Es dürfte wohl kaum ein Haushalt in Luxemburg geben, der das kleine grüne Männchen mit dem zwinkernden Lächeln und dem Daumen nach oben nicht kennt: Die Superdreckskëscht hat sich hierzulande nicht nur fest als Markenzeichen etabliert, sondern ist wie vielleicht das Rosporter Mineralwasser fester Bestandteil des luxemburgischen Sprachgebrauchs: Ech gi bei d’Superdreckskëscht und jedes Kind weiß, gleich kramen Vater oder Mutter die alten Farben und Lacke aus dem Keller zusammen, sammeln abgelaufene Medikamente ein, wuchten abgewetzte Autoreifen ins Auto, um sie zur nächsten Sammelstelle zu fahren.
Die Idee, ein umfassendes Abfallverwertungssystem für giftige Problemabfälle wie Farben, Lacke und Schrott unter eigenem Label zu schaffen, entstand Mitte der 1980-er unter dem damaligen Umweltminister Robert Krieps. Damit nicht jede der damals über 120 Gemeinden ihr eigenes teures System aufbauen musste, sollte dies zentral geschehen. Es war die Zeit wachsenden Umweltbewusstseins, der Anti-Atomkraftbewegung. Ein Ideen- und Malwettbewerb, organisiert vom Umweltministerium, ergab den Namen und das grüne Maskottchen – das erst in den 1990-ern professionell überarbeitet wurde. „Hätten wir direkt eine Werbefirma gefragt., hätte sie uns wahrscheinlich von dem Namen abgeraten, weil damit Negatives wie Dreck und supergefährlich assoziiert werden kann“, sagt Thomas Hoffmann, Pressesprecher von Oeko-Service Luxembourg S.A., Betreiberin der Superdreckskëscht, schmunzelnd.
Dass inzwischen nicht nur Privatverbraucher die Angebote der Superdreckskëscht über Stadt und Land nutzen, sondern sich mittlerweile rund 4 100 Betriebe am Abfallsammel- und -verwertungsverfahren beteiligen, davon über 2 590 zertifiziert, liegt, neben immer strengeren Umweltauflagen, die Unternehmen zur Abfallvermeidung und -trennung verpflichten, am ganzheitlichen Ansatz. „Wir sind kein klassischer Entsorger. Wir bieten neben der Abfallverwertung kostenlose Beratung an, wie sich Abfälle vermeiden lassen und was mögliche Alternativen sind“, betont Hoffmann. Für die Entsorgung ihrer Abfälle müssen die Betriebe freilich zahlen. Im Logistikzentrum in Colmar-Berg werden kaputte Neonrühren, Tonerkatuschen, Speisefette, Öl und andere Altstoffe gesammelt und der Wiederverwertung zugeführt. 4 213 Tonnen Wertstoffe wurden 2014 angeliefert. Speisefett wird in der firmeneigenen Heizung verwertet, andere Stoffe werden an inländische Entsorger und Wiederverwerter wie Ecotrel, Ecobatterien, Valorlux, Lamesch oder ausländische wie Indaver in Antwerpen (Neonröhren) oder Nehlsen in Bremen (Farben und Lacke) weiter verkaufen, die diese dann wiederaufbereiten. Rund zwölf Millionen beträgt der Umsatz, Geld, das in die diversen Projekte der Superdreckskëscht reinvestiert wird. Die kostenlosne Beratungen für Betriebe werden durch den Umweltfonds des Staats bezahlt.
Möglich wurde die grüne Erfolgsgeschichte durch ein einzigartiges Public-Private-Partnership: Der Betreiber Oeko-Services Luxembourg S.A. ist zwar ein Privatunternehmen mit über 60 Mitarbeitern, aber „in seinen Entscheidungen zu 100 Prozent vom Umweltministerium abhängig“, wie Hoffmann betont. 2005 wurde ein Gesetz geschaffen, das die Aufgaben der Superdreckskëscht regelt. Da war das grüne Männchen aus der kommunalen und nationalen Abfallwirtschaft nicht mehr wegzudenken, und das liegt laut Hoffmann am kooperativen Ansatz: Von Anfang an sei der Gedanke nicht gewesen, andere Entsorger zu belehren oder zu verdrängen, sondern sich zu vernetzen und „mit den Gemeinden und anderen Partnern, auf Augenhöhe die jeweils beste Lösung zu finden“, sagt Hoffmann. Nicht die Konkurrenz zu anderen Entsorgerfirmen, sondern vielmehr die Koordination und Kooperation von Akteuren seien das „Geheimnis unseres Erfolges“. Das lässt sich an der Abfallwirtschaft der Gemeinden ablesen, die unterschiedlich ausfällt: Manche haben eine grüne Tonne für Kompostabfälle, andere nicht. Je nachdem, welche Schwerpunkte und Dienste die Gemeinden ihren Bürgern bieten wollen. „Es sind sicher noch Optimierungen möglich“, so Hoffmann.
Das größte Potenzial wird derzeit in der Kreislaufwirtschaft gesehen: Dahinter steht die Idee, alle in einem Produkt verwerteten Rohstoffe wieder vollständig in den Rohstoffprozess zurückführen zu können. Es geht darum, Produkte so zu konzipieren, dass von Anfang an wiederverwertbare unschädliche Rohstoffe verwendet werden. Recycling von Glas, Papier und Metalle ist dagegen eine einfache Übung. Bei Farben, Lacken und Kunststoffverbindungen ist es viel schwieriger. Die Superdreckskëscht hat deshalb ein weiteres Standbein: Clever akaafen. Dort empfiehlt sie Kunden Farben oder Reinigungsprodukte, die aus abbaubaren wiederverwertbaren Inhaltsstoffen bestehen, und die dazu beitragen sollen, die Umweltbelastung zu reduzieren.
Es ist ein schmaler Grat zwischen Sensibilisierung und Belehrung: „Wir versuchen, nicht dogmatisch zu sein. Ideologie ist nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es Umweltorganisationen“, sagt Thomas Hoffmann. Zu den Partnern zählen auch die Handelskammer und die Handwerkskammer, schon deshalb können und wollen die Betreiber von Oeko-Service sich politisch enthalten. Nichtsdestotrotz ist die Grundidee von der Superdreckskëscht ein klares Statement: für die Umwelt, wenn schon nicht für den Konsumverzicht, dann dafür, mögliche Negativfolgen für die Natur zu reduzieren. Die Nachhaltigkeit lässt sich auch an anderen Engagements ablesen, für die das Unternehmen steht, etwa der Versuch, auch schwer vermittelbare Menschen mit in die Arbeit einzubinden.
Doch zurück zur Kreislaufwirtschaft: Ein wichtiger Bestandteil ist der Rückkonsum. Dahinter verbirgt sich im Prinzip die Umkehrung des Konsums: Der Verbraucher wird angehalten, Konsumgüter, die er einmal genutzt hat, zurückzubringen und direkt nach Wertstoff zu sortieren. „Es bedeutet eine noch sorgfältigere Sortierung als bisher schon“, erklärt Hoffmann. Die Idee ist es, so zu sortieren, dass im Prinzip keine Restabfälle mehr entstehen und jeder Inhaltsstoff wieder einer Nutzung zugeführt werden kann. „Wichtig ist es, dass der Verbraucher weiß, was in den Produkten enthalten ist und was die Alternativen sind“, sagt Hoffmann. Aufklärung und Weiterbildung waren von Anfang an weitere Standbeine der Superdreckskëscht: Mitarbeiter beraten Schulklassen, empfangen im Schulungszentrum Erwachsene, die sie in Umweltberatung und Abfallvermeidung im Schulungszenter in Colmar-Berg ausbilden. Auch die eigenen Mitarbeiter werden fortlaufend geschult, schließlich ist erfolgreiche Abfallwirtschaft mit dem technologischen Fortschritt eng verbunden, werden die Wiederverwertungsprozesse permanent verbessert. Der Rückkonsum ist für Hoffmann nur der logische Folgeschritt auf die Idee der Abfallvermeidung und der Wiederverwertung. Im saarländischen Mettlach hat die Superdreckskëscht ihr erstes kommunales Rückkonsumzentrum eingerichtet: Es ist kleiner als die klassischen Abfallrecyclingzentren, es stehen dort weniger große Container. „Wir versuchen, die nächsten Trends zu antizipieren“, sagt Hoffman nicht ohne Stolz.
Ein Konzept, das auch in andere Länder exportiert wird: Neben der Schweiz ist die Superdreckskëscht in Zypern, Deutschland und Schweden präsent. Es bestehen Kontakte nach Griechenland und Frankreich. Die Geschäftsbeziehungen gehen aus den guten Auslandskontakten des Inhabers der Vorläuferfirma von Oeko-Service Luxembourg hervor. Dabei kaufen die ausländischen Kunden nicht bloß die Marke Superdreckskëscht und das Maskottchen, sondern die Säulen: Abfallvermeidung, Abfalltrennung, Wiederverwertung, Information und Beratung, auch wenn der Anteil an Kundensensibilisierung vielleicht nicht so groß ausfällt wie am Luxemburger Standort. Für Hoffmann ist das kein Problem: „Wir wollen kein Großkonzern werden. Wichtig ist, dass unsere Partner unsere Philosophie verstehen und sich in diesem Sinne engagieren und dass wir transparent zusammenarbeiten.“ Eine geplante Kooperation in Ungarn war wegen „undurchsichtiger Bedingungen“ in letzter Minute gescheitert. Man hat eben seine Prinzipien.