Misch Feinen zählt ohne Zweifel zu den vielseitigsten und multitalentierten Künstlern der jüngeren Generation in Luxemburg. So stellt er nicht nur Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen aus Eisen her; er verfasst auch zahlreiche sogenannte „Tontexte“, ist im Theater aktiv und als Schlagzeuger tätig bei Musikgruppen wie Legotrip, Spleen oder Total Trio. Für seine aktuelle Ausstellung im Foyer des Centre d’arts pluriels in Ettelbrück (Cape) hat er seine multiplen Leidenschaften – Skulptur, Phonetik und Musik – kombiniert und lässt auch den Besucher an seinem „cabinet temporaire d’essais phonoptiques“ („Tonbildtestkabinett“) aktiv teilhaben.
Die während der vergangenen Ausgabe der Nuit des lampions in Wiltz präsentierte bewegbare und feuerspeiende Skulptur Feierrad (in Zusammenarbeit mit Marlène Kreins) kann als Vorläufer der Ausstellung im Cape gesehen werden. Feinens Arbeiten wurden in den vergangenen Jahren nicht nur größer; gleichzeitig zeichnete sich auch der Wunsch nach Kinetik oder gar Interaktivität ab. Die Installation im Cape setzt sich so aus einer Reihe einzelner Klangobjekte zusammen, die der Betrachter bedienen kann. Die Exponate bestehen aus unterschiedlichen Elementen – Teile von Instrumenten, Eisenbänder oder -platten, Kisten oder einer Staffelei – und erzeugen diverse Laute und Klänge. Wie Jean Tinguely oder die Künstler von Fluxus schafft auch Misch Feinen eine lebendige Kunst. Der Betrachter wird zum Krach oder zur Randale eingeladen, so wie es Günther Uecker mit seinem Terrororchester beabsichtigte. Erst der Einsatz des Besuchers vervollständigt das Werk.
Der Titel von Feinens Ausstellung gibt Aufschluss über die Rolle der Verflechtung von Wort, Objekt und Klang: „Sonnord“ erinnert sowohl an „sonor“, als auch an das luxemburgische Wort „Sonn“ und an den „Norden“, der nicht zuletzt auf den Ausstellungsort im Norden des Landes hinweist. Feinen schreibt dem Wort nicht nur eine sprachliche Bedeutung zu; es hat auch einen Klang, ist visuell und assoziativ aufgeladen. Die ambivalenten Wortspiele und -kombinationen spiegeln sich ebenfalls in den Titeln der einzelnen Exponate wider. Tonband bezeichnet ein schmales Band aus Tonerde, das auf einem Tisch platziert ist. Gleich daneben steht ein Weinglas, auf dem der griechische Buchstabe Phi in Rot aufgemalt ist, eine Hommage an den Komponisten und Vertreter der Minimal Music Philip Glas (Phi Lip Glas).
Einige der ausgestellten musikalischen Elemente sind einfach, aber ausdrucksvoll. So hat Feinen einen Ast auf eine kleine Holzkiste montiert und beide Enden mit einer Schnur verbunden (Northpoul). Dem Besucher ist es erlaubt, auf die Kiste zu klettern und das Instrument gleich einer einsaitigen Harfe zu spielen. Andere Exponate sind komplexer aufgebaut. Ein langes dünnes Band aus Eisen, in das feine Linien eingraviert sind, schlängelt sich beispielsweise über ein Konstrukt aus mehreren Rollen und kann per Kopfdruck mechanisch in Bewegung gesetzt werden.
Die Ausstellung „Sonnord“ ist eine willkommene Abwechslung, die nichts mit dem üblichen Berührungsverbot in den musealen Institutionen zu tun hat. Der Ausstellungsort selbst kann der künstlerischen Intention allerdings nur wenig gerecht werden. Das Foyer des Cape bietet nur minimale Ausstellungsbedingungen für eine komplexe Kunst, es gibt nur wenig informative Erläuterungen, und zuweilen werden die erzeugten Töne von einer Gruppe Punks, die draußen ein Lied anstimmen, übertönt. Auch die Idee der Partizipation wird vom Ausstellungsort unterlaufen, zumindest an einem Wochenendnachmittag. Der Besucher muss sich erst Eingang ins Kulturzentrum erbitten, da die Tür sonst verschlossen bleibt, aus Angst, Nichtbesucher könnten die Waschräume nutzen. Vor dem Hintergrund, dass das Cape jährlich vom Staat mit einer halben Million Euro unterstützt wird und dass gerade heute die internationalen Ausstellungshäuser bestrebt sind, ihre Werte nachhaltig auf den Prüfstand zu stellen, als Ort der Diskussion und der Teilnahme zu dienen und die Gesellschaft – jeden Einzelnen und nicht nur eine elitäre kulturaffine Schicht – stärker anzusprechen, erscheint eine solche Haltung hinterfragbar. Zum Glück vermittelt die Kunst tiefgreifendere Werte als die Institution.