Wenn ein Außenminister in einer ausländischen Fernsehsendung beteuern muss, „dass in Luxemburg nicht alle Mafiosi sind“. Wenn er die Zuschauer zu überzeugen versuchen muss, „dass Luxemburg kein Land ist, das korrupt ist, das faul ist“. Wenn er öffentlich bestreiten muss, dass Luxemburg ein „Unrechtsstaat“ ist. Wenn er schließlich flehen muss: „Aber wir sind doch zu klein, um alles auf unseren Schultern zu tragen!“ Dann hat er es, wie Jean Asselborn vor 14 Tagen in der Talkshow Anne Will des deutschen Fernsehens, mit den Folgen eines diplomatischen Fiaskos zu tun.
Doch Jean Asselborns Erklärung zur Außenpolitik, die er dem Parlament am Dienstag durch eine orangefarbene Plastikbrille vorlas, um die Ernsthaftigkeit seiner Diplomatie zu relativieren, ging erst ganz zum Schluss kurz auf das ein, was sein Kollege Finanzminister Pierre Gramegna „ein Tsunami“ nannte: „Die negative Presse und die Vorurteile, die draußen über unser Land herrschen, zum Beispiel in Sachen Tax Rulings, schaden dem Bild des Landes. Es wäre fatal, dies zu verharmlosen.“
Um es zu verharmlosen, machte er lieber seinen traditionellen Tour du monde en quatre-vingts minutes zu allen Krisenherden dieser Welt. Das tat er schon 2009, ein anderes Annus horribilis der Luxemburger Diplomatie, als die EU-Partner halfen, das Land auf die graue OECD-Liste der Steueroasen zu setzen, und deutsche Politiker die „Kavallerie“ und „Soldaten“ gegen das Bankgeheimnis mobilisieren wollten.
Also bedauerte der Außenminister am Dienstag, dass der Weltsicherheitsrat „völlig blockiert“ sei, wenn es um eine politische Lösung für den Krieg in Syrien geht. Dafür aber habe Luxemburg, das bis Ende des Jahres dem Sicherheitsrat angehört, aktiv zum Erfolg zweier Resolutionen über die Vereinfachung humanitärer Hilfe für die Syrer beigetragen. Luxemburg habe bis heute 12,6 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Syrien ausgegeben, aber „die Diplomatie hat leider größtenteils versagt“.
Allerdings ist die Lage eher vertrackt. Im Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak und Sham (Daech) könne der syrische Präsident „Assad kein Partner sein“, meinte der Minister, aber in der Wirklichkeit wird Assad längst stillschweigend als solcher geschont. Wie auch „diese Terrormiliz für niemand ein Verhandlungspartner sein kann“, so Asselborn. In einem anderen Zusammenhang erinnerte er daran, dass „nach dem Sturz des Sunniten Saddam Hussein alles auf die Schiiten gesetzt wurde“, erwähnte aber nicht, dass der Islamische Staat anfangs als sunnitisches Gegengift gegen die Schiiten toleriert wurde. So dass nun wieder Asselborn sich „als einer der ersten europäischen Außenminister, der nach der Wahl von Präsident Rohani nach Teheran reiste“ bezeichnete. „Minister Zarif war danach auch bei uns in Luxemburg.“
Allerdings könnten Luftangriffe den Islamischen Staat nur schwächen. Deshalb seien „andere militärische Mittel nötig“. Asselborn erwähnte in diesem Zusammenhang einen Stellvertreterkrieg mittels kurdischer Truppen und appellierte an den Nato-Partner und EU-Kandidaten Türkei, die kurdische Aufrüstung zu tolerieren. Auch sei es „wichtig, dass sich eine Reihe arabischer Staaten der Allianz gegen Daech anschließen“. Eine Einladung, die sicher dem Katar gilt, den eine „strategische Allianz“ mit Luxemburg verbindet, und dem Partner des Luxembourg-Saudi Arabia Business Council.
Da auch Leute aus Luxemburg „in den Heiligen Krieg in Syrien und Irak ziehen“, müsse die Regierung „Mittel und Wege finden – auch auf strafrechtlichem Gebiete –, um diese Leute davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen, um sie zu flankieren, wenn sie zurückkehren, und allgemein daran zu arbeiten, dass die brutale Ideologie von Daech keine Wurzeln in unserer modernen und offenen Gesellschaft schlagen kann“.
Kurz nachdem „die Krise in der Ukraine über uns hereingebrochen“ sei, habe Luxemburg den Vorsitz des Weltsicherheitsrats übernommen. Der Außenminister kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass in den Beziehungen zwischen der EU und Russland alles zerstört worden sei, was seit dem Ende des Kalten Kriegs aufgebaut worden sei. Da Luxemburg erhebliche wirtschaftliche Interessen an normalisierten Beziehungen zu Russland hat, verlangte er, „immer wieder den Dialog mit Russland zu suchen“, insbesondere da „die Lage in der Ukraine nicht schwarz oder weiß“ sei.
Der Minister bezweifelte, dass die israelische Regierung an einer Verhandlungslösung mit den Palästinensern interessiert sei. Er bescheinigte nicht nur Israel, sondern auch den Palästinensern ein Recht auf Selbstverteidigung, denn „kein Volk auf der Welt würde sich unter den Bedingungen, die in Gaza herrschen, friedlich verhalten“. Wie Schweden sei Luxemburg „im Prinzip bereit, Palästina auch bilateral anzuerkennen“, aber bloß, wenn dies ein konkretes Ziel verfolge und nicht nur „ein symbolischer Selbstzweck“ sei. Würden die Verhandlungen jedoch nicht vorankommen, sei die Regierung „bereit, ihre Verantwortung zu übernehmen“.
Um die nationalen Interessen und das Triple A im Geschäft gegenüber anderen Staaten zu verteidigen, setzt die Luxemburger Außenpolitik auf das Triple D von Diplomatie, Développement, Défense und lässt es sich etwas kosten: Im Sahel nehme die Armee an der Ausbildungsmission EUTM Mali teil, so Jean Asselborn. Vergangene Woche sei ein Luxemburger Polizist zur EU-Mission Eucap Sahel Mali gestoßen. In Niger unterstütze Luxemburg mit einem Polizeibeamten und Geld die EU-Ausbildungsmission Eucap Sahel Niger. Ein Luxemburger sei Chef der Mission Eusec in der Demokratischen Republik Kongo. Und bis vor kurzem habe Luxemburg sich vor dem Horn von Afrika am Kampf gegen Piraten beteiligt. Im Kampf gegen die Ebola-Seuche biete Luxemburg bald zusammen mit Luxembourg Air Rescue die Evakuierung von Hilfspersonal an.
Zu den außenpolitischen Erfolgen zählte Jean Asselborn vor allem „die Präsenz im Uno-Sicherheitsrat“. Der Staat investierte über eine Million Euro in die Kampagne für ein Votum zugunsten Luxemburgs und danach in den Beamtenapparat in New York. Die Vertretung im Weltsicherheitsrat habe „der Luxemburger Außenpolitik eine neue Dimension verliehen. Wir haben hinzugelernt und auch aktiv geholfen, die sich stellenden Probleme und Herausforderungen anzugehen.“ Während es auch im Außenministerium Kritiken am Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis gab, plädierte Asselborn dafür, in Zukunft ein zweites Mal für den Weltsicherheitsrat zu kandidieren, weil dies „eine gute Investition in die Sichtbarkeit und die Glaubwürdigkeit unseres Landes auf internationaler Ebene“ sei.
Öffentlich lieber unbeantwortet ließ Asselborn allerdings die Frage, wie weit die internationale Kampagne gegen die Vorentscheidungen von Büro sechs der Steuerverwaltung die Investitionen in die Vertretung im Weltsicherheitsrat zunichte gemacht hat. Das gilt auch für den anderen außenpolitischen Erfolg dieses Jahres, die Wahl eines Luxemburgers zum Präsidenten der Europäischen Kommission. Denn die Veröffentlichung der Tax Rulings trug nicht zuletzt zur Demontage Jean-Claude Junckers bei. Der Ansehensverlust dürfte auch nicht dem Luxemburger Ratsvorsitz in der Europäischen Union ab Juli nächsten Jahres dienen. Da kam auch die im April von der Regierung beschlossene Strategie zum Nation Branding zu spät, „mit der wir eine Marke ‚Luxemburg’ schaffen wollen, die klar, authentisch und glaubwürdig ist“.