Eigentlich hatte der parlamentarische Innenausschuss vergangene Woche mit Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) auch über Wasserschutz reden wollen. Denn wenn in den Gemeinden derzeit so viel über die neuen Wasserpreise diskutiert wird, die laut EU-Wasserrahmenrichtlinie in Zukunft „kostendeckend“ erhoben werden müssen, dann droht eine andere zentrale Bestimmung dieser Richtlinie zu kurz zu kommen: Oberflächengewässer und Grundwasser sollen einen „guten ökologischen Zustand“ aufweisen, und zwar bis 2015. Eigentlich.
Einen ganz aktuellen Anlass zur Wasserschutzdiskussion gibt es obendrein: Im November hatte sich gezeigt, dass eine Trinkwasserquelle, aus der die Gemeinde Beaufort versorgt wird, durch Herbizidrückstände belastet war. Seitdem ist dort die Wasserentnahme nur noch aufgrund einer Ausnahmegenehmigung möglich und es gilt die Empfehlung, nicht zu viel von dem Wasser zu trinken.
Doch dann debattierten Minister und Abgeordnete wieder nur über die Preisbildung. Wobei Halsdorf nicht genau sagen konnte, wie er sich den Weg hin zu dem „Einheits-preis“ vorstellt, den die CSV seit 2008 verspricht. Dass er eine „Politik der kleinen Schritte“ ankündigte, stieß nicht nur bei Oppositionsvertretern im Ausschuss auf Erstaunen. Denn nicht nur soll das Full cost-Prinzip beim Wasserpreis allerspätestens am 2. Januar 2011 angewandt werden. Bis dahin muss zum Beispiel auch klar sein, was zum einen Haushaltskunden, zum zweiten der Landwirtschaft und zum dritten Großabnehmern aus der Industrie in Rechnung gestellt werden soll.
Die Gemeinden erhoffen sich auch hierfür Hilfe aus dem Innenministerium. Können doch im ländlicher geprägten Norden die Wasser-Gestehungskosten, die vor allem Netzkosten enthalten, zum Teil um den Faktor drei höher sein als im Zentrum und im Süden (d’Land, 8.1.2010). Den im Norden raren Großabnehmern könnten daraus derart hohe Endpreise entstehen, dass sie zu einem regelrechten Standortfaktor würden. In dem Fall wäre es wichtig, ein paar Prinzipien der neuen Wasserwirtschaft zu klären: Soll es beispielsweise möglich sein, Industrie oder Landwirtschaft zuliebe, von Haushaltskunden höhere Preise zu verlangen? Vor zwei Jahren hatte der Innenminister klar gemacht, beim Wasserpreis habe das „Äquivalenzprinzip“ zu gelten: Die Preise sozial zu staffeln, könne durch Kostenumverteilung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schaden, erklärte er am 21. April 2008 auf eine parlamentarische Anfrage hin.
Nun jedoch fragt sich, wie Vorzugspreise für Industrie und Landwirtschaft gewährt werden können – das Wassergesetz ist so konsequent, dass es Quersubventionen für andere Sektoren durch Haushaltskunden ebenso ausschließt wie sozial gestaffelte Preise. In manchen Gemeinden aber tragen Bauernbetriebe 40 Prozent zum Wasserverbrauch bei. Ihnen einen Vorzugstarif anzubieten, wäre kaum denkbar ohne eine Mehrbelastung von Kleinkunden.
Darum drehen sich derzeit Berechnungen im Innenministerium: Weil nunmehr 26 der 116 Gemeinden ihre Wasserpreiskalkulationen nach dem Kostendeckungsprinzip eingereicht haben, zeichnet sich ab, dass landesweit ein Preis von im Schnitt insgesamt 5,50 Euro für Wasser und Abwasser – die neu eingeführten Staatstaxen inklusive – entstehen könnte. Wie sich „Ausreißer“ wie jene Nordgemeinden, die mit Wasserpreisen von acht, neun oder gar elf Euro rechnen, dort einfügen können, ist die Frage nach der Anwendung von Artikel 12, Absatz 4 des neuen Wassergesetzes, der festlegt: „Les redevances peuvent être fixées en tenant compte des conséquences environnementales et économiques des coûts ainsi que des conditions géographiques de la région concernée.“ Ausgleichszahlungen aus dem Staatshaushalt sollen möglich sein.
Halsdorf sprach im Innenausschuss davon, dass bei einem theoretischen Einheitspreis von 5,50 Euro ein jährlicher Finanzierungsbedarf von 20 bis 22 Millionen Euro bliebe, um auch in Hochpreisgemeinden den 5,50 Euro nahe zu kommen. Fragt sich jedoch, für welche Anteile am Preis Ausgleichszahlungen „geografisch bedingt“ möglich sein sollen, und inwiefern „unterhaltsbedingt“: Mancherorts wurde die Wasserinfrastruktur jahrelang vernachlässigt, so dass es Leckverluste gibt und Wasser zugekauft werden muss. Werden solche „unterhaltsbedingten“ Mehrkosten aber zu großzügig kompensiert, könnte das politisch als Signal verstanden werden, die Netze nicht zu renovieren.
Offen ist aber auch nach der Sitzung von vergangener Woche noch, ob der Staat den ganzen Fehlbetrag übernehmen würde. Eine Antwort darauf vermied der Minister. Doch dass zwischen den Gemeinden eine Art Lastenausgleich organisiert werden könnte, ist unwahrscheinlich. In den großen Städten wird auf Nachfrage entweder geltend gemacht, dass über die Kosten der Landgemeinden zu wenig Transparenz herrsche, oder erklärt, ein solcher Lastenausgleich sei undenkbar ohne allgemeine Gemeindefinanzreform. Vielleicht hat der Innenminister ja deshalb nie die Initiative dazu ergriffen. Fragt sich nur, wer zahlt.
Unterdessen nehmen die Provokatio-nen zu, die Halsdorf zum Handeln drängen sollen. Nachdem die CSV-regierte Gemeinde Mamer Anfang Dezember ihren Bürgern versprach, ein kostendeckender Preis werde ihnen bis zu den nächsten Gemeindewahlen nicht mehr abverlangt, wurde im LSAP-regierten Wiltz vergangene Woche ein sozial gestaffelter Wasserpreis eingeführt. Bürgermeister Frank Arndt erklärte stolz, Streit mit dem Innenministerium sei einkalkuliert.