Ziemlich merkwürdig könnte es demnächst hierzulande in der Politikzugehen, wenn man den Meinungsumfragen über die Wahlabsichtentrauen darf. Wären nämlich im Frühjahr Parlamentswahlen gewesen,hätten die beiden Regierungsparteien gegenüber den Wahlenvon 2004 landesweit Stimmen verloren. Das ermittelte jedenfallsdie TNS Ilres für das Tageblatt.
Wieso die Wählerschaft mit CSV und LSAP unzufrieden war, lässtsich nicht genau feststellen. Vielleicht ist es eine Folge der Indexmanipulation, der Sparpolitik und der als undurchsichtig empfundenen Konjunkturpolitik. Merkwürdig dabei ist, dass die ohnehin schwache, oppositionelle DP in ähnlichem Umfang wie die Koalition verloren hätte. Das hieße, dass die befragten Wähler, bei aller Skepsis gegenüber den Regierungsparteien, den Liberalennicht zutrauen, es besser zu machen.
Von dieser Schwäche der traditionellen Koalitionsparteien profitieren die nicht mehr ganz neuen Kleinen: Wahlsieger würden, wie 2004, die Grünen. Die ADR könnte einen Teil ihrer schweren Verluste von 2004 wettmachen, mehr nicht. Das alles ist in Maßen spannend. Bemerkenswerter ist vielmehr, dass diese Meinungsumfragen eine Tendenz, die bisher nur eine arithmetischeHypothese war, zu einer politischen Möglichkeit machen. Wennnämlich die drei traditionellen Koalitionsparteien CSV, LSAP undDP gleichermaßen geschwächt bleiben und die Sitze einer derkleinen Parteien, der ADR, aus politischen Gründen nicht fürKoalitionen zur Verfügung stehen, könnte die Zahl der Koalitionsmöglichkeiten und damit der politischen Alternativen drastisch eingeschränkt werden.
Als Alternative zur großen CSV/LSAP-Regierung wäre im Angebot: die vielleicht unternehmerfreundlichere, rechtsliberale Koalition der CSV mit einer seit der Verjüngung wieder liberaleren DP. Doch sie bekäme laut Meinungsumfragen möglicherweise dieknappste aller Mehrheiten, von 31 Sitzen in einem Parlamentvon 60 Abgeordneten. Eine solche Regierungsmehrheit ist aberimmer abhängig von den Launen eines einzigen Deputierten.Aber das wäre noch mehr als die von manchen Grünen und Christlichsozialen erwogene Koalition der umweltfreundlichen Wertkonservativen. Denn CSV und Grünen erhielten vielleicht nur 30 Sitze, also keine Mehrheit.
Noch schlechter sieht es für eine antiklerikalen Reformkoalition vonLSAP und DP aus, von der manche Nostalgiker von 1974 noch immer träumen. Mit 23 Sitzen wäre sie heute weit von einer Mehrheit entfernt. Doch ihre Rettung wäre nicht einmal eine Regenbogenkoalition von LSAP, DP zusammen mit den Grünen. Denn selbst diese für Luxemburger Verhältnisse ungewohnte Dreierkoalition verfügte nur über 31 Sitze, was für ein politisches Experiment wohl nicht ausreicht. Die Grünen hätten wenig Freude an ihrem Sieg.
Nun geben nicht Meinungsumfragen, sondern Wahlen den Ausschlag, und dort grenzt die Zuteilung von Restsitzen aneine Lotterie, die doch noch für fünf Jahre eine Mehrheit gewährleisten kann. Aber offensichtlich bleibt, dass arithmetische und damit auch politische Alternativen zu einer breiten Koalition von CSV und LSAP, die immerhin den sicheren Weg des Luxemburger Modells verspricht, schwieriger werden. Und dass weniger denn je ein Weg an der Regierungspartei CSV vorbeiführt.