Als Premier Xavier Bettel vor 14 Tagen um einen Kommentar zum wenig schmeichelhaften Ergebnis einer Meinungsumfrage über das öffentliche Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Regierung gebeten wurde, versuchte er, die Frage mit seiner Standardformel abzuwimmeln, er wolle nicht der Liebling der Meinungsumfragen sein. Dem Mann kann geholfen werden, dachte sich daraufhin wohl eine große Mehrheit der Anfang des Monats für Luxemburger Wort und RTL Befragten. Denn wie kurz zuvor bei der Tageblatt-Umfrage trauten zwei Drittel der Leute der Regierung nicht mehr zu, die Zukunftsprobleme des Landes meistern zu können. Innerhalb eines Jahres sank auch massiv das Vertrauen, das die befragten Wahlberechtigten in jedes einzelne Regierungsmitglied setzten: Die Beliebtheit von Premier Xavier Bettel, dessen ganzes politisches Kapital sein Sympathiekapital ist, fiel in dieser Zeit von 80 auf 64 Prozent. Das Vertrauen in die Fähigkeiten von Etienne Schneider und Pierre Gramegna, deren ganzes politisches Kapital ihr Kompetenzkapital ist, sank seit Regierungsantritt um 13 beziehungsweise zehn Prozentpunkte.
Hatte es vor einem Jahr tatsächlich vielerorts Hoffnungen in die von der ökosozialliberalen Koalition verbreitete Aufbruchsstimmung gegeben, so scheint sich nun Ernüchterung breitzumachen. Viele Leute scheinen begeistert den Zukunftspak der Regierung geöffnet und darin nur ein weiteres Sparpaket gefunden zu haben. Hinzu kommen wenig Vertrauen einflößende Ungeschicklichkeiten unerfahrener oder überforderter Regierungsmitglieder bis hin zur dilettantischen Reaktion dieser Tage auf die Veröffentlichung von Vorabentscheidungen der Steuerverwaltung.
Nach dem LCGB verteilte diese Woche auch der OGBL eine Broschüre Der OGBL sagt NEIN zum „Zukunftspak“ der Regierung, in der Generalsekretär und demnächst Präsident André Roeltgen schreibt: „Der OGBL hatte den Regierungswechsel befürwortet, damit der Austerität ein Ende gesetzt werden könnte. Wir sind jedoch enttäuscht und getäuscht worden.“ Gemeinsam beraten die Gewerkschaften der Privatwirtschaft und des öffentlichen Sektors inzwischen über die Mobilisierungsbereitschaft ihrer Mitglieder und planen für nächste Woche eine gemeinsame Stellungnahme zur Regierungspolitik. Für nächste Woche rufen auch alle landwirtschaftlichen Berufsorganisationen mit Ausnahme der liberalen Bauerenallianz zu einer Protestkundgebung in der Ettelbrücker Deichhalle auf, um sich gegen die Landwirtschafts- und vor allem die für zu grün empfunde Naturschutzpolitik der Regierung zu wehren.
Doch nicht nur in Kreisen der Lohnabhängigen und Bauern sowie rechtskatholischer Gegner jeder gesellschaftspolitischer Liberalisierung wächst die Unzufriedenheit mit der Regierung. Auch in Unternehmerkreisen, die so unverhohlen wie schon lange nicht mehr den Wahlausgang zu beeinflussen versucht hatten, macht sich Enttäuschung breit: In dem Jahr, das seit dem Amtsantritt von DP, LSAP und Grünen inzwischen verstrichen ist, hätten sie weniger ankündigen und resoluter reformieren können, als sie es bisher taten, heißt es, und manche geben schon die Hoffnung auf, dass die Koalition es noch einmal lernen wird.
Damit könnte sich aber für die Regierung ein politisches Problem zusammenbrauen, das weit über die eine oder andere unfreundliche Meinungsumfrage hinausgeht. Denn wenn die Regierung nach einem Jahr schon Gewerkschaften, Unternehmer und Landwirte enttäuscht hat, wird die soziale Basis der Koalition ziemlich schmal. Was um so ungelegener kommt, als die Regierung bereits über eine sehr knappe parlamentarische Mehrheit verfügt. Und die Erfahrung im Ausland lehrt, dass nur in den Fernsehserien Unternehmensberater und Werbeagenturen die soziale Basis der Regierenden für längere Zeit ersetzen können.