„Ich möchte dass andere Menschen sehen, dass es Kinder wie mich gibt.“ So begründet die zehnjährige Polly, warum sie bei Mädchenseele mitgemacht hat. Der Film steht im Mittelpunkt einer Fortbildung zum Thema Transidentitäten, die am Donnerstag im Walferdinger Lehrer-Weiterbildungszentrum Ifen stattfand – und die Teil einer Öffnung der erzieherischen Berufe in Luxemburg ist für die Problematik von trans- und intersexuellen Kindern und deren Eltern. Der dokumentarische Kurzfilm beschreibt die Herausforderungen, die Trans-Kinder und deren Eltern, in diesem Fall Polly und ihre Mutter Phine, bewältigen müssen. Eigene Ängste, Verunsicherung und Zweifel als Eltern das Richtige für das eigene Kind zu tun, bürokratische Hürden, rigide Prozeduren und unflexible Institutionen sowie allgemein mangelndes Verständnis erschweren ein unbeschwertes Aufwachsen der Betroffenen. Das hielt bereits der Zusatzbericht zu trans- und intersexuellen Kindern der Luxemburger Kinderrechtsplattform Radelux von 2013 fest.
„Es ist wichtig, dass Erzieher und Pädagogen so früh wie möglich erfahren, dass es Trans-Kinder gibt und wie sie mit ihnen umgehen können“, betont Phine, Pollys Mutter. Dass es Menschen gibt, die nicht (eindeutig) einem geborenen Geschlecht zuzuordnen sind, respektive sich nicht zuordnen lassen wollen, war und ist in Gesellschaften undenkbar, die streng entlang der binären weiblich-männlichen Geschlechterordnung aufgebaut sind. Das Phänomen wurde und wird tabuisiert, so dass für Betroffene mit der Selbstfindung oft ein beschwerlicher und traumatischer Leidensweg verbunden ist. Zumal Medizin und Psychiatrie, Transsexualität als Geschlechts-
identitätsstörung bezeichneten, an deren Ende der operative Eingriff, die Geschlechtsangleichung, quasi zwingend zu erfolgen hatte.
Es ist das Verdienst des Interessensvereins Intersex & Transgender Luxemburg, dass sich Öffentlichkeit und Politik zunehmend für das Wohl von Trans- (und Inter-) Kindern öffnet. Im April 2015 hatte der Europarat eine Resolution unter Mitwirkung von ITGL und unter Vorsitz von Anne Brasseur gegen die Diskriminierung von Trans-Personen verabschiedet. Im November 2016 unterschrieb Erziehungsminister Claude Meisch den Call for action on homophobic and transphobic violence der UN-Organisation Unesco, laut dem sich die Unterzeichner dafür einsetzen, eine Umgebung in Kindergärten, Schulen und anderswo zu schaffen, in der alle Kinder gesund und frei von Stigmatisierung und Diskriminierung aufwachsen können.
Im Oktober 2017 luden Erziehungs- und Familienministerium zur Konferenz ein, um über eine gemeinsame Strategie zur inklusiven Erziehung von lesbischen, schwulen, trans- und intersexuellen Kindern zu beraten. Allerdings sind Trans- und Intersexualität keine sexuellen Orientierungen; es geht um die geschlechtliche Identität. Trans-Menschen können, wie alle Menschen, hetero-, homo-, bi- oder auch asexuell sein. Die Weiterbildungen für erzieherisches Personal, die das Ifen in Zusammenarbeit mit ITGL organisiert und zu der sich 120 TeilnehmerInnen angemeldet haben, sind Teil dieser Strategie, die in einen nationalen Aktionsplan münden sollen.
Wie weit das Phänomen Transidentität in Luxemburg verbreitet ist, ist derweil unklar. Justizminister Félix Braz ging im Mai 2017 von geschätzten 3 700 Betroffenem aus. Eine intersexuelle Person sei bisher nicht bekannt. Die interministerielle Plattform LGBTI, die von Familienministerium seit 2015 koordiniert wird und in der Vertreter aus Ministerien, Kinderrechtsgruppen und Betroffene sitzen, ist nach eigenen Aussagen bemüht, die Datenlage zu verbessern. Bisher ohne konkretes Ergebnis.
Dafür liegt ein erster Draft für den Aktionsplan LGBTI vor, der derzeit in der Arbeitsgruppe diskutiert wird. Darin sollen alle Projekte Eingang finden, die den Abbau von Diskriminierungen von Lesben, Schwulen, trans- und intersexuellen Menschen zum Ziel haben. Unter anderem ist eine Sensibilisierungskampagne geplant. Auch im Aktionsplan Sexualerziehung wird das Thema LGBTI aufgegriffen. Damit rücken die Rechte von Trans- und Intersexuellen erstmals in den Fokus einer koordinierten Vorgehensweise. Justizminister Braz hatte im Dezember einen Entwurf vorgelegt, der Änderungen zum Geschlecht im Personenstandsregister vereinfachen soll (d’Land vom 19. Mai 2017). Die rechtliche Situation intersexueller Menschen soll in einem nächsten Schritt verbessert werden: Familienministerin Corinne Cahen hatte sich im Oktober ausdrücklich gegen operative Eingriffe an nicht zustimmungsfähigen Minderjährigen ausgesprochen.
Ebenso wichtig ist der Abbau von Hindernissen und Vorurteilen in Schule und Kindergarten. Unaufgeklärte Erzieher und Lehrer können unbeabsichtigt dazu beitragen, dass Trans-Kinder zusätzlich traumatisiert werden, wenn sie etwa Opfer von Zwangsouting, Mobbing, Gewalt oder weiteren Diskriminierungen werden. Eine Untersuchung der John-Hopkins Universität in Maryland stellte 2016 fest, dass Transgender-Personen und andere sexuelle Minderheiten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung öfters an Depressionen leiden, häufiger Angstzustände haben und zudem öfter Selbstmord begehen. Das muss nicht sein: Eine Studie der University of Washington in Seattle/USA kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Trans-Kinder nicht zwangsläufig unglücklich sein müssen. Vielmehr hängt ihr Wohlbefinden entscheidend davon ab, ob und wie sie von ihren Eltern und ihrem Umfeld unterstützt werden. Ines Kurschat