Um vor dem Pariser Welt-Klimagipfel einen politischen Konsens über das daheim in Luxemburg Machbare zu schmieden, hatte die Abgeordnetenkammer einen Unterausschuss Klima und Energie einberufen. Zu einer seiner letzten Sitzungen war am 7. Oktober vergangenen Jahres Nachhaltigkeitsstaatssekretär Camille Gira (Déi Gréng) eingeladen. Dem von der Abgeordnetenkammer veröffentlichten Sitzungsprotokoll zufolge sagte er dem Unterausschuss unter anderem dies:
„Dans un avenir proche, le secteur relativement nouveau des conseillers en énergie devra être examiné d’un œil critique. À voir des échantillons des services conseils prestés par ces bureaux d’études, des doutes quant au sérieux de bon nombre de ces prestations sont permis. Ce contrôle stricte est d’autant plus nécessaire qu’il s’agit d’un domaine extrêmement délicat s’il s’agit de réussir la transition constructive vers des maisons de consommation d’énergie quasi nulle. Afin d’éviter toute une série de problèmes ultérieurs nuisibles à la qualité de vie des habitants, notamment la problématique de la ventilation et de la mise en œuvre des isolants doit être maîtrisée et contrôlée avec tout le sérieux requis.“
Wie das gemeint war, ist von Camille Gira auf Nachfrage nicht zu erfahren. Die Energiepolitik, lässt er ausrichten, kommentiere das Nachhaltigkeitsministerium nicht, denn federführend darin sei das Wirtschaftsministerium. Mit diesem arbeite man aber „ganz eng zusammen“. Was sich anhört, als könne die Energie-Direktion im Wirtschaftsministerium die Lage kaum anders sehen als der Staatssekretär für Nachhaltigkeit.
Zweifel an der Qualität der Arbeit der Energieberater werden seit Jahren immer wieder mal laut. Meist als Gerüchte, die im kleinen Land die Runde machen, manchmal aber auch in Form von Kritiken aus der Branche selbst. Seit 2008 soll die Energieeffizienz von Gebäuden systematisch verbessert werden. An Neubauten werden seitdem Anforderungen gestellt, die nach und nach immer strenger werden. Altbauten sollen durch Sanierung sparsamer werden. Dabei soll der nach deutschem Vorbild eingeführte Energiepass helfen, der zeigt, welchen Primärenergieverbrauch an Brennstoff-Äquivalenten ein Gebäude hat. Seit 2010 muss ein solcher Pass bei jedem Besitzerwechsel, aber auch bei einer Neuvermietung einer Wohnung oder eines Büro- oder Geschäftsraums vorliegen.
Für Altbauten werden schon bei Ausarbeitung eines solchen Passes erste Sanierungsempfehlungen gemacht. Das eigentliche Sanierungskonzept folgt, wenn ein Gebäudebesitzer sich entschließt, in die Wärmedämmung seines Hauses zu investieren. Das Konzept und die Sanierung selbst werden staatlich bezuschusst. Weshalb schon vor Jahren kritische Stimmen aus dem Sektor meinten, es handle sich um eine „Lizenz zum Gelddrucken“ für spezialisierte Beratungsbüros (d’Land, 25.02.2010). Der Volksmund berichtet darüber hinaus von Energieberatern, die sich wenig Mühe machten, für einen Energiepass den tatsächlichen Zustand eines Gebäudes zu erfassen.
Ob das stimmt? Die Frage ist für die Energiedirektion im Wirtschaftsministerium nicht nur delikat, weil sie in Energiefragen federführend ist. Sie ist es auch, weil mit dem 2008 eingeführten System für Energieeffizienz am Bau nicht nur Architekten und Bauingenieuren, die dem Ordre des architects et des ingénieurs-conseils (OAI) angehören, erlaubt wurde, Energiepässe aufzustellen und Sanierungskonzepte zu entwickeln, sondern auch „Energieberatern“, die das Wirtschaftsministerium akkreditiert hat. Als 2012 die Gerüchteküche über angeblich falsch aufgestellte Energiepässe nicht aufhörte zu brodeln, stellte sich Minister Etienne Schneider (LSAP) persönlich vor die Energieberater: Die Kontrolle einer Stichprobe von Energiepässen habe nur ganz wenige Abweichungen ergeben.
Dasselbe teilt die Energiedirektion heute mit: Die Zahl falsch aufgestellter Pässe lasse sich Jahr für Jahr „an einer Hand abzählen“. Doch nicht um die Pässe sei es dem Nachhaltigkeitsstaatssekretär mit seiner Bemerkung vor dem parlamentarischen Unterausschuss gegangen. Sondern um die Qualität der Sanierungskonzepte und was daraus anschließend auf den Baustellen gemacht wird. Die Konzepte überprüft die Umweltverwaltung im Nachhaltigkeitsministerium, denn sie erkennt die staatlichen Sanierungsbeihilfen zu. Hinzu kommen müsse aber eine Kontrolle auf den Baustellen, denn die Regierung will „mehr Sanierung“. Im Laufe des Jahres soll eine „energetische Renovierungsstrategie“ für den Altbaubestand vorliegen. Ein erster Entwurf wurde im vergangenen Jahr geschrieben. In den nächsten Monaten soll er verfeinert und mit den Akteuren aus der Branche diskutiert werden. Dann sollen auch Finanzierungsfragen geklärt werden – wie etwa die „Klimabank“ zur Vorfinanzierung von Wärmedämm-Projekten, die der DP seit Jahren am Herzen liegt.
Um die Qualität der Sanierungskonzepte zu verbessern, hat die Energiedirektion einen Standard zur Aufstellung der Konzepte entwickelt. Die Frage, wer die Ausführung kontrolliert, macht mehr Probleme: Eine Idee lautet, das den Gemeinden zu übertragen. Schließlich erteilen sie die Baugenehmigungen auch für energetische Sanierungen. Gemeinden, die finden, das sei zu viel verlangt, wurde vorgeschlagen diese Kontrollen über den „Klimapakt“ abzurechnen. Die allermeisten Gemeinden sind mittlerweile einen Klimapakt mit dem Staat eingegangen. Dabei fließen staatliche Zuwendungen für Projekte, die das lokale CO2-Aufkommen senken sollen, und wer die Projekte erfolgreich durchgeführt hat, erhält Punkte gutgeschrieben, aus denen anschließend ein Anrecht auf höhere Projektgelder folgt. Bei Bedarf soll die Kontrolle auch an spezialisierte Energieberater ausgelagert werden können.
Bleibt nur zu hoffen, dass tatsächlich erfasst werden wird, wie gut ein Sanierungskonzept ist und welche Qualität eine Renovierung hat. Und nicht Berater, an deren Leistungen „Zweifel angebracht sind“, um Camille Gira zu zitieren, am Ende solche überprüfen, auf die das ebenfalls zutrifft.
Eine sehr wirksame Kontrolle wäre eine, die auf die Datenbank über den Energieverbrauch zurückgreift, die das Wirtschaftsministerium unterhält. Sie soll, so steht es jedenfalls in der großherzoglichen Verordnung über die Energieeffizienz an Gebäuden, mit den „realen“ Energieverbrauchswerten gefüttert werden. Weil für die Energiepässe für Wohngebäude der Energieverbrauch nur theoretisch berechnet wird, soll die Datenbank ergänzend dazu ermöglichen, das berechnete Resultat mit den tatsächlichen Werten zu vergleichen. Wollte man Büros auf ihre Qualität hin prüfen, müsste man nur definieren, in welchem Ausmaß ein real erfasster Energieverbrauch um den im Energiepass berechneten streuen darf. Weil nach einer Sanierungsmaßnahme ein neuer Energiepass fällig wird, ließe sich auf diese Weise nicht nur ermitteln, welcher Pass womöglich schlecht aufgestellt wurde, sondern auch welches Sanierungskonzept womöglich Fehler enthält und welche Renovierung nicht gut genug ausgeführt wurde. Daraufhin könnte weiter ermittelt werden.
Das aber ist zumindest derzeit nicht vorgesehen. Einerseits, weil die Datenbank, die man 2014 mit so vielen realen Verbrauchswerten gefüllt zu haben hoffte wie es Energiepässe gibt, noch immer Lücken enthält. Andererseits, weil die Energiedirektion im Wirtschaftsministerium davon ausgeht, dass die real gemessenen Werte zu viel Interpretationsspielraum zulassen: Was, wenn der Bewohner eines Apartments ein Jahr lang im Ausland weilt?
Und drittens ist Insidern klar, dass die Regelwerke hinter den Energiepässen wie die hinter den Sanierungskonzepten nicht nur auf angewandte Bauphysik zurückgehen, sondern zugleich Kostenkompromisse sind. Zu teuer soll die Aufstellung von Pässen und Konzepten nicht werden, sonst saniert im Hochlohn- und Hochpreisland womöglich kaum jemand.