Reform des Nachrichtendienstes

Die Fehler der Vergangenheit

d'Lëtzebuerger Land du 09.01.2015

Die liberale Modernisiererkoalition aus DP, LSAP und Grünen, die mit dem CSV-Staat aufräumen will, ist zuerst einmal das Kind dessen Nachrichtendienstes. Denn es war der bei seiner gescheiterten Privatisierung hysterisch gewordene Geheimdienst, der gegen CSV-Premierminister Jean-Claude Juncker als obersten Dienstherrn komplottierte und so zu dessen Sturz beitrug. Aber der Nachrichtendienst ist ein Phönix: Nach jedem Skandal in seiner mehr als sechzigjährigen Geschichte stand er noch schöner, noch mächtiger, noch unkontrollierbarer aus seiner Asche wieder auf.

Tatsächlich war der erste Gesetzentwurf, den Premier Xavier Bettel (DP) nach nur vier Monaten Amtszeit im Parlament einbrachte, etwas überraschend derjenige zur Reform des Nachrichtendienstes. Und der Text sieht erwartungsgemäß wieder einmal vor, dass der Dienst mehr Agenten, mehr Mittel und mehr Kompetenzbereiche erhalten soll sowie eine weitere Kontrollinstanz.

Doch nun ist etwas Erstaunliches geschehen: Es gibt eine breite nationale Front so gut wie aller Parteien, um den noch vor anderthalb Jahren heftig kritisierten Nachrichtendienst in seiner Operation Phönix zu unterstützen: von DP, LSAP und Grünen, weil sie gerade regieren und der Nachrichtendienst ein Herrschaftsinstrument nicht nur des CSV-Staats ist; von CSV und ADR aus Staatsräson und weil sie traditionell gute Beziehungen zum Nachrichtendienst pflegen. Doch nun schert ausgerechnet der eher konservative und stets staatstragende Staatsrat aus der vaterländischen Front der Nachrichtendienstfreunde aus.

In einem angesichts der allgemeinen Terrorismushysterie mutigen Gutachten scheut sich der Staatsrat nicht, die Frage nach der Daseinsberechtigung des skandalumwitterten Dienstes aufzuwerfen. Er findet, dass die Regierung zuerst über seine Daseinsberechtigung nachdenken und nach alternativen Organisationsformen suchen müsste, um seine Missionen zu erfüllen. Vor allem müsste sie aber nach all den schlechten Erfahrungen entscheiden, ob es ratsam sei, weiterhin alle Missionen in der Hand eines Dienstes zu konzentrieren, der auch noch anders als die anderen Verwaltungen funktioniere. Selbst die üblichen Beteuerungen aller Regierungen, dass der Unterhalt eines Nachrichtendienstes im Rahmen der internationalen Verpflichtungen vorgeschrieben sei, lässt der Staatsrat nicht unbesehen gelten: In dem Gesetzentwurf fehle der geringste Hinweis auf rechtlich zwingende Verpflichtungen dieser Art.

Der Staatsrat wirft DP, LSAP und Grünen gnadenlos vor, den Empfehlungen, die sie Mitte 2013 selbst in den Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses über den Geheimdienstskandal geschrieben haben, „nur sehr partiell“ zum Gesetz machen zu wollen. Und da die Reform von 2004 in der Praxis „zu einem guten Teil gescheitert“ sei, befürchtet er, dass die geplante Reform den Nachrichtendienst „dazu verleiten wird, seine Aktivitäten hinter einem Geheimnisschleier auf neue Kompetenzfelder auszuweiten“.

Ebenso misstrauisch ist der Staatsrat gegenüber den geplanten Kontrollinstanzen, mit denen die Regierung ihre Reform rechtfertigt. Die Vervielfältigung der Kontrollkompetenzen drohe, zu ihrer Ausdünnung zu führen; der geplante Kontrollbeamte innerhalb des Dienstes scheine vor allem als Schutzschild zu dienen, um von der Verantwortung des Premierministers abzulenken. Statt Lehren aus den bisherigen Mängeln zu ziehen, scheine der Gesetzenwurf deshalb vor allem darauf abzuzielen, „die Fehler der Vergangenheit in einem neuen Rahmen fortzusetzen“, warnt der Staatsrat. Dabei liest sich aus dem Gesetzentwurf des Premiers unmissverständlich heraus, dass die angeblichen Fehler der Vergangenheit keine Fehler, sondern eine Politik sind.

Romain Hilgert
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