Am 2. Januar ist es so weit: Dann müssen, wie die EU-Wasser-rahmenrichtlinie es will, die Preise für Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung kostendeckend sein. Doch ob der „Wasserpreis“ für einen Kubikmeter – Trink- und Abwasser eingeschlossen – landesweit tatsächlich um 5,50 Euro oszillieren wird, ist noch nicht richtig abzusehen.
Die fünfeinhalb Euro hatte der für die Wasserwirtschaft zuständige Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) Anfang des Jahres im parlamentarischen Innenausschuss genannt. Damals zeichnete sich ab, dass vor allem in Landgemeinden mit relativ wenig Wasserkunden die Fixkosten für die Infrastruktur und ihren Betrieb sich im Endpreis zwei bis drei Mal stärker bemerkbar machen könnten als in den Städten. So manche Nordgemeinde veranschlagte ihren künftigen Wasserpreis für Haushalts- und Kleingewerbekunden provisorisch auf neun Euro oder mehr. In der Hauptstadt oder in Esch/Alzette zahlt man halb so viel. Und dort ist die Kostendeckung schon jetzt erreicht.
An diesem Nord-Süd- und Stadt-Land-Gefälle hat sich heute, wo die meisten Gemeinden ihre Kalkulationen beim Wasserwirtschaftsamt im Innenministerium eingereicht haben, noch nicht viel geändert. Kein Wunder, denn „bis 2008 gab es bei uns 130 verschiedene Wasserpolitiken“, sagt der Innenminister dem Land. 130, das ist die Zahl der Gemeinden plus die Wassersyndikate, und laut Kommunalgesetzgebung sind Wasser und Abwasser nun mal Gemeindesache. Hinzu komme, so der Minister: „In Teilen des Landes sind die Netze einfach schlecht, und von den Quellbohrungen sind drei Viertel älter, als sie sein dürften. Über hundert Jahre, das muss man sich mal vorstellen!“ Resultat: um so höhere Infrastrukturkosten. Infrastrukturinvestionen subventioniert der Staat zwar zu 75 Prozent, aber das gilt nur für Neu-investitionen. Die wiederum müssen mit ihrem „Wiederbeschaffungswert“ im Gemeindehaushalt abgeschrieben werden. „Wer jetzt eine Kläranlage mit Staatshilfe baut, muss dafür sorgen, dass er in 28 Jahren genug Geld im Budget stehen hat, um diese Anlage dann aus eigener Kraft zu ersetzen.“ Vor einer Woche hat der Düdelinger député-maire und LSAP-Vorsitzende Alex Bodry sich über dieses Prinzip beklagt und vor starken Anstiegen bei den Abwasserpreisen gewarnt. Bekannt ist dieses Prinzip jedoch seit den Debatten um das Wassergesetz.
Halsdorf und sein Wasserwirtschaftsamt versuchen nun in der Not, die Gemeinden zu beraten, damit diese bei der Berechnung der Preise Spielräume zugunsten der Verbraucher nutzen. Und wenn sich besondere „geografische Gegebenheiten“ stellen, etwa eine großflächige Landgemeinde mit stark ausgedehntem Netz, aber wenig Verbrauchern, gestattet das Ministerium Ab-schläge. Dass der Staat die „geografischen Gegebenheiten“ mit Zuschüssen landesweit kompensiert, wird zumindest 2011 noch nicht der Fall sein. 20 bis 25 Millionen könnte der Ausgleich kosten, mit dem man einer Art „Einheitspreis“ von 5,50 Euro nahe kommen könnte, hatte Halsdorf im Januar geschätzt. Doch bisher haben nur 70 Prozent der Gemeinden über ihre „Gegebenheiten“ informiert.
Freilich hat der Wasserpreis das Zeug zum Politikum. Einerseits weil nächstes Jahr Gemeindewahlen sind, andererseits weil vor allem die Bauernschaft die CSV immer wieder daran erinnert, einen „Einheitspreis“ versprochen zu haben. Ein Euro pro Kubik-meter sollte ein Landwirt bezahlen müssen, hat die Bauernzentrale, der größte Bauernverband im Lande, erst kürzlich wieder verlangt, und kommenden Mittwoch beim „Agrargipfel“ mit Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) erwartet die Bauernzentrale sich eigentlich klare Worte zum Wasser.
Doch wenngleich das Wassergesetz vorschreibt, für Kleinkunden zum einen, die Landwirtschaft zum zweiten, und drittens für in-dustrielle Großverbraucher verschiedene Preise zu bilden, liegen „Einheitspreise“ noch in weiter Ferne. Notfalls wird eine Gemeinde den Wasserpreis der Bauern aus ihrem Kommunalhaushalt subven-tionieren dürfen, sagt der Innenminister nun. Die Gemeinde Mamer etwa geht diesen Weg.
Noch mehr Angleichung in den Preisen wäre kurzfristig wohl nur zu haben, falls im Wasser- und im Abwasserbereich jeweils nur ein Akteur tätig wäre, meint der Minister. Aktiv voran treibt er diese Entwicklung aber nicht: Die neue Realität der Kostendeckung solle zunächst ihre Wirkung entfalten. Alles Weitere ergebe sich durch „Learning by doing“ und Beratung durch das Ministerium.