Nun, da die Parteien aufgeregt ihre Wahlprogramme und Kandidatenlisten fertigstellen, bemühen sie sich zunehmend, ihre Wählerschaft mit pointierteren Aussagen auf sich aufmerksam zu machen. Doch längst sind sie unfähig geworden, politisch zu überlegen. Dank Meinungsumfragen, Werbeagenturen und sonstigen Politologen räsonieren sie nur noch in den Kategorien der zwischen Coca und Pepsi, BMW und Audi unterscheidenden Werbewirtschaft. Deshalb glauben sogar die Klügeren, dass Staatsbürger Politikkonsumenten seien, die nach der entsprechenden Werbung mit Postwurfsendungen und Hohlkammerplakaten auf einem „Wahlen“ genannten Markt zwischen schwarzen, roten, blauen und grünen „Politikangeboten“ wählten. Folglich nennen sie den Rückgriff auf pointiertere Aussagen im Jargon der Markenwerbung „das Profil schärfen“.
Das ist selbstverständlich gar nicht so einfach. Denn so gut wie alle Parteien haben die drei „M“ von Marktwirtschaft, Menschenrechten und Mülltrennung als unüberwindbaren politischen Horizont verinnerlicht, hinter dem sich bestenfalls Horden von Barbaren tummeln, die zwecks Entradikalisierung dem Werteunterricht, dem Zentrum für politische Bildung und sonstiger Gedankenpolizei überantwortet gehören. Schließlich haben sie sich vor drei Jahren gemeinsam an die goldene Fessel von Defizitbremse, mittelfristigem Haushaltsziel und Korrekturautomatismus gelegt. Die Suche nach mäßig schrillen, ein „Alleinstellungsmarkmal“ auf dem Politikenmarkt versprechenden Ansichten ist also leichter gesagt als getan.
Als Volkspartei hat die CSV eine lange Erfahrung darin, alles zu versprechen und sein Gegenteil, um die widersprüchlichsten Interessen von Unternehmern, Mindestlohnbeziehern, Landwirten, Anwälten, Staatsbeamten und Betschwestern unter einen Hut zu bringen, die Notabeln-Dunn einer großen auf Sicherheit bedachten Volksfamilie. Sie hat aus vier Jahren Meinungsumfragen gelernt, dass es ihre erste Aufgabe ist, nichts oder nichts falsch zu machen, dann würde ihr die Macht von selbst wieder in den Schoß fallen. CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler müht sich gerade ab, gleichzeitig so unternehmerfreundlich wie die DP zu sein und wie die Grünen Ängste vor einem weiteren Anwachsen des Arbeitskräftereservoirs zu schüren.
Um so unternehmerfreundlich wie die DP zu erscheinen, drischt der virtuelle LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider in einem Interview in dieser Zeitung auf die Grünen ein und verspricht gleichzeitig eine Mindestlohnerhöhung, um die Wählerschaft seiner Partei bei Laune zu halten. Denn er hat zwar als einiziger ein politisches Zukunftsmodell im Angebot, aber er hat es bei dem amerikanischen Wunderheiler Jeremy Rifkin gekauft und seine Parteibasis hält es für eine weltfremde Spinnerei.
Die DP, deren mittelständische Stammwählerschaft stets zu klein ist, um Wahlen zu gewinnen, sucht noch immer verzweifelt, wie sie die 2013 von der CSV zu ihr übergelaufenen Wechselwähler halten kann. (Es wird ihr kaum gelingen.) Einstweilen erinnert sie sich und die Wähler daran, dass sie, Zukunftspak hin oder her, längst vor der CSV eine Steuersenkungspartei war. Während die Grünen der CSV nicht kampflos das Schlachtfeld der malthusianistischen Wachstumsdebatte überlassen wollen, denn beide versprechen, dass alles im Großherzogtum so bleiben kann wie es ist, bloß dass die einen das schamhaft „konservativ“, die anderen stolz „nachhaltig“ nennen.
Doch am Ende sorgen das strenge Verhältniswahlrecht und der daraus erwachsene Zwang zu Koalitionsregierungen dafür, dass kein Profil so scharf gewalzt wird, dass es nicht kompatibel bleibt. Womit sie ihren Zweck wieder erfüllt haben werden.