Der erweiterte Nationalrat der CSV hatte sich am 16. Oktober nicht auf einen neuen Präsidenten einigen können. Deshalb beschloss er zu seiner eigenen Überraschung, sich trotz der unerwarteten Wahlniederlage nicht geschlagen zu geben. Vielmehr kündigte die CSV verwegen an, zu kämpfen. Seither hat man nichts mehr von ihr gehört.
Die CSV ist nicht die einzige Partei in dieser Lage. Auch die LSAP hat die Wahlen und vor allem drei Mandate verloren. Die Grünen, die sich als linke Partei einst vorgenommen hatten, drittstärkste Partei des Landes vor der DP zu werden, haben nun als liberale Partei das Niveau der zur drittstärksten Partei gewordenen LSAP erreicht. Allerdings hat die LSAP eine längere Erfahrung in Wahlniederlagen als die CSV. Ihr Einfluss geht seit 1989 kontinuierlich zurück, vielleicht sogar seit 1968, wenn man den Stimmenzuwachs nach der Wiedervereinigung als optische Täuschung abtut.
Trotzdem hat die LSAP vor 14 Tagen weniger verloren, als sie befürchtet hatte und die Wahlprognosen vorausgesagt hatten. Sie hat sich auch besser gehalten als viele Schwesterparteien im Ausland. Schließlich gehört sie seit 2004 ununterbrochen der Regierung an, am Ende der Legislaturperiode werden das fast 20 Jahre sein. Nicht dass die LSAP auf viele Dummheiten und Moden verzichtet hätte, mit denen sich die PS in Frankreich und die SPD in Deutschland ihr Grab schaufelten, von der „LS@P“ über das neoliberale Tina und den „ökosozialen Umbau der Industriegesellschaft“ bis zu Jeremy Rifkins digitalem Schlaraffenland. Aber hierzulande blieb aus diversen, nicht unbedingt mit hehren sozialdemokratischen Idealen vereinbaren Gründen eben mehr zum sozialstaatlichen Verteilen in der Staatskasse.
Dank ihrer längeren Erfahrung mit Wahlniederlagen reagiert die LSAP nun routiniert: Die Parteiführung aus einem Dutzend Apparatschiks, sich bei lokalen Grillfesten paternalistisch unter das verhasste „A“ im Parteinamen mischenden Rechtsanwälten und Studienräten, gibt dem ungünstigen politischen Klima und dem ungerechten Wahlsystem die Schuld. Sich für jung haltende Vierzigjährige nutzen die Gunst der Stunde und beanspruchen in idealistischen Leserbriefen die Dienstwagen, Minister- und Abgeordnetensessel der Alten als überlebenswichtige Erneuerung der Partei. Andere lenken mit dem Vorwurf, dass nicht genug diskutiert würde, von ihrer eigenen Ratlosigkeit ab. So als drehten sich nicht seit Jahrzehnten alle Diskussionen im Kreis, ob die LSAP zu ihrer Rettung sozialer, liberaler, syndikalistischer oder ökologischer werden soll.
Lange erfüllte die LSAP mit beträchtlichem Erfolg ihre historische Rolle, die Arbeiterschaft zu spalten, den sozialen Protest ins Parlament zu verlagern und die organisierte Arbeiterbewegung an den Staat zu binden. In den heroischen Zeiten der Tripartite gehörte sie deshalb in die Regierung, um sich sogar während der Stahlkrise für die gesitteten Umfangsformen des OGBL zu verbürgen. Doch in Zeiten der liberalen Globalisierung hielten die Unternehmer die Sozialpartnerschaft für einen überflüssigen Ausgabenposten und verließen die Tripartite.
Nun dürfen sozialdemokratische Gewerkschafter im Ruhestand Leserbriefe schreiben, um Bedingungen für ihre Zustimmung zu einer Regierungsbeteiligung zu stellen. Damit hofft die Parteiführung, die DP in den Koalitionsverhandlungen sanft erpressen zu können: Ohne sozialpolitisches Zugeständnis für die der LSAP wichtigen Arbeiter, kleinen Angestellten und Rentner keine Kongressmehrheit für die Koalition und damit kein Premierminsterposten für Xavier Bettel. Ob die DP das glaubt?