Wie aus dem Nichts tauchte vor Jahrhunderten im Ösling das geheimnisvolle Wesen auf, wütete oder sorgte für Gerechtigkeit. Mit De Jas legten Szenarist Jean-Louis Schlesser und Grafiker Marc Angel vor rund zwei Jahren eine fantasievolle Graphic Novel vor, inspiriert an der Sage von Nicolaus Gredt aus dem Luxemburger Sagenschatz. Wer den ersten Band von De Jas liest, bekommt die Figur nicht ganz zu fassen. War die Sage um das Jasemännchen noch ein luxemburgisches Märchen, so ist De Jas seit dem Erscheinen der Graphic Novel zur Kultfigur geworden: mutig, schillernd und subversiv. Und das liegt nicht nur an dem extravaganten Pinselstrich des Zeichners und seinen schwarzen Tuschezeichnungen, sondern auch an dem politischen Potenzial, das sich erst im Folgeband De Jas kënnt zréck. Déidlech Allianz voll entfaltet. Rund ein Jahr lang hat Marc Angel an dem Band gearbeitet, der abermals auf Luxemburgisch und Französisch erschienen ist.
Im zweiten Band der Graphic Novel kehrt der Jas während der deutschen Besatzung in Luxemburg zurück. Im Mai 1943 wehen auch im Ösling, in den Straßen von Wiltz, Flaggen mit Hakenkreuz. Gleich zu Beginn des Bandes ist eine Szene abgebildet, wie sie sich 1943 überall in Luxemburg hätte zutragen können: Einem Jungen wird die Hose von anderen Jungen heruntergezogen, während diese höhnen: „Da weis eis mol, ob s d’ee richtege Judd bass!“
Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen der Wissenschaftler Alfred Koster und seine anspruchsvoll-mondäne Frau Magda, die sich wegen gesellschaftlicher Ambitionen prostituiert und eine Affäre mit einem deutschen Wehrmachtsoffizier eingeht. Es wirkt fast so, als hätte das Duo Angel/Schlesser zum Thema „Kollaboration“ gegriffen, weil es nach dem Artuso-Bericht und durch kontroverse Publikationen anhaltend für Zunder sorgt. Doch das sei „ein bisschen Zufall, denn die Idee war eigentlich schon vorher da. Im ersten Band sieht man bereits einen Hinweis auf den folgenden und da ist schon angedeutet, dass sich der zweite Band im Zweiten Weltkrieg abspielen wird“, sagt der Zeichner Angel.
An mehreren Stellen wird dem Wissenschaftler von dem deutschen Nazi-Besatzer oder seiner Frau die Frage gestellt: „Firwat gees de net an d’VDB?“, und ihm nahegelegt, alles würde „einfacher“ nach dem Beitritt zur Volksdeutschen Bewegung. „An dass et kloer ass: ech wëll näischt mat ärer Politik ze dinn hunn. Ech schaffen fir d’Wëssenschaft, net fir Iech!“, wird die Hauptfigur ihre Position verteidigen, bevor sie sich von den Besatzern korrumpieren lässt.
Beim Verfassen des Szenarios knüpfte Jean-Louis Schlesser an das Drehbuch des Films Réfractaire (2009 von Nicolas Steil) an, das bereits von Deserteuren in Luxemburg unter deutscher Besatzung handelt. „Neu ist das Dilemma des Wissenschaftlers, der hin- und hergerissen ist zwischen Moral und Ehrgeiz“, sagt Angel. Dieser Konflikt, wie ihn schon Friedrich Dürrenmatt in seinem Stück Die Physiker aufwarf, wird im zweiten Band von De Jas in Luxemburg greifbar. Für Angel eine moralische Frage und eine der Zivilcourage mit hochaktuellem Bezug. „Es geht letztlich um Opportunismus und um die Position, die man einnimmt, zu dem, was in der Welt los ist“, meint Angel.
Der maßgebliche Kollaborateur in dem zweiten Band von De Jas ist jedoch die Frau des Wissenschaftlers, die sich um der Karriere ihres Mannes willen und wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung mit einem deutschen Wehrmachtsoffizier einlässt. Ihr wird am Ende des Bandes der Kopf kahlgeschoren, so wie es über Kollaborateurinnen aus Frankreich bekannt ist. – Ein eindrucksvoller Kunstgriff, bleibt die Geschichte doch Fiktion. „Die Figuren sind natürlich frei erfunden, aber es wäre in der Logik der damaligen Prozesse durchaus nachvollziehbar gewesen“, sagt Angel.
Dass die Zeichnungen der barbusigen Frau mit Wehrmachtsmütze Männerfantasien beflügeln dürften, hat der Zeichner nicht beabsichtigt. „Für mich ist es eher zynisch. Es ist natürlich eine Anspielung auf diese Pin-Ups, auf Macht-ist-geil-Geschichten. Mein Anliegen war es aber eher, diese Darstellungsweise zu zitieren und gleichzeitig zu kritisieren.“ Doch machen gerade auch diese provokativen Zeichnungen den Reiz des Bandes aus. Und: Die von Angel und Schlesser geschaffenen Figuren sind nicht schematisch gut oder böse, sondern beides und wirken damit menschlich. Ist der Jas im ersten Band noch eine Figur, die wild wütet, so tritt er in diesem Band als Rächer auf. In einem unerwarteten Moment wird er den Gang der Geschichte entscheidend verändern.
So birgt dieser zweite Band Aufklärungspotenzial und fügt der Debatte um Widerstand und Mitschuld während der Besatzung eine Facette hinzu. Es bleibt eine Geschichte, wie sie sich in Luxemburg hätte zutragen können. Doch vielmehr als von Kollaboration und Zwangsrekrutierung handelt der Band von Luxemburgern, die sich eben nicht anschlossen, sondern sich versteckten. Möglich, dass der Band – wie Comics im Allgemeinen – eher in der Kategorie Trivial- und Unterhaltungsliteratur untergehe und nicht ernstgenommen werde, sagt Angel. Nehme man ihn aber ernst, dann könne es durchaus sein, dass der Band polarisiere ...
Da ist sie wieder, die Frage der Einmischung und der politischen Parteinahme. De Jas kënnt zréck. Déidlech Allianz lässt sich als Parabel über Zivilcourage lesen. Die Graphic Novel zeigt nicht nur ein überirdisches Wesen als wahren Helden, sondern eben jene Grautöne und Nicht-Helden, wie es sie gegeben haben muss.