Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Am 28. Oktober kam es Diplomaten zufolge bei einem Treffen des Präsidenten des Europäischen Parlaments mit dem Rat zum Eklat. Es ging um die Höhe des EU-Haushalts 2011. Im Rahmen der siebenjährigen finanziellen Vorausschau hatte das EP in der Woche zuvor in erster Lesung für eine etwa sechsprozentige Erhöhung votiert. Nun müssen sich Rat und Parlament einigen. Wer die Erhöhung ablehne, sei anti-europäisch, soll Buzek den Regierungschefs gesagt haben. David Cameron, Angela Merkel und andere wiesen das scharf zurück. „Ich habe gerade die Ausgaben für die Polizei reduziert, bin ich deshalb anti-Polizei?“, fragte Cameron zurück und Merkel bestand darauf nicht deutschenfeindlich zu sein, obwohl auch sie Haushaltskürzungen durchführe.
Jerzy Buzek musste daraufhin zurückrudern und erklärte, er habe die Äußerungen nie getan und sei falsch zitiert worden. Der Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist aber sehr ernst, denn der kleine Zusammenstoß kann durchaus als Auftakt für eine Schlacht um die finanziellen Ressourcen der EU gelten, wie ihn die EU noch nicht erlebt hat. Es ging Buzek auch nicht um die sechs Prozent, hier hatte das EP sowieso schon Kompromissbereitschaft signalisiert. Es ging ihm um eine Reform der Finanzierung der EU schlechthin.
Die EU-Parlamentarier blasen gerade gehörig die Backen auf. Sie wollen dem wahrscheinlichen Kompromiss, den EU-Haushalt für 2011 um knapp drei Prozent zu erhöhen, nur dann zustimmen, wenn der Rat zugleich eine Versicherung darüber abgibt, die Finanzierungsmodalitäten der EU grundlegend zu verändern. Durch den Lissabonvertrag sind sie erstmals bei den Haushaltsberatungen mit dem Rat gleichberechtigt. Ob ein Jahreshaushalt der EU der richtige Ort für solche politischen Koppelgeschäfte ist, muss sich noch erweisen. Zu oft hat das EP in der Vergangenheit in Haushaltsfragen großen Ankündigungen kaum Taten folgen lassen.
Die EU-Kommission geht da geschickter vor. Sie hat am 19. Oktober ihre Mitteilung zur Haushaltsreform vorgelegt und betont darin immer wieder, dass es überhaupt nicht darum gehe, die Einnahmen der EU zu erhöhen. Es gehe allein um eine Reform der Einnahmen und Ausgaben, über die Höhe der Ausgaben könne und müsse man erst danach reden. Die Kommission will die europäischen Haushaltsmittel „intelligenter“ ausgeben. Wer kann da schon dagegen sein?
Kommission und Europaparlament ziehen vor allem bei der Eigenfinanzierung der EU an einem Strang. Beide wollen, dass sich die EU künftig stärker über Eigenmittel finanziert, was im Endeffekt europäische Steuern bedeutet. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist strikt dagegen. Angela Merkel hat dies bei ihrem Besuch in Belgien gerade noch einmal ausdrücklich für Deutschland bekräftigt. Dennoch könnte es sein, dass der Rat am Ende nachgeben muss, und dass, obwohl jedes Land in dieser Frage ein Vetorecht hat. Der Druck, Einnahmen und Ausgaben der EU zu reformieren, ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Am Ende könnte es sein, dass der Rat vom Parlament zu einem Kompromiss gezwungen wird.
Die Europäische Kommission bringt mögliche EU-Steuern in folgenden Feldern ins Gespräch: Finanzsektor, CO2-Emissionshandel, Luftverkehr, europäische Mehrwertsteuer, Energiesektor und Körperschaftssteuer. Mit eigenen Einnahmen will sie sich von den Beiträgen der Mitglieder emanzipieren, die derzeit rund 76 Prozent der Einnahmen abdecken. Damit will sie unter anderem erreichen, dass nicht ausgegebene Mittel auf das nächste Haushaltsjahr übertragen werden können. Bisher fließen solche Gelder an die Mitgliedstaaten zurück.
Intelligenter ausgeben heißt vor allem, den Agrarhaushalt, mit etwa 40 Prozent aller Ausgaben der größte Posten, und die Strukturfonds (circa 33 Prozent aller Ausgaben) zu reformieren. Diese Struktur entspricht nicht mehr den Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert. Dennoch ist schon jetzt abzusehen, dass jedes Land und jeder Sektor „seine Subventionen“ bis zuletzt verteidigen wird. Die Kommission will die Ausgaben in diesem Bereichen an den Kriterien der 2020-Strategie ausrichten. Das hieße, vor allem in Zukunftsfelder wie Forschung und Entwicklung und CO2-arme Wirtschaft zu investieren. Eine Kofinanzierung der direkten Agrarsubventionen könnte eine der Möglichkeiten sein, Gelder freizubekommen. Vertreter des Rates haben schon mal darauf hingewiesen, dass sich an einer grundlegenden Agrarreform bisher noch jeder die Zähne ausgebissen hätte.
Es geht um wenig und viel Geld gleichermaßen. Um wenig, weil der EU-Haushalt nur etwas mehr als ein Prozent des europäischen BSP ausmacht. Dieser Anteil liegt auf der nationalen Ebene zwischen 45 und 50 Prozent. Es geht um viel Geld, weil jährlich rund 130 Milliarden Euro ausgegeben werden. Die Gesamthöhe der Ausgaben zwischen 2007 und 2013 liegt bei 860 Milliarden Euro. Und es geht darum, die europaskeptischen Bürger von der Notwendigkeit dieser Ausgaben zu überzeugen. 2011 wird es ernst. Im Juni kommenden Jahres will und muss die Kommission ihren nächsten Finanzrahmenplan vorlegen.