Geheimdienstkontrollausschuss

Kinderschuhe

d'Lëtzebuerger Land vom 11.11.2010

Das nicht immer holde Schicksal, das führende Politiker bei den Wahlen vergangenes Jahr ereilte, erzwang Umbesetzungen an der Spitze fast aller Parlamentsfraktionen und damit eine fast vollständige Neubesetzung des parlamentarischen Geheimdienstkontrollausschusses. Nur der Grüne François Bausch hatte dem Ausschuss schon vorher angehört und so wurde er gleich zum Vorsitzenden gewählt. Nach einem gescheiterten Versuch im September verabschiedete der Ausschuss am Montag seinen seit Juli versprochenen Rechenschaftsbericht für das Jahr 2009. Daraus geht hervor, dass der Ausschuss im ersten Halbjahr 2009 nur einmal zusammengekommen war: Um die Rechenschaftsberichte von 2007 und 2008 gutzuheißen und sich im zweiten Halbjahr mit der „Organisation seiner Arbeiten und der Übermittlung des Wissens“ zu beschäftigen.

Dass der neu zusammengestellte Ausschuss seine Zeit damit verbringen würde, sich von Kollegen und dem Direktor des Nachrichtendienstes noch einmal dessen Funktionsweise von vorn erklären zu lassen, war abzusehen. Welchen Rückschritt dies für den ziemlichen mühsamen Aufbau einer parlamentarischen Kontrolle seit 2005 bedeutete, erstaunt aber doch. Bis 2009 steckte die parlamentarische Kontrolle in den Kinderschuhen. Danach war sie aus den Kinderschuhen gekippt.

Dies lässt sich bereits am Umfang des Rechenschaftsberichts erkennen: Mit wenig mehr als zwei Seiten ist der Bausch-Bericht der kürzeste, der magerste und also geheimste aller bisherigen Geheimdienstberichte. Dabei hatte Bauschs Partei noch bis vor einem Jahrzehnt in ihren Wahlprogrammen die Abschaffung des Nachrichtendienstes versprochen. Anders als seine Vorgänger – einschließlich der zwei ziemlich kindischen Persilscheine in Sachen Bommeleeërten und Gladio – erwähnt der Rechenschaftsbericht für 2009 kein einziges Tätigkeitsfeld des Dienstes. Mit keinem Wort geht er auf die personelle und organisatorische Krise des Nachrichtendienstes ein, was wohl die erste Sorge eines parlamentarischen Kontrollausschusses sein müsste. Nicht einmal dass der damalige Direktor Anfang Dezember als künftiger Erster Regierungsrat zum deutschen Rüstungskonzern Siemens in den unbezahlten Urlaub geschickt wurde, ist eine Erwähnung wert. Und vor allem geht der Bericht nicht auf den Hilfeschrei ein, den Bauschs Vorgänger Charles Goerens (DP) unmittelbar vor den Wahlen in seinem letzten Rechenschaftsbericht ausgestoßen hatte, nachdem manche Abgeordnete den Eindruck gewonnen hatten, dass der zerstrittene Nachrichtendienst und dessen Direktor sie zum Narren hielten. Doch eine effiziente Kontrolle des zur Verselbstständigung und Pannen neigenden Dienstes ist kein Luxus in Zeiten, da Terrorhysterie zum Herrschaftsinstrument geworden ist.

Im Staatsministerium wird derzeit an der im Koalitonsabkommen angekündigten Reform des Gesetzes von 2004 gearbeitet, mit der der totgesagte Nachrichtendienst wie Phoenix aus den Aschen der New Yorker Twin Towers auferstanden war. Wobei noch nicht abzusehen ist, ob nach der Reform der Nachrichtendienst oder die parlamentarische Kontrolle gestärkt sein werden. Um Kritiken der Abgeordneten kurzzuschließen, hatte der Premierminister als oberster Dienstherr des Service de renseignement nach einem entsprechenden Audit auch den parlamentarischen Kontrollausschuss mit einem Bericht über die allgemeine Funktionsweise des Dienstes beauftragt. So wie er ihn vor einem Jahr eingeladen hatte, sich an der Suche nach einem neuen Direktor zu beteiligen. Was der eine oder andere Abgeordnete sogar einige Wochen lang für bare Münze genommen hatten.

Romain Hilgert
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