LEITARTIKEL

Schrecken ohne Ende

d'Lëtzebuerger Land du 19.03.2021

Es ist der bisherige Tiefpunkt einer Zerrüttung der CSV-Parteiführung, die jetzt sogar die Justiz beschäftigen wird: Mehrere Abgeordnete der CSV-Fraktion haben den eigenen Parteipräsidenten bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Frank Engel wird beschuldigt, 40 000 Euro im Rahmen eines dubiosen Arbeitsvertrags mit dem CSV-Frëndes-krees kassiert zu haben. Den Vertrag hatte Engel offenbar mitaufgesetzt, um im Gegenzug für ein monatliches Brutto-Gehalt rund 6 000 Euro von Juni bis Dezember 2020 den Verein in eine Stiftung zu überführen und dafür Unterstützer anzuwerben. Das sei aber nicht passiert, wie Engel selbst eingeräumt hat. Daraufhin hatten ihm Parteimitglieder auf der Generalversammlung Scheinbeschäftigung vorgeworfen. Was an den Vorwürfen strafrechtlich relevant sein soll, ist belang aber nicht klar.

Die letzte Eskalation in einem üblen Machtkampf zwischen verschiedenen Flügeln und bestimmten Personen in der Partei artet endgültig in eine Schlammschlacht aus: Engel wirft seinerseits Fraktionsmitgliedern vor, sie wollten ihn loswerden. Andererseits hatte er gegenüber RTL zugegeben, er hätte vielleicht mehr Leute über den Arbeitsvertrag in Kenntnis setzen sollen. Das ist eine der Schlüsselfragen: Wer wusste wann von dem Arbeitsvertrag und warum haben die Alarmglocken nicht schon früher geschrillt, wenn „gemauschelt“ wurde, wie CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen es nennt?

Sicher: Frank Engel hat mehrfach bewiesen, dass er sich einen Teufel darum schert, sich bei wichtigen Themen mit der Fraktion abzusprechen. Sein rechtzeitig vorm Nationalkongress veröffentlichtes Richtungspapier, in dem er ironischerweise zur Einigung aufruft, war weder mit Generalsekretär Paul Galles noch mit der Fraktionsspitze abge-sprochen. Insofern ist denkbar, dass Hansen und andere Abgeordnete tatsächlich auch nichts über den Inhalt des Arbeitsvertrags wussten. Die Fraktionschefin schimpft, Engel habe die Partei in eine „unmögliche Situation“ manövriert; man habe keine andere Wahl gehabt, als den Vorgang der Staatsanwaltschaft zu melden. Aber auch wenn Hansen den Vertrag und seine Umstände nicht näher kennt: Der frühere Generalsekretär Félix Eischen, Mitglied der Fraktion, hat ihn unterschrieben. Der Zeitpunkt der Enthüllung lässt keine andere Lesart zu, als dass Eingeweihte Stillschweigen gewahrt haben … Bis jetzt.

Die Transparenz, die Hansen nun einfordert, klingt überdies nicht überzeugend. Um als radikale Aufklärerin zu überzeugen, müssen die Fraktionschefin und andere umgehend Schadensbegrenzung betreiben und alle Fakten auf den Tisch legen. Darunter auch die Umstände zum juristischen Gutachten. Die Stille danach, die bis auf Hansens kurze Intervention am Mittwoch auf RTL, anhält, ist ohrenbetäubend und unterstreicht die Führungsschwäche der Partei: Warum hat noch immer keine/r eine Gegenkandidatur angekündigt? Derweil geht der angeschlagene Präsident in die Offensive und lädt zu einer Pressekonferenz ein. Soviel Chuzpe muss man erstmal haben.

Der Schaden ist angerichtet, aus der Affäre kommt niemand mehr heil heraus. Das Bild, das die Partei nach außen abgibt, ist desolat: Die Art und Weise, wie sich Parteipräsident und Fraktion bekämpfen, offenbart eine erschreckende Partei(un)kultur, wo Feindschaft, Egoismus, gar Feigheit regieren – statt Transparenz, Mut und ein gemeinsames Ziel.

Ironischerweise war die mangelnde Transparenz des CSV-Frëndeskrees manch einem schon früher ein Dorn im Auge. Gegründet wurde der Verein, um darüber die Miete der CSV-Büros abzuwickeln. Seine genaue Zusammensetzung war nicht bekannt. Der Zugang war einem inneren Zirkel vorbehalten; der Parteipräsident und der Generalsekretär waren automatisch Mitglieder. Es war die christlich-soziale Jugend CSJ, die 2015 Transparenz gefordert hatte und den Verein in eine Stiftung zu überführen. Damals wollte das niemand aus der Parteiführung hören. Die Entscheidung wurde vertagt, die geforderte personelle und programmatische Rundum-Erneuerung fand, wie wir wissen, nicht statt. Heute bezahlt die größte Volkspartei für ihre Zögerlichkeit von damals, das Beharren auf verkrusteten Strukturen und bereits gesetzten Gesichtern einen sehr teuren Preis.

Ines Kurschat
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