Während die Van-Rompuy-Task-Force, unter Vorsitz des gleich-namigen ständigen Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy vergangene Woche auf der Suche nach Reformmöglichkeiten für den Stabilitätspakt und der wirtschaftlichen Koordinierung in der EU zum fünften Mal tagte und ihre Ergebnisse erst später diesen Monat den EU-Regierungschefs vorlegen will, hat die EU-Kommission zeitgleich ihre Vorschläge vorgestellt und damit die Task Force überflüssig gemacht. Weil Luxemburg auch in Krisenzeiten eine vergleichsweise niedrige Verschuldung aus-weist und als einziges EU-Land noch die Defizitvorgaben des Stabilitätspakt einhalten kann, dürfte hierzulande weniger die im Legislativpaket der Kommission vorgeschlagenen, schnelleren und schärferen Defizitsanktionen interessieren als „das neue Konzept der vorsichtigen Haushaltspolitik“ sowie das ebenfalls neue „Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht“, kurz EIP für excessive imbalance procedure.
Die „vorsichtige Haushaltspolitik“, zu der die Mitgliedstaaten angehalten werden sollen, „dürfte eine Annäherung an das mittelfristige (Haushalts-) Ziel sicherstellen“, teilt die Kommission mit. Damit tut sich Luxemburg etwas schwerer als mit der Einhal-tung der Defizitregeln. Denn im Rahmen der elften Aktualisierung des Stabilitäts- und Wachstumsprogramms, die das Finanzminis-terium im Januar nach Brüssel schickte, wurde das mittelfristige Haushaltsziel von einem Defizit von 0,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) auf einen Überschuss von 0,5 Prozent angehoben, um der demographischen Entwicklung und dem damit einhergehenden impliziten Finanzierungsbedarf des Sozialversicherungs-wesen Rechnung zu tragen. Würde dieses Ziel – ein Überschuss von 0,5 Prozent – erreicht, wäre der durch die Alterung der Bevölkerung entstehende zusätzliche Finanzierungsbedarf im Rentensystem bis 2040 gedeckt, meinte das Finanzministerium. Kommission und EU-Finanzminister waren anderer Meinung: „Angesichts der jüngsten Projektionen und Schuldenstände scheint dieses mittelfristige Ziel den implizit mit der Bevölkerungsalterung verbundenen Verbindlichkeiten nicht in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen (...). Dem Programm zufolge wird das mittelfristige Ziel nicht innerhalb des Programmzeitraums (2009 bis 2014, Anmerkung der Redaktion) erreicht werden“. Die Kommission will solch unvorsichtige Länder künftig verwarnen. „Während der präventiven Komponente sollten erhebliche Ab-weichungen von einer vorsichtigen Haushaltspolitik eine verzinsliche Ein-lage nach sich ziehen“, heißt es weiter. Wer nicht freiwillig spart oder das Rentensystem reformiert, soll dazu gezwungen werden.
Werden übermäßige Ungleichgewichte im Verhältnis zu den anderen Eurostaaten auf Basis eines Satzes ökonomischer Indikatoren festgestellt, wird die excessive imbalance procedure eingeleitet. „Diese Indikatoren sind die gleichen, auf die ich regelmäßig hinweise“, warnt Zentralbankchef Yves Mersch. Also die Entwicklung der Gehälter, (die in Luxemburg schneller als ist, als sonst wo in der EU), die Lohnstückkosten (die in Luxemburg vergleichsweise hoch sind), die Zahlungsbilanz (die, weil Luxemburg Konsumgüter im- und Dienstleistungen exportiert, nicht im Gleichgewicht ist). So kritisierten die EU-Finanz-ministerkollegen beim informellen Treffen vergangene Woche auch prompt die zu starke Lohnentwicklung in Luxemburg, die große Abhängigkeit der Staatsfinanzen von der Finanzbranche und das zu frühe Renteneintrittsalter. Der andere Mr. Euro, Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB, griff das Indexsystem an.
Konnte ein solche Einmischung von außerhalb bislang mit einem Schulterzucken abgetan werden, soll das nach Vorstellung der Kommission anders werden. „...ein Mitgliedstaat des Euroraums, der es wiederholt versäumt, auf Empfehlungen des Rates zur Beseitigung übermäßiger Ungleichgewichte zu reagieren, (wird) auch im Rahmen einer EIP eine jährliche Geldbuße in Höhe von 0,1 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes zahlen müssen.“ Angesichts der Indikatoren dürfte Luxemburg einer der Top-Kandidaten für ein solches Verfahren sein.
Der Luxemburger Finanzminister Luc Frieden (CSV) und der Zentral-bankchef Yves Mersch sind für ein solches Verfahren. „Wenn wir den Griechen sagen wollen, sie dürften nicht mehr mit 50 in den Ruhestand gehen, wenn die Leute anderswo in Europa mit 67 gehen – außer in Luxemburg –, dann müssen andere Länder uns auch sagen dürfen, dass wir über unseren Finanzplatz nicht ihre Steuermittel in unseren Haushalt schleusen können, damit wir weniger arbeiten müssen“, fasst Mersch zusammen. Ob das Verfahren wegen exzessiver Ungleichgewichte je Realität wird? „Verschiedene Länder sind gegen jede Art von Sanktionen“, resümiert Mersch die Gespräche vergangener Woche. „Ich bin dafür. Aber es wird ganz schwierig“, sagt seinerseits Frieden, über die Aussichten auf eine Einigung auf das Verfahren. „Weil man nicht immer alles gleich bemessen und vergleichen kann.“ Er muss es wissen. Wer kennt sich mit Meinungsverschiedenheiten über die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten von Statistiken besser aus als Teilnehmer an den Luxemburger Tripartite-Gesprächen? ms