„Dalli“ zu machen, versprach Dan Kersch (LSAP), Minister für den öffentlichen Dienst, der CGFP am Montag. Die bereits von der CSV-LSAP-Koalition mit der Staatsbeamtengewerkschaft ausgehandelte Reform des Beamtenstatuts soll verabschiedet werden, sobald der Staatsrat die Reform-Gesetzentwürfe ein zweites Mal begutachtet hat. Vielleicht schon im Januar. Dann würde auch das neue Gehälterabkommen für den öffentlichen Dienst wirksam, das Teil des Deals mit der CGFP ist und eine Einmalprämie von 0,9 Besoldungs-Prozentpunkten vorsieht und eine allgemeine Punkwerterhöhung um 2,2 Prozent.
Ungeduldig ist nicht nur die CGFP. OGBL und LCGB sind es ebenfalls, aber noch aus einem anderen Grund. Teil der Reform im öffentlichen Dienst ist die Aufwertung von Laufbahnen, die in der Besoldung als zu schlecht eingestuft erkannt wurden. Das hat über das Gehälterabkommen hinaus mit Geld zu tun und betrifft vor allem Erzieher- und Pflegepersonal sowie Paramediziner: Krankenschwestern und -pfleger, aber auch spezialisiertere Berufe, wie Physiotherapeuten oder Diätassistentinnen. Ein Krankenpfleger beispielsweise, der in Luxemburg ausgebildet wurde, kann neben dem Berufsabschluss auch ein Technik-Abitur vorweisen, wird aber im Staatsdienst schlechter als der rédacteur eingestuft, für den allein das Abitur die Vorbildungsvoraussetzung darstellt. Das soll sich nun ändern; am Karriereende erhielte der Krankenpfleger statt heute 370 Besoldungspunkten in Zukunft 470 wie der rédacteur und mit dem überdies um 2,2 Prozent erhöhten Punktwert ein monatliches Bruttogehalt von 8 677 Euro fin de car-rière statt 6 831 Euro nach derzeitiger Einstufung.
OGBL und LCGB interessiert das, weil aus den genannten Berufsgruppen viel weniger Beamte oder Angestellte im Staatsdienst stehen, als Spitäler, Altenheime oder Behinderteneinrichtungen privaten Rechts Mitarbeiter zählen. Die aber sind durch den EHL-Kollektivvertrag für das Spitalwesen oder den SAS-Kollektivvertrag für die Sozial- und Pflegebranche „staatlich assimiliert“. Durch Kollektivvertragsänderungen müssen die Entwicklungen in der Besoldung und den Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten nachgeholt werden – und vor allem der OGBL kämpft seit vielen Jahren für Laufbahnaufwertungen im Spital- und im Sozialbereich.
Doch wenn Kollektivverträge eine Reform im öffentlichen Dienst nachholen müssen, die noch gar nicht in Kraft ist, dann deutet das schon an, dass die politische Auseinandersetzung um die Laufbahnaufwertung noch nicht beendet sein kann. Oder doch?
Ein wichtiges Detail des 2011 mit der CGFP abgeschlossenen Deals lautet, dass die Reform des Beamtenstatuts für die Staatskasse „kostenneutral“ bleiben soll. Zwar hätte das Gehälterabkommen einen Kostenpunkt, doch er soll längerfristig kompensiert werden, etwa durch niedrigere Gehälter während der dreijährigen Anwartschaftszeit neuer Beamter. Dagegen ist nicht so klar, ob in die „Nullrunde“ auch die Laufbahnaufwertung in den assimilierten Sektoren fallen soll. Denkbar wäre das schon, denn die Spitäler werden aus der Krankenversicherung finanziert und die Pflegeversicherung kommt zumindet zum Teil für die Altenheime, Pflegedienste und Behinderteneinrichtungen auf. Und immer ist der Staat beteiligt: Die Krankenversicherung bezieht 40 Prozent ihrer Einnahmen aus der Staatskasse, bei der Pflegeversicherung übernimmt der Staat 40 Prozent der Ausgaben.
Aber möglicherweise soll die Nullrunde für die assimilierten Branchen nicht gelten. Der Gesetzentwurf über die Statutenreform hält andeutungsvoll fest: „Finalement, il y a lieu de préciser que les reclassements des carrières de fonctionnaires et d’employés de l’État pourraient, par l’intermédiaire de nouvelles revendications salariales, avoir un impact financier sur le secteur d’aide et de soins, le secteur social (SAS) et le secteur des Établissements Hospitaliers Luxembourgeois (EHL).“
Dabei geht es um viel Geld. Zum Beispiel stecken in den 810 Millionen Euro, die die CNS dieses Jahr für die Spitäler auszugeben geplant hat, 66 Prozent Personalkosten. Würden die Paramediziner-Laufbahnen aufgewertet, sei mit 50 bis 60 Millionen Euro jährlicher Zusatzausgaben allein für die Krankenpfleger zu rechnen, schrieb die CNS im September.
Allerdings ist das eine theoretische Zahl. Sie geht davon aus, dass sämtliche Krankenschwestern und -pfleger in den Spitälern mit aufgewerteter Laufbahn beschäftigt wären, und schon demnächst würde sie nur dann Realität, wenn alle Karrieren nicht nur mit einem Schlag aufgewertet würden, sondern obendrein rückwirkend. Was davon tatsächlich wann gelten soll, liegt jedoch im Ermessen der Verhandlungspartner zum neuen EHL-Kollektivvertrag. Im Sozial- und Pflegebereich ist das ähnlich. Und in beiden Branchen können statt geldwerten Verbesserungen auch „qualitative“ vereinbart werden. Was in der Vergangenheit immer wieder geschah. Auf diesem Wege wurde in den Neunzigerjahren für das Klinikpersonal die 38-Stunden-Woche eingeführt.
Doch in der Vergangenheit ging es bei EHL- und SAS-Kollektivvertragsverhandlungen, für die nicht selten ein Schlichter bestellt werden musste, hauptsächlich um die Übernahme neuer Gehälterabkommens beim Staat, aber nicht um so viel wie diesmal. Und hinter den Kulissen rumort es gewaltig. Das OGBL-Syndikat Gesundheits- und Sozialwesen erklärte vor zwei Wochen auf einer Pressekonferenz: „Die Laufbahnaufwertung steht uns zu!“, und Zen-tralsekretärin Nora Back bekräftigte gegenüber RTL-Radio vergangene Woche, den Sozialkassen entstünden damit zwar neue Kosten, aber es handle sich nun mal um einen „öffentlichen Dienstleistungssektor“.
„Man kann aber nicht ausschließen“, sagt der gegenüber der Presse immer sehr diplomatisch formulierende Generalsekretär des Krankenhausverbands FHL, Marc Hastert, „dass auch das Verwaltungspersonal in den Kliniken Laufbahnaufbesserungen verlangt und anschließend die Mitarbeiter mit Hochschulabschluss, denn im öffentlichen Dienst ändern sich diese Karrieren ja auch.“ Verbandsintern wird genau das gefürchtet. Manche Kranken-hausdirektoren veranschlagen die Mehrausgaben für die CNS auf über 100 Millionen Euro im Jahr und sagen, dann könne man aufhören, vom Sparen und Rationalisieren in den Spitälern zu reden.
Im Sozial- und Pflegebereich schlägt das Thema ebenfalls Wellen. Man habe noch keine genau bezifferten Szenarien, rechne jedoch mit „enormen“ Kosten, sagt Marc Fischbach, Präsident des Sozial- und Pflegedienstleisterverbands Copas. Aber weil er früher nicht nur Ombudsman und Richter, sondern auch Minister war, argumentiert er politisch: „Das Familienministerium hätte in der Diskussion um die Reform des öffentlichen Dienstes seine Verantwortung übernehmen müssen.“ Das geht gegen seine CSV-Parteikollegin Marie-Josée Jacobs. Aber dann sagt er mit Blick auf die Alten- und Pflegeheime: „Wenn die CNS uns in der valeur monétaire nicht entgegenkommt, dann schlägt die Laufbahnaufwertung auf den Heimpreis!“ Diese Ankündigung geht gegen die aktuelle Regierung.
Denn die valeur monétaire ist der Durchschnittspreis, mit dem die Tarife aus dem Leistungskatalog der Pflegeversicherung multipliziert werden. Eigentlich muss er alljährlich zwischen der CNS, die die Pflegekasse verwaltet, und der Copas neu verhandelt werden. Doch seit drei Jahren ist er eingefroren, weil die vorige und auch die aktuelle Regierung das im Staatshaushaltsgesetz so festlegte. Ist es doch der Staat, der 40 Prozent der Pflegeausgaben trägt. Der neue Mehrjahreshaushalt deutet an, dass es bei der Eiszeit bleiben könnte, sofern die angekündigte Reform der Pflegeversicherung die Ausgaben nicht anderweitig senken hilft: Der gel de la valeur monétaire gehört zu Maßnahme 256 im Zukunftspak; durch sie soll die Staatskasse nächstes Jahr um 17 Millionen Euro entlastet werden, 2016 um 22 Millionen und danach um 32 Millionen beziehungsweise 39 Millionen Euro. Das könnte sich auf die Unterbringungspreise in Alten- und Pflegeheimen vielleicht sogar auswirken, wenn es keine Laufbahnaufwertung gibt: Die Heime praktizieren eine Mischfinanzierung aus Pflegeleistungen und Unterkunftspreis. Schon deshalb, weil vor allem in Altenheimen nicht jeder pflegebedürftig ist.
Und das führt zum eigentlichen Problem: Allein in der Sozialversicherung will die Regierung nächstes Jahr 52 Millionen Euro sparen und in den Jahren danach immer mehr, um 2018 bei 111 Millionen anzukommen. Neben dem Eingriff in die valeur monétaire der Pflegekasse soll der größte Teil in der Krankenversicherung eingespart werden: 35 Millio-nen nächstes Jahr und schließlich 67,5 Millionen 2018. Doch damit sind vor allem Einsparungen bei den Krankenhausausgaben der CNS gemeint. Und bei Tarifen für freie Dienstleister, die eigentlich verhandelt werden müssen, aber indirekt geht es stets auch um Staatsgeld. Doch nimmt die Regierung viel höhere Personalkosten der Spitäler hin, wird es anderen Dienstleistern schwer zu erklären sein, nicht ebenfalls mehr zu verlangen und stattdessen sogar Einschnitte zu akzeptieren. Ein Konflikt mit den Ärzten zeichnet sich schon ab: Ihr Verband AMMD hat vorgerechnet, dass die CNS Notfallmedizinern, die für die Spitäler nicht nur abrufbereit, sondern dort anwesend sein müssen, über die Klinikbudgets nur so viel Entgelt zugesteht, dass es dem Stundenlohn entspricht, der zum qualifizierten Mindestlohn führt. Mit feiner Ironie grüßte die AMMD am Schluss ihres Schreibens an Lydia Mutsch (LSAP) nicht nur die Gesundheitsministerin hochachtungsvoll, sondern auch die für Chancengleichheit.
Doch wenn die Regierung bei den Spitälern ohnehin sparen und die valeur monétaire im Pflegebereich nicht erhöhen lassen will, dann scheint über die Laufbahnaufwertung politisch schon entschieden worden zu sein. Argumentative Hilfe hatte die Generalinspektion der Sozialversicherung geliefert, als sie im Sommer dezent darauf hinwies, dass das durchschnittliche Jahresbruttogehalt eines Vollzeit-Krankenpflegers hierzulande schon jetzt kaufkraftbereinigt bei 82 064 US-Dollar liegt und damit das mit Abstand weltweit höchste ist, vor dem in den USA mit 69 880 US-Dollar PPA.
Dazu passt sogar der Ausgang der Bipartite zwischen Regierung und Gewerkschaften vor zwei Wochen, bei der es auch um die Laufbahnen ging. Die dort getroffene Abmachung liest sich zwar zweideutig, denn die Regierung will die Verhandlungsresultate zu neuen SAS- und EHL-Kollektivverträgen „respektieren“. Gleichzeitig aber versprach sie, es werde in der Kranken- wie in der Pflegeversicherung weder Beitragserhöhungen, noch Leistungsverschlechterungen, noch höhere Eigenbeteiligungen geben. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass es zumindest vorerst auch keine wesentlich verbesserten Karrieren geben soll.
Natürlich käme das einem Eingriff in die Tarif-autonomie gleich. Daran liegt es vielleicht, dass die Regierung nicht klar sagt, wie sie es mit den Karrie-ren hält. Bequemerweise aber ist die Tarifautonomie ohnehin beschränkt. Im SAS-Sektor muss vor jeder Kollektivvertragsverhandlung eine paritätische Kommission entscheiden, über welche enveloppe globale vom Staat man verhandeln kann. Das Besondere an der Kommission, die es für die EHL-Branche so nicht gibt, ist, dass ihr nicht nur Delegierte von Gewerkschaften und Patronatsverband Copas angehören, sondern auch Regierungsvertreter, darunter einer aus der Finanzinspektion. Spätestens dann wird klar, inwiefern auch EHL- und SAS-Branche Teil der „Nullrunde“ im öffentlichen Dienst sein sollen. Und dann könnte es am neuen OGBL-Präsidenten sein, der Basis in Spitälern, Altenheimen und Pflegediensten zu erklären, wieso die Laufbahnaufwertung kleiner ausfallen muss. Das OGBL-Syndikat Gesundheits- und Sozialwesen ist konflikterprobt. Sein Architekt in den Neunzigerjahren aber war – André Roeltgen.