem durch die Kunstakademie geprägt; auch die regionale Umgebung ist reich an kulturellen Angeboten und Plattformen, von Tony Craggs Park in Wuppertal bis zum Museum von Thomas Schütte auf der Raketenstation. Solche Plattformen sind in Luxemburg eher reduziert und die kulturellen Angebote weniger reichhaltig. Wo sehen Sie die großen Unterschiede zwischen der deutschen und luxemburgischen Kulturlandschaft und Kulturpolitik?
In Luxemburg gibt es unzählige Centres culturels; so viele gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Auf der anderen Seite existieren wenig alternative Strukturen in Luxemburg, welche bildende Künstler unterstützen. In Deutschland gibt es zum Beispiel das Goethe-Institut und das Ifa, die Künstler ideell und finanziell bei Ausstellungen im Ausland begleiten und ihnen somit die Möglichkeit geben, auch überregional bekannt zu werden. In Luxemburg wird zudem kein Unterschied zwischen angewandter und bildender Kunst gemacht. Wenn angewandte Malerei gut gemacht ist, von einem Schmied oder einem Stuckateur, dann ist es auch Kunst. Es gibt zudem heute ein Gesetz in Luxemburg, welches vorsieht, dass es keine Künstlernamen mehr gibt. Künstlernamen sind nicht mehr akzeptiert; man kann sich nicht mehr eintragen lassen. Viele aber haben Künstlernamen, wie Picasso, César, Baselitz…. Früher war das Ministerium für Kultur auch das Ministerium für Agrikultur; unsere Kultur waren Bauern, was damals Sinn machte.
Apropos Agrikultur… Motive wie Ackerbaugeräte oder Gemüse durchziehen seit Jahren Ihre Gemälde, genau wie auch rote, gelbe und braune Farbtöne, die an Ackerbau erinnern. Manche Motive erkennt man sofort, manche sind eher reduziert und lassen mehr Interpretationsfreiheit zu. Das Thema Ackerbau taucht auch in Ihren aktuellen Werken verstärkt auf.
Ja, genau. Ich arbeite immer mit reiner Ölfarbe und will etwas zeigen – nicht das, was man sieht, sondern wie ich es empfinde. So wird das Gemälde zugleich abstrakt und visuell; es ist eine Zwischenform. Die Werke sollen auch etwas Neues sein; ich will nicht nur reproduzieren. Als Künstler strebt man immer eine gewisse Immortalität an – das ist ja der eigentliche Gedanke des Künstlers: eine gewisse Unsterblichkeit durch die Kunst zu erleben, welche seit der Steinzeit besteht. So wie es anderen durch die Sprache gelingt, wollen wir von dem Visuellen oder besser dem Haptischen ausgehen.
Es ist genau das Werk, das den Künstler unsterblich macht. Heute wird dies im Kunstmarktbetrieb und mit dem Starkult um den Künstler selbst herum oft vergessen. Dabei sind es die Werke, die ihn überdauern… Viele Ihrer Arbeiten bestechen durch das große Format. Man taucht ein, fast als ob man vor einer Landschaft stehen würde. Was bedeutet das Thema Natur für Sie? Wieso ist es Ihnen so wichtig?
In der Natur ist alles enthalten, vom schwarzen Quadrat von Malewitsch bis zum letzten Kitsch, alles ist da. Die Natur ist der beste Lehrer; man muss sie nur sehen. Sie ist so wunderbar und vielfältig, dass ich immer wieder auf sie zurückkomme. Auf der anderen Seite sind wir als Luxemburger ein Bauernvolk, also ein Naturvolk. Das bin auch ich, meine Ahnen waren Bauern. Ich bin ein reiner Ateliermaler. Wenn ich etwas sehe, das ich gerne malen würde, mache ich eine kleine Skizze. Das können auch Zahlen sein. Ausgehend davon, erarbeite ich im Atelier ein Gemälde. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Ein paar Kompositionszeichnungen, ein paar wenige Striche reichen als Gedankenstütze aus.
Wie viel Zeit nehmen Sie sich für ein Gemälde; wie lange malen Sie an einem Bild?
Das Malen an sich geht relativ schnell. Der Trockenprozess dauert allerdings länger. Ich male immer an mehreren Bildern gleichzeitig, das dauert ungefähr einen Monat. Auch die Idee benötigt mehr Zeit, bis zu einem halben Jahr. Robert Brandy und ich sind gute Freunde. Er selbst sagte mal zu mir: „Als Künstler bist du der Große und ich der Kleine. Aber wenn ich eine Ausstellung in New York habe, und Cargolux würde untergehen und die Bilder nicht ankommen – ich benötige nur einen Abend, und die Bilder sind wieder da.“ Während ich Jahre benötige, um Werke für eine Ausstellung zu schaffen, benötigt er dafür einen Abend.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Zurzeit arbeite ich an einer Serie von „Agrarlandschaften“ in derselben spielerischen Abstraktion und Sichtbarkeit wie die Arbeiten in der Ausstellung Bësch in der Galerie Schlassgoart in Esch. Dieses Projekt wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.