Eva Braun in Luxemburg? So verheißt es jedenfalls der Bucheinband, die reißerische Pressemitteilung und ein unbedacht zusammengetippter Artikel in einer Gratiszeitung. Es seien Tagebucheinträge der langjährigen Geliebten Hitlers aufgetaucht, die einen Erholungsurlaub im besetzten Großherzogtum dokumentierten. Als „sensationelle Neuerscheinung“ dürftig getarnt, erscheint mit dieser Satire das fünfte Buch des noch jungen Verlags Capybarabooks, den Georges Hausemer und Susanne Jaspers nach wie vor für die Veröffentlichung ihrer eigenen Schreiberzeugnisse nutzen.
Als 17-jährige Angestellte des regimetreuen Fotografen Heinrich Hoffmann hatte Eva Braun Hitler kennengelernt; ein Verhältnis bahnte sich bald an. Zu der Zeit, als Hausemer und Jaspers sie Luxemburg erkunden lassen, war Eva Braun dreißig Jahre alt und gerierte sich auf dem Berghof am Obersalzberg als inoffizielle Hausherrin. Nachdem sie sich im Berliner Bunker mit Hitler das Leben genommen hatte, bemühte sich die Nachwelt verständlicher Weise nicht um ein faires Bild der Frau, die nicht nur Hitlers Bett, sondern auch seine krude Weltsicht geteilt hatte: Ihren Ruf als fanatisches, politisch allerdings völlig unterbelichtetes Dummchen an Hitlers Seite hängt Eva Braun bis heute an.
Auch Hausemer und Jaspers bemühen sich nicht eben um eine ausgewogene Darstellung. Von der fingierten Autorin sind knapp zwei Dutzend Tagebuchseiten überliefert, die sie als 23-Jährige unmittelbar vor einem – vermutlich vorgetäuschten – Selbstmordversuch verfasst hat und die sie als unglücklich verliebte Schnepfe zeigen, die die Katastrophen der Weltpolitik gegen ihr eigenes kümmerliches Privatleben aufwiegt. Anhand einzelner Formulierungen aus diesem historischen Dokument schustern Hausemer und Jaspers am Anfang ihres Buches eine Stimmungskulisse zusammen, die ihrer Eva den Vorwand dafür liefert, der Langeweile in Hitlers Landhaus zu entfliehen und mit ihren beiden Hunden nach Luxemburg zu fahren, wo sie sich vor lauter Blödheit sogar amüsiert. Sie betrinkt sich täglich mit Mercier-Champagner, bewundert die Auslagen von Modegeschäften, besucht kulturelle Veranstaltungen und gondelt ein wenig durch die Geografie. Sie trifft dabei auf allerlei Prominenz, unterhält sich mit der mal mehr, mal weniger abweisenden Bevölkerung und versteht alles falsch, was sich überhaupt falsch verstehen lässt – von der „Gülle-Frau“ über den „Hurenpreis“ bis zu den gelb uniformierten Männern, die sie für Mitarbeiter eines Senflieferanten hält.
Nicht nur ihr Alter, sondern auch ihre verkürzte Schullaufbahn dürften der Grund für den kindischen, zum Teil mundartlichen Stil sein, in dem die wenigen Seiten aus Eva Brauns Tagebuch verfasst sind, die heute in einem Archiv in Washington aufbewahrt werden. Um diesen Stil zu imitieren, nehmen die Autoren des Luxemburger Tagebuchs einige Veränderungen am Standarddeutschen vor, die insgesamt so aufgesetzt wirken, dass sie die Täuschung allenthalben durchscheinen lassen: Aus „nichts“ wird „nix“, aus „grässlich“ wird „greislich“, aus „sehr“ wird „arg“. Alles ist „herzig“, „possierlich“, „drollig“ und „fesch“, was teils zu unsinnigen Kombinationen wie „fesches Gebäude“ (vgl. S. 50) oder „schmucker Blick“ (vgl. S. 103) führt. Ob die vielen falschen Konjunktivformen in der indirekten Rede die grammatischen Schwächen der vorgeblichen oder der tatsächlichen Autorinstanz entlarven, lässt sich dabei nicht feststellen.
Um sprachliche Genauigkeit muss es dem Verfasser einer Satire vielleicht nicht unbedingt zu tun sein. Auch dem Leser kann sie gleichgültig bleiben, solange er sich unterhalten fühlt. Er darf sich jedenfalls nicht daran stören, dass die Autoren mit ihrer Darstellung Eva Brauns ein mittlerweile wenigstens teilweise überholtes Klischee der Geschichte erbarmungslos platt und platter treten und dem Leser jeden noch so müden Witz und jede noch so abgehalfterte Hitler-Anekdote wieder und wieder unter die Nase reiben. Am Ende ist schwer zu sagen, auf wessen Kosten eigentlich eine Satire geht, die die Frau an Hitlers Seite dermaßen naiv und unverständig auftreten lässt. Dass hier statt eines brutalen oder bösen ein dummer Besatzer seine Perspektive mitteilt, ist die unterschwellige Provokation dieses Buches. Ob sich mehr Leser finden, die das Luxemburger Tagebuch lustig finden oder mehr, denen diese Art von Humor peinlich ist, muss sich zeigen.