Das Regierungsprogramm ist abgesegnet, nun geht es an die Arbeit. Doch die Geschichten, die sich um verschiedene Personalien ranken, reißen nicht ab, hielt das neue Kabinett doch sogar für erfahrene Beobachter Überraschungen bereit. Da ist der Finanzminister Pierre Gramegna, den der neue Staatsminister noch vor der eigentlichen Vorstellung bestätigte, wohl um Kritikern die Luft aus den Segeln zu nehmen. Warum haben weder die DP-Spitzen, noch die LSAP das Schlüsselressort übernommen, fragte Oppositionschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch Etienne Schneider auf den Kopf zu und stellte so die Frage, die sich alle stellen. Der wollte nichts verraten, aber Land-Informationen zufolge hatte die LSAP angeboten, das schwierige Finanzressort zu übernehmen. Die DP entschied sich aber für Gramegna.
Auch Eugène Berger als DP-Fraktionschef war nicht direkt gesetzt. Der ehemalige Umweltstaatssekretär hatte in vergangenen Jahren sein umweltpolitisches Profil zu schärfen versucht, war während der Koalitionsverhandlungen Mitglied der Arbeitsgruppe Umwelt, saß aber auch in der AG Bildung mit am Tisch. Weil die Grünen das Nachhaltigkeitsministerium für sich beanspruchten, und als sich herausschälte, dass Claude Meisch das Finanzministerium nicht übernehmen würde, wurde Berger das Amt als Fraktionschef angetragen. Seine Rede zur Regierungserklärung absolvierte er unaufgeregt und sachlich, trotz der emotionalen Vorlage Junckers (siehe Haupttext).
Das Stühlerücken bei den Grünen sorgt ebenfalls für anhaltende Spekulationen: Sind Déi Gréng so sehr in ihrer Frauenquote gefangen, dass mit Carole Dieschbourg aus Echternach eine junge, politisch eher Unerfahrene das Umweltministerium quasi übernehmen musste, mit dem Umweltpolitiker der ersten Stunde, Camille Gira, als Staatssekretär an der Seite? Und was ist mit Viviane Loschetter? Wenn es darum gegangen ist, eine Frau zu schicken, warum dann nicht sie? Sie ist nach Renée Wagener die Frau, die die Grünen mit aufgebaut hat, als Abgeordnete ins Parlament einzog und hat als Schöffin der Hauptstadt wichtige Lenkungsaufgaben übernommen.
Sie habe keine Minister-Ambitionen, sagen Parteikollegen. Vom Land kontaktiert, bestätigt Loschetter, dass viele Leute sie als Ministerin gesehen hätten, sie sei aber lieber „unter Menschen“. Statt im Dienstwagen chauffiert zu werden, wird man die Hauptstadt-Schöffin und Abgeordnete sicher weiterhin auf dem Fahrrad sehen. Aber warum verzichtete sie als zweitgewählte Zentrums-Grüne auf das Amt der Ersten Schöffin neben DP-Bürgermeisterin Lydie Polfer? Offiziell heißt es, es wäre Zeit für einen grünen Generationenwechsel gewesen. Mit der jüngeren Viertgewählten, die Juristin Sam Tanson, werde dieser vollzogen. Ein weiterer Grund mag gewesen sein, dass Loschetter in der Vergangenheit manchmal aneckte. Als Schulschöffin der Stadt hatte sie gute und wichtige Ideen, war aber mit den Gewerkschaften und dem Comité de cogestion vehement aneinander gerasselt. Als Fraktionschefin kommen ihr intime Kenntnisse ihrer Partei, aber auch der DP sowie ihre langjährige Parlamentserfahrung zugute – und mit einer CSV in der Opposition werden die Samthandschuhe vielleicht sowieso öfters in der Schublade bleiben.