Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) hat das seit Anfang des Jahres mehrfach erklärt, zuletzt Anfang vergangener Woche: Die Diskussion, ob das Finanzierungsgesetz für die Aktioun Superdreckskëscht verfassungskonform ist, werfe Fragen auf, die „weit“ über die Superdreckskëscht hinausreichen.
Das hört sich an, als wollte sie von dem Problem ablenken, das sie noch immer hat. Denn ausgestanden ist die Affäre um den Betrieb in Colmar-Berg, der seit 1990 im Auftrag des Umweltministeriums Problemabfälle behandelt, noch nicht. Nachdem Recherchen von reporter.lu vergangenes Jahr auf zahlreiche Undurchsichtigkeiten hingewiesen hatten, die unter anderem den Verdacht auf Vetternwirtschaft zwischen dem Chef des Betriebs Oeko-Service-Luxembourg S.A. und dem Direktor der Umweltverwaltung entstehen ließen, gab Dieschbourg eine Überprüfung in Auftrag. Als der Bericht im September vorlag, versicherte sie, die Empfehlungen darin umzusetzen. Wie es darum steht, erläuterte sie am Montag vergangener Woche in zwei parlamentarischen Ausschüssen. Fazit: Noch ist nicht alles umgesetzt. Die „Modernisierung der Aktioun Superdreckskëscht“, wie Carole Dieschbourg das nennt, gehe „in den nächsten Monaten weiter“.
In der Zwischenzeit geriet ein weiteres Element in die Diskussion: Ist das Gesetz über die Aktioun Superdreckskëscht, das 2005 verabschiedet und 2018 verlängert wurde, verfassungskonform? Nein, findet sowohl die Cellule scientifique der Abgeordnetenkammer als auch der Jurist Alain Steichen. Der parlamentarische Haushaltskontrollausschuss hatte der Cellule und Alain Steichen die Frage unabhängig voneinander gestellt.
Dabei geht es um Verfassungsartikel 99. Er schreibt unter anderem fest: „Aucune charge grevant le budget de l’État pour plus d’un exercice ne peut être établie que par une loi spéciale.“ Was ein „Spezialgesetz“ ist, steht nicht in der Verfassung. Es wurde über die Jahre vom Staatsrat interpretiert. Etwa im März 2015, als der Staat ein Grundstück für die Cité policière in Findel kaufen wollte und der Staatsrat den Gesetzentwurf dafür begutachtete: Ein Spezialgesetz sei eines mit einem einzigen Zweck – der Regierung zu genehmigen, auf Staatskosten eine Operation realisieren zu lassen, die mit einem beträchtlichen finanziellen Engagement verbunden ist. Dazu müsse im Spezialgesetz auch der Geldbetrag stehen. Die Schwelle für „beträchtlich“ wurde 1989 zum ersten Mal in einem Gesetz über die staatliche Buchführung festgelegt. Seit 2009 liegt sie bei 40 Millionen Euro.
Dass das Superdreckskëscht-Gesetz, so gesehen, nicht verfassungskonform sein kann, scheint klar: Es soll nicht nur die Finanzierung der Aktion zur Problemmüll-Behandlung regeln, und es enthält keinen konkreten Geldbetrag, der aus der Staatskasse fließen soll.
Was daraus politisch folgt, wurde im Grunde schon entschieden: Der Regierungsrat nahm einen Entwurf für ein Spezialgesetz an. Die Umweltministerin reichte ihn vergangene Woche im Parlament ein. Darin steht der Betrag von indexgebundenen 112 Millionen Euro ohne Mehrwertsteuer für die Zeit von 2018 bis 2028. Der Motivenbericht informiert, es handle sich nur um eine Hochrechnung. Der Opposition, allen voran die CSV, reicht das nicht. Sie will Fragen klären, die der von Dieschbourg in Auftrag gegebene Bericht nicht beantwortet hatte, etwa die Finanzflüsse im Geflecht der im Saarland ansässigen Mutterfirma der Oeko-Services-Luxembourg. Dieschbourg hatte dazu schon vergangenes Jahr erklärt, solche Ermittlungen anstellen zu lassen, überstiege ihre Zuständigkeit: Es gehe ja nur um das Verhältnis des Luxemburger Staats zu der hierzulande ansässigen Superdreckskëscht-Firma.
Vermutlich wird es dabei bleiben. Die Regierung teilt Dieschbourgs Einschätzung, sonst hätte sie dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt. Die Kammer wird ihn wahrscheinlich verabschieden, vielleicht allein mit den Stimmen der Mehrheit. Damit würde auch eine Empfehlung von Alain Steichen verworfen. Er findet, ein nachträgliches Spezialgesetz genüge nicht; der Superdreckskëscht-Vertrag müsse neu verhandelt, der Auftrag zur Abfallbehandlung neu ausgeschrieben werden.
Doch was Steichen und die Cellule scientifique der Kammer in ihren Gutachten schreiben, wirft tatsächlich auch Fragen auf, die über die Finanzierung der Superdreckskëscht hinausreichen. Zum Beispiel stellt die Cellule die Theorie auf, die Bestimmung in Verfassungsartikel 99, ein Spezialgesetz sei nötig, wenn eine Staatsausgabe über mehr als ein Haushaltsjahr verläuft, könne auch gelten, wenn es um weniger als 40 Millionen Euro geht. Bedingung sei dann: zwei Haushaltsjahre oder mehr. Dann aber wäre eine Vielzahl von Staatsausgaben betroffen – von Mietverträgen über Wartungskontrakte bis hin zu Zeitungs- und Smartphone-Abonnements.
Und es ist nicht unbedingt so, dass Spezialgesetze immer dann verabschiedet wurden, wenn das eigentlich erforderlich war. In jedem Fall werden sie für Infrastrukturvorhaben verabschiedet. Auch wenn der Staat Immobilien kauft, wie etwa das Grundstück für die schon erwähnte Cité policière in Findel, geschieht das. Die Ausgaben für Phase zwei und Phase drei des Large-scale testing auf das Coronavirus waren ebenfalls von je einem Spezialgesetz gedeckt. Für Phase eins, die direkt aus dem Forschungsbudget bezahlt wurde, hatte der zuständige Minister Claude Meisch (DP) mehrfach betont, sie lägen bei höchstens 39,5 Millionen Euro – also keinen 40 Millionen.
Dagegen wurde 2009 ein Kooperationsvertrag mit der Max-Planck-Gesellschaft abgeschlossen, der einen Zuschuss für das in Luxemburg entstandene Max-Planck-Insitut für institutionelles Recht enthielt. Das Spezialgesetz folgte 2014 nachträglich. Auch für das Funk-Projekt Renita, das vor rund zehn Jahren vom Staats- und Medienministerium vorangetrieben wurde und dessen Finanzierung über mehrere Haushaltsjahre verlief, war zunächst kein Spezialgesetz vorgesehen. Und als Mobilitätsminister François Bausch (Grüne) im Herbst 2020 die RGTR-Buslinien für zehn Jahre neu ausschrieb, sollte deren Finanzierung, wie seit 20 Jahren üblich und Jahr für Jahr 40 Millionen Euro weit überschreitend, einfach immer wieder im Staatsbudget festgelegt werden. Erst im April 2021 teilte die Finanzinspektion mit, wegen Verfassungsartikel 99 gehe das nicht. Bausch deponierte einen Spezialgesetzentwurf über die stolze Summe von fast 1,3 Milliarden bis 2032. Das Parlament stimmte ihn am 16. Dezember rechtzeitig, damit ab 1. Januar Geld fließen konnte. Im Motivenbericht zum Entwurf klagte Bausch, in 20 Jahren habe weder die Kammer, noch der Rechnungshof, noch die Finanzinspektion „Bemerkungen“ wegen Artikel 99 gemacht.
Ganz ähnlich weist Carole Dieschbourg in ihrem Entwurf von letzter Woche darauf hin, ab dem Jahr 2000 sei die Finanzierung der Superdreckskëscht diskutiert und entschieden worden, wegen der Vielfalt der Leistungen sei ein Spezialgesetz mit exaktem Geldbetrag nicht möglich.
Und vielleicht lässt die Liste der nicht verfassungskonformen Ausgaben sich noch fortsetzen: Vor zwei Wochen unterschrieb Claude Meisch die neuen Vierjahres-Konventionen mit Akteuren der öffentlichen Forschung über deren „Basisdotationen“ aus der Staatskasse. Es geht dabei um 1,7 Milliarden Euro, davon 900 Millionen für die Universität. Was sie betrifft, ist Grundlage dafür Artikel 51 des Universitätsgesetzes. Doch das Uni-Gesetz ist kein Spezialgesetz, und Artikel 51 legt nur fest, dass alle vier Jahre eine Konvention ausgehandelt werde. Die Details stehen später im Staatshaushaltsgesetz. Doch dieses ist, nach den Rechtsgutachten, die nun vorliegen, kein Spezialgesetz, da ohne „objectif unique“. Dcoh wenn all das zutrifft: Was macht man dann?