Sie kamen im PKW, nicht mit den Traktoren. Dennoch legten sie am Mittwochnachmittag zeitweilig den Verkehr in Ettelbrück lahm. Mehrere hundert Landwirte, Mitglieder der Land- und Forstwirtschaftsverbände mit Ausnahme der DP-nahen Bauerenallianz versammelten sich in der Deichhalle, um ihrem Frust Luft zu machen. Die Stühle reichten nicht aus, so dass viele von ihnen die Reden im Stehen, mit verschränkten Armen vom Eingang aus verfolgten.
So eine Bauern-Kundgebung ist schon etwas Besonderes. Denn anders als bei anderen Großveranstaltungen im Land, die oftmals auf französisch, je nachdem mittlerweile sogar auf Englisch abgehalten werden, ist sie eine durch und durch luxemburgische Veranstaltung. Weil die Branche zwar ausländische Saisonarbeiter beschäftigt, die Landwirte selbst aber seit Generationen ihre Grundstücke bewirtschaften, also Stacklëtzebuerger sind.
Dennoch ist auch ihre Welt, in der der Händedruck fest und die Männerfrisuren mit der Haarschneidemaschine akkurat gestutzt sind, nicht mehr in Ordnung. Denn genau das war am Mittwoch der springende Punkt: Das Verhältnis zwischen Land und Landwirt. Und das, was die Bauern als Eingriff in dieses Verhältnis empfinden. Die Sektorpläne der Regierung, allen voran der Sektorplan Landschaften. Der sieht ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand auf 40 000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vor, und das empfinden die Bauern als Angriff auf ihr in der Verfassung verankertes Eigentumsrecht. „Unverhältnismäßig“ nannte das Guy Feyder von der Bauernzentrale am Mittwoch, denn das Vorkaufsrecht auf einem Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Fläche ist im Sektorplan vorgesehen, weil die öffentliche Hand sich 160 Hektar Natur für Kompensationsmaßnahmen im Rahmen anderer Projekte sichern will.
Dass die Landwirte einen Tag, nachdem der Staatsrat ein dermaßen vernichtendes Gutachten abgegeben hat, dass die Regierung erwägt, die Pläne wieder zurückzuziehen, gegen den Sektorplan Stimmung machen, ist ein gutes Sinnbild dafür, wie sie ihre Situation empfinden: Ein wenig absurd. Die Miene auf den wettergegerbten Gesichtern war ernst. Doch wirklich kämpferisch waren die Bauern in ihren festen Schuhen nicht aufgelegt. Wahrscheinlich deshalb, weil sie wissen, dass sie die vielen Änderungen, die auf sie zukommen (siehe nebenstehenden Artikel), ohnehin über sich ergehen lassen müssen.
Sie fühlen sich unverstanden und nicht ausreichend respektiert. „Jeder Bauer ernährt heute 400 Leute“, so Feyder auf dem Podium. „Der Öffentlichkeit, deren Bauch heute gefüllt ist, verklickert man, die Landwirtschaft sei alleine verantwortlich für jeden Verlust an Artenvielfalt und müsse deshalb jetzt einmal so richtig mit Vorschriften zugeschüttet werden“, so Feyder. Die Wasserverschmutzungsproblematik, die Polemik, die nach der Verschmutzung des Stausees in Esch-Sauer entstand, liegen den Bauern schwer im Magen. Auch in diesem Punkt fühlen sie sich ungerecht behandelt. Dass die Pestizidbelastung im Trinkwasser hoch ist, liegt ihrer Ansicht nicht daran, dass sie unverantwortlich viel gedüngt hätten, sondern daran, dass die Wasserschutzgebiete, in denen weniger als anderswo gedüngt werden darf, nicht ausgewiesen sind.
Ein Gefühl großer Ungerechtigkeit schwang auch in der Eigentumsrechts- und Grundstücksdiskussion mit. Im kleinen Luxemburg ist das Land für alle knapp und teuer. Nicht nur für diejenigen, die ein Haus oder eine Wohnung suchen, sondern auch für die Bauern – das hält auch die Risiko-Analyse des Landwirtschaftsministeriums im Rahmen des Plan de développement rural fest. Nun aber haben die Landwirte das Gefühl, man mache sie, die Grundstücksbesitzer, für die Wohnungsnot verantwortlich. „Wir sind kein Berufsstand von Spekulanten und Immobilienhaien“, so Feyder, der dafür spontanen Applaus vieler schwieliger Hände erntete. „Wir sind es endgültig satt, zu hören oder zu sehen, wir seien ein Störfaktor, egal, wo wir auch sind“, rief Feyder. Auch dafür gab es Applaus. Die Dörfer haben viele Bauern verlassen, um Aussiedlerhöfe in der Grünzone zu bauen, wo sie anders arbeiten können, aber auch der Mistgeruch die Nachbarn nicht stört. Doch durch die Pufferzonen und Schutzgebiete, die der Sektorplan Landschaften vorsieht, sehen sie den Ausbau dieser Höfe in Frage gestellt.
Dass diese Maßnahmen nicht von der aktuellen, sondern von der Vorgängerregierung in die Wege geleitet wurden, das ist auch den Bauern nicht entgangen. Dennoch waren die Fronten am Mittwoch klar gezogen: schwarz gegen blau-rot-grün, rurale gegen urbane Bevölkerung. In der von den Schülern der Ackerbauschule geschmückten Halle, die der CSV-Bürgermeister der Stadt Ettelbrück zur Verfügung gestellt hatte, begann der Redenmarathon mit dem Hinweis auf die schlechten Umfragewerte der aktuellen Regierung. In der Reihe der Feinde wurden am Mittwoch nicht nur der Mouvement écologique, die grüne Umweltministerin, ihr Staatssekretär, der grüne Infrastrukturminister sowie die liberale Wohnungsbauministerin ausgemacht. Ihren eigenen Ressortminister, den liberalen Fernand Etgen, verspotteten sie nach Herzenslust. „Wir haben eine Reihe blauer Regierungsmitglieder, darunter der blaue Staatsminister, eine blaue Wohnungsbauministerin – und auch ein Blauer, der immer sagt, er sei unser Anwalt. Da hilft nur noch ein blaues Wunder“, machte Feyder bitterböse Scherze.
Zumindest in ihrer Ablehnung der Regierungskoalition sind die Bauern also gar nicht so isoliert, wie sie sich fühlen. Jungbauer Tom Jungblut drohte zum Abschluss mit einem Traktor-Konvoi in die Hauptstadt – „auch das ist nicht weit für uns“ – da strafften sich die Schultern der Anwesenden merklich. Angesichts der Umfragewerte wären sie dort vielleicht willkommener als sie denken.