Unter den Luxemburger Klassikern möglicherweise der wichtigste sei André Duchscher, heißt es in der Ankündigung des neunten Steinforter Festivals Luxemburger Theaterklassiker, wo sein auf Frühjahr 1907 datierter De Fenstermaates derzeit aufgeführt wird. Das kann ein Missverständnis sein. Denn meist sind seine Geschichten schwerfällig, seine Personen hölzern und seine Dialoge ausschweifend. Doch wichtig an Duchscher ist zweifellos, dass er zu Beginn des 20. Jahrhunderts als erster, zumindest thematisch, wenn auch nicht formal, den Riesenschritt vom Koméidistéck zum ernsten Drama wagte.
Folglich hätte man solchen Bewunderern, die Duchscher für den wichtigsten halten, zutrauen können, dass sie ihn ernst nähmen. Doch um eine unüberlegte Erwartungshaltung des Publikums zu bedienen, rollt Eva Paulins Inszenierung von De Fenstermaates Duchscher wieder gnadenlos zurück ins 19. Jahrhundert, in die Dorfposse. So als dürfe Mundarttheater um keinen Preis dem ewigen Fluch von Klamauk und Stereotypen entkommen.
Den angeblich wichtigsten Klassiker ernst nehmen, hätte auch geheißen, den (in Koine vorgetragenen) zu Recht gekürzten Text nicht durch selbstgemachte Textlangweiler, wie die schier endlosen deutschen und französischen Verballhornungen, wieder zu verlängern. Wenn man schon nicht von Regisseurin und Schauspielern - wie Jean-Marc Calderoni, Christiane Durbach, Jean-Paul Maes, Mireille Wagener, Raphaël Faramelli, Daniel Plier, Mike Tock und Serge Tonner, der auch die musikalische Begleitung schuf - den unerhörten Mut erwarten konnte, sich für ein Mal am Tragischen im Text - in einem Mundarttext! - zu versuchen.
Duchscher zeige immer ein stark sozialkritisches Bild seiner Zeit, heißt es an anderer Stelle in der Ankündigung der Aufführung. Aber auch das kann alles ein Missverständnis sein. Denn der angeblich sozialkritische Handwerker Duchscher (1840-1911) produzierte nicht nur in De Fenstermaates platte Ideologie über den eigenen aufgeklärten, fortschrittlichen und dynamischen Handwerkerstand und die bornierten, rückständigen und in der Tradition gefangenen Bauern. So platt, dass er sie vielleicht selbst für übertrieben hielt und sein Stück über einen durch ein Komplott eingefädelten Justizirrtum "am virigen Jo'erhonnert" ansiedelte.
Doch die letzten Funken möglicher Sozialkritik im Text werden gnadenlos mit dem hysterischem Kasperltheater zugeschüttet, an dem sich das Steinforter Festival seit Jahren tot zu laufen droht. Die Reduzierung sämtlicher Frauenrollen auf Grapschobjekte bewegt sich auf dem Niveau deutscher Sexfilmkomödien von 1970. Und die alles andere als originellen, eben bei L'avare in Wiltz erduldeten Anachronismen, die müdesten Kulturklischees, von der Mafia über den Computer bis zum Didgeridoo, geben einen billigen Wiedererkennungseffekt als kluge Aktualisierung aus. Sie stehen damit der versprochenen Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse geradezu im Weg, die immer nur historische Bezugspunkte haben kann. Es sei denn, Sozialkritik würde mit der Klage über die Unvollkommenheit des ewig Menschlichen und ADR-Stammtischweisheiten über die ewige Korruptheit derer da oben verwechselt. Ein Irrtum, der nicht einmal André Duchscher unterlief.
Weitere Vorstellungen am 28.7., 29.7., 1.8., 2.8. und 3.8. in der Aler Schmelz, Steinfort. Vorbestellungen nachmittags unter 39 93 13-1 und 39 98 70.