LCGB-Finanzen, Teil II

Der CSV-Staat bekämpft die Arbeitslosigkeit

d'Lëtzebuerger Land du 30.09.2011

Vielversprechend kündigte sich die für heute Freitag angesagte gemeinsame Sitzung des parlamentarischen Arbeits- und Beschäftigungsausschusses sowie des Haushaltsführungskontrollausschusses an. Denn auf der Tagesordnung steht wieder einmal ein Audit der vom LCGB ins Leben gerufenen Beschäftigungsini[-]tiative Proactif, und den beiden Kommissionen gehören die verfeindeten CSV-Abgeordneten Robert Weber, Präsident von Proactif, Ali Kaes, Vizepräsident von Proactif, und Marc Spautz, Gründungsmitglied von Proactif an. So kann man sich die parlamentarische Kontrollfunktion selbstverständlich auch vorstellen. DP-Generalsekretär Fer[-]nand Etgen wollte sich diesen kleinen Höhepunkt christlich-sozia[-]ler Vetternwirtschaft jedenfalls nicht entgehen lassen und machte sich für die Sitzung stark, die noch an Spannung gewann, als der soziokulturelle Sender 100,7 am Donnerstag erste Einzelheiten des ziemlich vernichtenden Audits verbreitete.

Denn was die Brüsseler Wirtschaftsprüfer BST unter dem Siegel „Strictement confidentiel“ auf 71 Seiten LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit berichteten, ist gleich in mehrfacher Hinsicht beeindruckend. Ihr Audit zeigt, dass das zweifelhafte Geschäftsgebaren des LCGB, der im Frühjahr einen Sozial[-]plan ankündigen musste, um seine Schulden abzutragen (d’Land, 8.7.), sich auch auf seine Beschäftigungsinitiative Proactif erstreckt. Das vergangene Woche abgeschlossene Audit zeigt auch, dass sich wenig geändert hat, seit die Wirtschaftsprüfer von Ernst [&] Young einen Contrôle de l’utilisation des concours financiers accordés par le Fonds pour l’emploi der Jahre 2000 bis 2003 bei Proactif und Forum pour l’emploi durchgeführt hatten. So als genieße die LCGB-Initiative genügend Protektion, um über Kritik erhaben zu sein. Mehr noch: Als Proactif ab 2008 jährlich 200 000 Euro unrechtmäßig erhaltener Zuschüsse zurückzuzahlen begann, erhöhte einen Monat nach den Wah[-]len der gerade noch geschäftsführende CSV-Arbeitsminister und ehemalige LCGB-Rechtsberater François Biltgen die staatlichen Zuschüsse von 14 auf 15 Millio[-]nen Euro – als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Wirtschaftskrise, wie er inzwischen in Radiointerviews erklärte.

BST wirft Proactif vor, die Unkosten in seinen Bilanzen aufgebauscht und durch gleichwertige Einnahmen dafür gesorgt zu haben, dass es nicht weiter im Geschäftsergebnis auffiel. Dadurch konnte die Beschäftigungsinitiative unrechtmäßig staatliche Zuschüsse in der stattlichen Höhe von jeweils 75 Prozent beanspruchen. Zu diesem Zweck wurden beispielsweise Arbeiten verrechnet, die Mitglieder von Proactif für Proactif geleistet haben. So wurden 2005 für 392 703 Euro Unterhalts- und Informatikarbeiten in den eigenen Anlagen verrechnet. 2006 wurden für 142 605 Euro Kindermahlzeiten, die von den Eltern bezahlt wurden, als Unkosten verrechnet, um noch einmal bezuschusst zu werden. Auf 768 028 Euro schätzt BST Unterhaltsarbeiten an den eigenen Anlagen, die einmal als Lohnkosten verrechnet und einmal als Aktiva abgeschrieben wurden, so dass der Staat sie zweimal finanzierte. Zwischen 2005 und 2009 ließ sich Proactif vom Museumsverein des Fonds-de-Gras Forderungen über dessen Beteiligung an gemeinsamen Renovierungsarbeiten bescheinigen, welche die zuschüsswürdigen Unkosten von Proactif um 33 915 Euro aufblähten. Mittels ähnlicher Forderungen der Kindergrippe des Sankt-Paulus-Verlags wurden die Ausgaben um weitere 42 789 Euro erhöht. Die Wirtschaftsprüfer fragen sich auch, ob Rücklagen von 167 645 Euro für Arbeitsprozesse Ausgaben sind, die der Staat bezuschussen darf.

Obwohl der Staat die Löhne der Arbeitsuchenden in den Beschäftigungsinitiativen nur bis zur Höhe des Mindestlohns bezuschusst, stellte ihm Proactif, trotz Mahnungen von Arbeitsminister Biltgen, höhere Lohn- und Sozialausgaben in Rechnung, was die bezuschussungswürdige Summe zwischen 2005 und 2010 um 2,2 Millionen Euro erhöhte. Die Wirtschaftsprüfer wundern sich aber über die geringe Kontrolle durch das Ministerium. Sie beanstanden auch, dass die von Proactif betriebenen Kinderkrippen und Maisons relais gleichzeitig vom Arbeitsministerium und dem Familienministerium bezuschusst wurden, ohne aber herauszufinden, was unter dem Strich übrig bleibt.

Dass das alles einem guten Zweck, dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, dient, ist nicht immer so einfach nachvollziehbar. Denn Ende vergangenen Jahres kamen auf 427 beschäftigte Arbeitsuchende 228 Angestellte, wie Verwaltungspersonal, Betreuer oder diplomierte Erzieher in den Kinderkrippen. Die eigenen Angestellten machten immerhin 45 Prozent der bezuschussten Ausgaben von Proactif aus.

Nach Berechnungen von BST hat Proactif mit seinen Bilanzkunst[-]stücken zwischen 2005 und 2010 bis zu 2,86 Millionen Euro staatliche [-]Zuschüsse unrechtmäßig erhalten, 845 000 Euro mehr, als mit dem Arbeitsministerium und der Finanz[-]inspektion abgemacht und provisio[-]niert. Ob sich diese Kunststücke im Rahmen der gängigen Bilanzakrobatik bewegen, wie bisher auch von der Regierung behauptet, oder strafrechtlich relevante Versuche sind, Staatsmittel zu erschleichen, beantwortet BST nicht. Korrekt bewertet, seien die Eigenmittel des Vereins um über eine Million negativ, so dass er ohne Kapitalerhöhung oder erhebliche Mehreinnahmen zahlungsunfähig zu werden drohe, warnt BST.

Da die Schulden von Proactif mehr als doppelt so hoch wie diejenigen des LCGB sind, kann LCGB-Präsident Robert Weber also noch viel von Proactif-Präsident Robert Weber lernen.

Romain Hilgert
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