Beinah Alle reden derzeit von den „Ökotechnologien“. Sie sollen helfen, aus der Krise zu kommen, sollen Wachstum bei hoher Wertschöpfung und zugleich Arbeitsplätze schaffen. Die Europäische Kommission sorgt sich, dass die EU ihre Technologieführerschaft bei der Nutzung erneuerbarer Energien an die USA und China verlieren könnte. In Deutschland rief die CDU schon im letzten Jahr zur „ökologischen Revolution“ auf. In Frankreich plant der Staat die Einrichtung von „Éco Cités“, davon eine im nahen Lothringen, gleich gegenüber von Belval.
Das sind einige der äußeren Rahmenbedingungen, unter denen die Luxemburger Regierung den nationalen Aktionsplan Ökotechnologien aufstellen muss. Angekündigt worden war er schon in der vorigen Legislaturperiode. Seitdem aber ist der Erwartungsdruck an die Ökotechnologien auch hierzulande gewachsen – zum Teil krisenbedingt, zum Teil wegen der Aussicht auf erneut steigende Energiepreise. Wer da von „neuen volkswirtschaftlichen Standbeinen“ spricht, gibt ein politisches Bekenntnis ab. Wer damit die Ökotechnologien meint, tut das derzeit umso mehr.
Das dürfte der Grund sein, weshalb die Regierung den Begriff öffentlich kaum mehr strapaziert. Hinter den Kulissen wird darum gestritten. Er streite mit Vertretern aus der Wirtschaft und mit den Grünen, sagt Forschungsminister François Biltgen (CSV) im Land-Gespräch. Erstere würden sagen, um aus der Krise herauszukommen, müsse mehr geforscht werden. Die Ökoforschung müsse anwendungsbezogener sein und in den Betrieben zu Resultaten führen.
Die Grünen wiederum hatten schon im Wahlkampf 2009 ein Wirtschafts-programm veröffentlicht, in dem sie vorschlugen, ein „Cluster für energiesparendes Bauen“ einzurichten und ein „Exzellenzzentrum für grüne Gebäude und Städte“, das auf den Markt der Großregion zielt. Eine zweite Überlegung betraf die heimischen Autozulieferer, die ein „Exzellenzzen-trum für Hybrid- und Elektrofahrzeuge“ bilden sollten. Heute träten die Grünen dafür ein, dass die Regierung der öffentlichen Forschung Richtungsvorgaben macht, sagt der Forschungsminister, für den weder die Forderungen der Wirtschaftsverbände noch die der Grünen akzeptabel sind: „Der Forschung will ich eine gewisse Freiheit lassen.“
Damit bleibt Biltgen dem Politikansatz treu, der lautet, das die Forschungseinrichtungen ihr „Kerngeschäft“ selber definieren sollen. Dazu sollen die Leistungsverträge anhalten, die die Regierung mit den drei Centres de recherche public und dem Ceps/Instead zunächst für die Jahre 2008 bis 2010 abschloss. Sie garantieren den Einrichtungen einerseits Mehrjahresbudgets, unterwerfen sie andererseits einer externen Leistungsbewertung. Die Gutachten für die erste Leistungsphase liegen vor; schließlich soll die zweite Anfang kommenden Jahres starten. Über die nächsten Verträge verhandelt Biltgen derzeit mit den Akteuren. So lange will er die externen Gutachten nicht publizieren. Bei den Verhandlungen der nächsten Verträge geht es auch um das Wohin der Umweltforschung; schließlich gehört sie zu den ältesten Forschungszweigen hierzulande.
In den neuen Veträgen werde die „Verwertung“ der Forschungsergebnisse einen besonderen Platz einnehmen, sagt Biltgen. Soll heißen: Der Technologietransfer in die Wirtschaft, zu dem vor allem die drei CRP seit ihrer Gründung vor 22 Jahren eigentlich angehalten sind, ist noch unzureichend. Den Forderungen aus der Wirtschaft begegnen sollen die Zentren wohl – aber nach dem Prinzip Bottom-up.
Das dürfte, was die Umweltforschung betrifft, zu einigen Richtungsentscheidungen in den Zentren führen. Umweltforschung gibt es hierzulande, seit es die CRP gibt. Das ergab sich schon, da Luxemburg als kleiner Mitgliedstaat der EU dieselben Umweltvorschriften zu erfüllen hat wie die großen Staaten, Ministerien und Verwaltungen hierfür Expertenwissen benötigen. Die Frage ist nur, ob die aktuelle Vielfalt an Aktivitäten auch „exzellent“ ist und vielleicht sogar auf Weltniveau konkurrieren kann. Beim Nationalen Forschungsfonds FNR, der seit seiner Gründung eigene Programme auch zur Umweltforschung aufstellt, sieht man Luxemburg vor allem in der Wasserforschung fortgeschritten. „Darin sind nicht nur an die 70 Forscher aktiv, was viel ist für Luxemburger Verhältnisse. Unsere Wasserforschung kann sich auch international sehen lassen“, sagt Carlo Duprel, Senior Project Manager für den Bereich Nachhaltigkeit beim FNR.
Die Feststellung impliziert freilich, dass in anderen Bereichen zu entscheiden bleibt, in welchem Umfang und mit welchem Anspruch man darin weiter aktiv bleibt. Die Regierung hatte vor drei Jahren prioritäre Forschungsachsen definiert, der FNR nach einer Foresight-Studie Programmschwerpunkte festgelegt. Beide sind ungefähr deckungsgleich, und mit ihnen konnte fortgeführt werden, was es schon gab: Erstens die Wasserforschung. Zweitens die Artenschutzforschung. Drittens die Arbeiten an erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Viertens Forschungen zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Fünftens schließlich Raum- und Stadtplanung. An diesen Prioriäten orientierten sich die CRP, aber auch die Universität. Der FNR wird in zwei bis drei Jahren überprüfen, welche Ergebnisse seine Schwerpunktsetzungen brachten.
All das sind allmähliche Klärungsprozesse. Noch immer gebe es „Doppelungen“ in den Aktivitäten der CRP, die abgebaut werden müssten, sagt der Forschungsminister. Wird sich auf diesen allmählichen Prozess bereits ein „Aktionsplan“ für Ökotechnologien gründen lassen?
Eine Erfolgsgeschichte ist für den Forschungsminister der TDK-Stiftungslehrstuhl für Fotovoltaikforschung an der Universität mit seinem Fotovol-taik-Labor: Eine Partnerschaft mit einem Unternehmen eingehen, das Mittel investiert; namhafte Wissenschaftler verpflichten und gute Forscher-Teams bilden, so könne es gehen, meint François Biltgen. Schade vielleicht, dass das TDK-Labor unter Materialforschung firmiert und nicht unter Umweltforschung.
Mit den industriellen Partnern aber ist die Frage berührt, wie man grundsätzlich vorgeht. Um hierzulande die Gesundheitstechnologien zuu etablieren, wurde für zunächst fünf Jahre eine Partnerschaft mit US-amerikanischen Einrichtungen abgeschlossen und mit 150 Millionen Euro aus dem Staatssäckel versehen. Ob man in den Ökotechnologien genau so vorgeht, stehe zur Diskussion, sagt Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP).
Die Alternative wäre, auf eine „endogene“ Entwicklung zu setzen. Denn im Unterschied zur Biotechnologie, in der bislang nur wenige Betriebe im Lande aktiv sind, ist es in den Umwelttechnologien im weiten Sinne eine ganze Reihe von Unternehmen: von innovativen Hightech-Kleinbetrieben wie Epuramat mit seinem vielversprechenden Wasserreinigungskonzept über das weltbekannte Technologie-Unternehmen Paul Wurth bis hin zum Automobil-Forschungszentrum Delphi, wo man sich derzeit verstärkt mit der Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs und energieeffizienteren Klimaanlagen für KFZ beschäftigt. Dem von der Innovations-agentur Luxinnovation unterstützten Cluster Ecoinnovation gehören 188 Betriebe an. Doch: Sie sind nicht nur verschieden groß. Ihre Aktivitäten sind ebenfalls sehr divers. Da könnte es, meint der Wirtschaftsminister, „15 bis 20 Jahre dauern, bis wir in einem solchen endogenen Prozess eine Nische entwickelt haben, in der wir konkurrenzfähig sind“. Schließlich will doch irgendwie jeder „Green Tech“.
Kreckés Arbeitshypothese lautet derzeit, unter Ökotechologien vor allem die zur Anwendung im Energiebereich zu verstehen. „Hier ist der Bedarf bei uns besonders groß. Wir sind außerordentlich abhängig von Energieimporten, nutzen noch zu wenig erneuerbare Energien und müssen energieeffizienter werden. Energie war ja lange billig. Nun wird sie teuer und knapp.“ Es bestehe großer Bedarf an Energieforschung durch die Privatwirtschaft. Was es davon bisher gibt im Lande, will Krecké bis Ende des Monats in einem Bericht genau klären lassen. Er habe das Gefühl, es sei noch nicht viel.
Schon möglich, dass am Ende ein Aktionsplan Energietechnologien aufgestellt wird. Wenn in fünf Wochen das Comité supérieur de la Recherche et de l’Innovation zusammentritt, wird es darüber beraten. Private Energieforschung im großen Stil zu initiieren, wird jedoch nicht ganz einfach sein. Nicht einmal der fusionierte Energieversorger Enovos verfügt bisher über eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Dass er in der Forschung tätig werde, will Hauptaktionär Staat nun erreichen. Doch wie gut das klappt, könnte auch davon abhängen, was die anderen Aktionäre davon halten: RWE, E.on und GDF-Suez forschen selbstverständlich – nur nicht in Luxemburg.
In der Wirtschaft selber wird ein großer Bedarf an Energieforschung ebenfalls erkannt. „Wie man die erneuerbaren Energien nutzt, wie man neue Energieversorgungskonzepte entwickelt, wie man die so genannten intelligenten Netze einrichtet, die Strom und Wärme je nach dem gerade vorliegenden Bedarf zuschalten – das sind Problemstellungen, zu denen Pilotprojekte nötig sind“, sagt Christian Rech, der Präsident des Clusters Ecoinnovation. Möglicherweise eigne sich für solche Pilotvorhaben ein kleines Land wie Luxemburg ja besonders gut.
Persönlich hielte Rech nicht viel davon, den Öko- oder Energietechnologien und der Forschung dazu mit einer Investition nachzuhelfen wie beim Biotech-Projekt. Rechs Empfehlung lautet, sich des Bausektors zu besinnen. Der habe in den letzten drei Jahren, gerade wenn es um Nachhaltigkeit gehe, „enorm viel hinzugelernt und viele neue Technologien verinnerlicht“. Beispielhaft soll dafür das Projekt Neischmelz in Düdelingen stehen (siehe den unten stehenden Beitrag). Entscheide man sich dafür, nachhaltiges Bauen und nachhaltige Stadtplanung zum Schwerpunkt einer Öko-Technologie-Entwicklung made in Luxembourg zu machen, bestehe Exportpoten-zial in die Großregion, ist Rech so überzeugt wie die Grünen auf ihrem Parteitag im März 2009.