Rentenreserve für Wohnungsbau

Ideenwettbewerb

d'Lëtzebuerger Land du 17.02.2017

„Endlich“ scheine die Regierung in jene Richtung arbeiten zu wollen, „die wir jahrelang gefordert haben“, schrieb die parlamentarische Gruppe von déi Lénk vor zwei Wochen: Wohnungsbauminister Marc Hansen (DP) und Sozialminister Romain Schneider (LSAP) hätten erklärt, seit „geraumer Zeit“ würden „intensive Gespräche“ geführt, um „die Reserven aus dem Rentenfonds verstärkt in den luxemburgischen Wohnungsmarkt zu investieren“.

Solche Gespräche gebe es tatsächlich, bestätigt Marc Hansen dem Land. Beamte seines Ministeriums würden mit Mitarbeitern des Kompensationsfonds, der seit 2004 die Reserve der Pensionskasse verwaltet, „verschiedene Modelle erörtern“, nach denen ein Teil der Rentenreserve für den Wohnungsbau eingesetzt werden könnte. Was das für Modelle sind, will der Minister aber lieber nicht erläutern, und auch die Pensionskasse lehnt jeden Kommentar ab: Dazu sei es noch „viel zu früh“. Es gehe jedoch, sagt Marc Hansen, „um mehr als nur eine Kapitalerhöhung der Wohnungsbaugesellschaft SNHBM“, deren zweitgrößter Aktionär der Kompensationsfonds ist.

Den letzten offiziellen Zahlen nach lag die Rentenreserve Ende 2015 bei 16,54 Milliarden Euro oder 4,37 Jahres-Rentenausgaben. Weil sie seit drei Jahrzehnten wächst und Ende 2012 mit 11,8 Milliarden Euro ebenfalls schon ansehnlich war, hatte bereits im Wahlkampf 2013 nicht nur déi Lénk, sondern auch die LSAP allerhand Ideen entwickelt, wie die Rentenreserve „nachhaltig und zukunftsorientiert verwaltet und investiert“ werden könnte, wie das im LSAP-Wahlprogramm hieß: „zum Beispiel in die nationalen Energie- und Versorgungsnetze, die in öffentlicher Hand bleiben und Rendite abwerfen, oder in den sozialen Wohnungsbau und die Anlage von Baulandreserven oder in wichtige Infrastruktur- und Zukunftsprojekte“. Dass die Rentenreserve „stärker“ in eine „aktive Wohnungsbaupolitik“ einbezogen werden müsse, war den Sozialisten so wichtig, dass sie es an anderer Stelle in ihrem Wahlprogramm noch einmal wiederholten.

Doch ins Regierungsprogramm der DP-LSAP-Grüne-Koalition schafften es solche Vorschläge nicht. Dort steht lediglich, die Strategie zur Anlage der Reserve werde „redefiniert“, was alles Mögliche heißen kann. Vielleicht Investitionen im großen Stil in Versorgungsnetze oder Wohnungsbau, vielleicht aber auch nur die Festlegung neuer, „ethischerer“ Kriterien für die 2007 gegründete Sicav des Pensionsfonds, die den größten Teil der Reserve (14,3 Milliarden Ende 2015) auf den internationalen Finanzmärkten anlegt.

Aber schon die aktuell geltende Investitionsstrategie des Kompensationsfonds ließe eigentlich mehr Engagement im Luxemburger Wohnungsbau zu: Bis zu fünf Prozent der Reserve, was derzeit über 800 Millionen Euro entspricht, sollen auf dem heimischen Immobilienmarkt investiert werden. Davon ist der Kompensationsfonds noch weit entfernt. Was an Investitionen getätigt wurde oder geplant ist – etwa der Bau einer Cité de la sécurité sociale an der Hollericher Straße oder die Renovierung des Carrefour an der Ecke Boulevard Royal/Avenue Émile Reuter in Luxemburg-Stadt – erreicht dieses Volumen nur ungefähr zur Hälfte und betrifft nur Bürogebäude. An dieser Stelle setzt die Kritik von déi Lénk an: „Zumindest die verbleibenden rund 400 Millionen sollten gezielt in den Wohnungsbau fließen“, meint der Abgeordnete Marc Baum.

Fragt sich nur, wie. Im Moment beschränkt sich das Engagement des Fonds auf seine Beteiligung an der öffentlichen Société nationale des habitations à bon marché. Mit 12,64 Millionen Euro ist der Fonds dort nach dem Staat (28,6 Millionen) der zweitgrößte Aktionär. 2015 hatte die damalige Wohnungsbauministerin Maggy Nagel (DP) eine umfangreiche Kapitalerhöhung der SNHBM angekündigt und der Kompensationsfonds hatte erklärt, er könne seine Beteiligung auf bis zu 40 Millionen Euro steigern. Doch dazu kam es noch immer nicht, weil unklar ist, ob der Fonds SNHBM-Hauptaktionär werden soll oder der Staat das bleibt und zu dem Zweck seine Beteiligung ebenfalls drastisch erhöht.

Déi Lénk finden, mehr Kapital für die SNHBM verhelfe dieser lediglich zu mehr Kreditwürdigkeit gegenüber Banken. Was ihnen vorschwebt, sind Investitionen des Kompensationsfonds in den Mietwohnungsbau und in Wohnungsbaugenossenschaften. Privat-Promoteure würden derzeit auf Investitionen in den Wohnungsbau eine Rendite von zehn bis 20 Prozent erzielen. Der Kompensationsfonds sei mit einer Rendite von durchschnittlich 3,8 Prozent auf alle seine Investitionen viel bescheidener. „Würden unter dieser Maßgabe Mietwohnungen entstehen, könnte die Rendite für den Fonds durch die Miete eingenommen werden“, schätzt Marc Baum, „und falls das nicht reicht, könnte der Staat mit Subventionen helfen.“

Ein anderes Modell bestehe in Zürich: „Dort hat die Pensionskasse der Stadt Zürich 94 Prozent des Kapitals für eine Wohnungsgenossenschaft bereitgestellt. Wer Mitglied wird in dieser Genossenschaft, um eine Wohnung zu erhalten, bringt entweder Eigenkapital mit oder lässt sich das ebenfalls von der Pensionskasse vorfinanzieren und zahlt diesen Kredit durch erhöhte Rentenbeiträge an die Pensionskasse zurück.“

Detailliert haben déi Lénk ihre Ideen noch nicht und auch noch nicht mit Zahlen versehen. Wünsche wie der, dass eine staatliche Mietsubvention die Rendite des Rentenfonds verbessern könnte, äußern sich leichter als sie sich politisch umsetzen lassen, wo doch schon ein Drittel der allgemeinen Beiträge zur Rentenversicherung fiskalisiert ist. Bemerkenswert ist aber, dass Marc Baum und seine Kollegen überzeugt sind, dass mehr finanzielles Engagement des Kompensationsfonds im Wohnungsbau, wie sie es verstehen, nur sinnvoll sei, wenn es eine „öffentliche Wohnungsbaugesellschaft“ gibt: eine, die gezielt Bauland erwirbt, erschließen und bebauen lässt, um die Wohnungen dann zu vermieten, oder die Grundstücke Genossenschaften zum Bau zur Verfügung stellt.

Denn diese Frage ist alles andere als neu. Sie betrifft den Kern der Wohnungsbaupolitik hierzulande und die Rolle, die SNHBM und Fonds du Logement spielen. Mit ihnen gibt es bereits zwei große öffentliche Akteure. Womöglich aber ist ihr Aktionsradius noch zu begrenzt, als dass sie im wirklich großen Stil öffentlichen Wohnraum zur Miete schaffen könnten. Für déi Lénk wäre eine öffentliche Gesellschaft ideal geeignet für Wohnungsbau auf sämtlichen Industriebrachen des Landes, vielleicht aber auch in Kooperation mit den Nachbarregionen: Marc Baum könnte sich vorstellen, dass diese Gesellschaft zusammen mit Gemeinden hinter der Grenze öffentlichen Wohnraum für Grenzpendler in Gegenden schafft, die gut an den öffentlichen Transport nach Luxemburg angebunden sind. Der Kompensationsfonds der Rentenkasse könne vielleicht sogar seine Investitionen „Immobilier monde“, die für internationale Immobilienanlagen gedacht sind, auf derartige Projekte konzentrieren, fidnet Marc Baum, wenigstens zum Teil.

Peter Feist
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