Maybach ist wieder da als Mercedes-Maybach

Die Wiederauferstehung

d'Lëtzebuerger Land du 22.01.2016

Wenn es um die Kundschaft des neuen Mercedes-Maybach S500 oder S600 geht, hält sich Mercedes Luxemburg gerne ganz bedeckt. Nicht einmal sagen, wie viele man von dem exquisiten Luxusliner bisher verkauft hat, will man dort – obwohl das Statistikinstitut Statec Monat für Monat die Neuzulassungen nach Marken aufschlüsselt.

Bisher sind in Luxemburg noch keine Zulassungen neuen Maybach registriert worden. Die letzten datieren von 2011 und 2012. Als historische Marke von 1921 bis 1942 wurde Maybach 1960 von Daimler-Benz gekauft und 2002 von Mercedes wiederbelebt. Aber das als Chauffeur-Limousine konzipierte Fahrzeug verkaufte sich schlecht. Weltweit stagnierten die Neuzulassungen bei rund 200 Einheiten pro Jahr. 2013 kündigte Daimler-Chef Dieter Zetsche die Einstellung der Maybach-Produktion ein, die bis dahin unterm Strich ein Verlustgeschäft gewesen sei.

Doch jetzt ist der Mercedes-Maybach wieder da. Und die zwei Jahre Verschnaufpause zur Generalüberholung haben dem Fahrzeug, sagen Kenner, gut getan. Weltpremiere hatte der neue Mercedes-Maybach im November 2014 auf der Los Angeles Auto Show. Er ist die bisher luxuriöseste S-Klasse der Geschichte: Mit um fast 21 Zentimeter verlängertem Radstand gegenüber der Langversion der normalen S-Klasse und viel Chrom und Stahl; vor allem aber das edle Holz und das weiche Nappaleder im Erste-Klasse-Fond machen das Fahrzeug zu einer Luxuslimousine.

Wobei das Wort „Luxus“ von der Mercedes-Marketing-Abteilung lieber nicht verwendet wird. Schließlich gilt Luxus in Europa schnell als anstößig und verpönt, da ist es bis zur Protzerei nicht weit. „Die Kundschaft, die wir damit ansprechen, sucht Exklusivität und technischen Fortschritt auf höchsten Niveau“, beschreibt Pressesprecherin Melanie Eberhard von Mercedes Luxemburg die Zielgruppe.

So exklusiv, dass man in Luxemburg auch keinen Mercedes-Maybach vorrätig hat. „Wer wirklich Kaufinteresse hat, für den werden wir alles Nötige veranlassen, damit er sich das Fahrzeug in Ruhe anschauen kann“, lässt Eberhard wissen. Mit Preisen ab 135 400 Euro (inklusive 17 Prozent Mehrwertsteuer) für den S500 Maybach mit 455 PS starkem Achtzylinder-V-Motor sowie ab 187 841,50 Euro für den S600 mit 530 PS starkem Zwölfzylinder-V-Motor ist die Maybach-Klasse zwar beinah ein Schnäppchen unter den Chauffeur-Limousinen, aber in Stuttgart-Sindelfingen, wo der Maybach von 36 Mann gefertigt wird, ist das immer noch der Preis einer Zwei- oder Drei-Zimmer-Wohnung.

Für die Normalsterblichen und neugierigen Autofans gilt: Auf zur Automesse ins 200 Kilometer entfernte Brüssel, dort ist der Mercedes-Maybach noch bis zum 24. Januar sehen. Aber selbst da befindet sich das Prestigeobjekt in einer schwarzen halboffenen Box, etwas abgeschirmt vom hektischen Trubel. Regelmäßig wird der dreizackige Stern nachpoliert.

Denn das ist auch neu: Statt dem doppelten Maybach-Emblem prangt auf dem Kühler und dem Heck das Markenzeichen aller Mercedes-Fahrzeuge. „Maybach ist die Luxusvariante und ist der Konkurrenz in dem Preis- und Leistungssegment überlegen“, sagt Chefingenieur Hermann-Josef Storp in einem Video selbstbewusst. Auf dem Heck steht weiterhin in eleganten Buchstaben Maybach geschrieben. Das MM-Logo wurde zudem auf die C-Säule direkt neben das dreieckige Fondfenster gesetzt. Auch im Interieur darf ein dezentes Logo nicht fehlen.

Dass äußere Understatement ist gewollt: Nicht Protzen, sondern mit zurückhaltender Eleganz und vor allem Leistung punkten, lautete das Ziel der Ingenieure – was aber nicht verhindert hat, dass der britisch-zypriotische Investmentbanker Theo Paphitis mit einem goldenen Maybach 62S aus der Vorgängerserie gesichtet wurde. Auf der Straße ist der Mercedes-Maybach lediglich durch seine größere Länge (der im Juni vorgestellte Pullman mit Vis-à-Vis-Sitzanordnung ist mit 4,4 Metern Radabstand das absolute Spitzenmodell in dem Segment) und für Kenner durch den großen glänzenden Chrom-Kühlergrill und die Chrom-Doppelspangen zu erkennen. Mercedes bietet den Maybach bewusst als edle Ausstattungsvariante der S-Klasse an.

Dafür haben die Schwaben die S-Klasse sozusagen noch einmal veredelt und aufgerüstet. Wer einmal im Fond gesessen hat, schwärmt neben der Beinfreiheit vor allem von der Ruhe: Daimler behauptet gar, der Mercedes-Maybach sei der leiseste Luxusliner seiner Art. Dafür sorgen neben der Geräuschdämmung, die es bereits in den S-Klasse-Dieselmodellen in Serie gibt, Dämpfungen in der Reifenkarkasse: Sie sind von innen aufgeschäumt, was Eigengeräusche extrem reduziert. Außerdem tragen intelligent gesetzte Hohlräume in der Fond-Karosserie, ein abgekapselter Motor und großzügige Schlauchprofildichtungen an den Türen dazu bei, dass Fahrgeräusche draußen bleiben und der Passagier sich wie in einem sanft dahin gleitendem ICE fühlen darf. Das aktive Fahrwerk, in PR-Sprache Magic-Body-Control, erfasst per Sensorkamera eventuelle Unebenheiten der Straße vor dem Wagen und stellt die Federung darauf ein, so dass Löcher und Dellen weitgehend abgedämpft werden.

Dazu kommen die neusten technischen Errungenschaften und Assistenzssysteme. Im Maybach gibt es selbstverständlich Video, W-Lan und ein Super-Sound-System von Burmester mit filigran-ästhetischen Lautsprechern. Damit sich Fahrgäste auf Wunsch mit dem Chauffeur verständigen können, ist eine Gegensprechanlage eingebaut. Schön anzusehen ist das Panoramadach und die Ambiente-Beleuchtung im Innenraum, die je nach Geschmack in sanftes Blau, flammendes Rot oder Lila geschaltet werden kann. Individualität ist noch so ein Stichwort, mit dem Daimler sein edelstes Stück bewirbt.

Auf wie im Jetliner herausklappbaren beschichteten Alutischen können Staatsmänner, Banker und andere VIP ihre Unterlagen sichten oder Laptops positionieren. Wahlweise kann dabei auch an Champagner aus handgefertigten silbernen Kelchen für den läppischen Aufpreis von 2 000 Euro genippt werden, oder an Wasser, das sich je nach Jahreszeit und persönlichem Gout sowohl erhitzen oder auch kühlen lässt.

Für Frauen gilt das anscheinend weniger: In dem ganz bescheiden mit Mozarts Kleiner Nachtmusik untermalten Werbefilm kommen sie weder als Fahrerinnen noch als Fahrgäste vor. Aber das entspricht ja auch der Realität: Bei der Besetzung von Führungspositionen nimmt der erfolgsverwöhnte Auto-Weltkonzern mal keine Vorreiterrolle ein.

Der Hauptabsatzmarkt liegt ohnehin nicht hier in Europa: „Wir exportieren vor allem nach China und Amerika“, sagt Melanie Eberhard. Eigens für die chinesischen Käufer hat Maybach eine besondere Form der Felgen im Sortiment: von erklärten Mercedes-Fans auch liebevoll „Gullideckel“ genannt. In Amerika, dem zweitgrößten Markt für diese Art Autos, ist dagegen die Vielspeichenfelge gefragt. Sie wurde der sportlichen Mercedes-AMG-Performance-Reihe entnommen und dann für die Maybach-Version überarbeitet. Ebenfalls für den chinesischen Markt gibt es die kleinere S400-Variante mit 6V-Motor und 306 PS Leistung.

In Luxemburg wird es diese Version also ganz sicher nicht zu sehen geben. Aber wer weiß, wer die Augen aufhält und sich an die richtigen Orte begibt, wird vielleicht fündig und kann doch einen Blick auf die edle Marke werfen. Mindestens zwei Maybach-Luxusliner sollen sich im Land befinden. Entgegen hartnäckigen Gerüchten jedoch besitzt der Großherzog keinen Maybach.

Ines Kurschat
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