Wütende Mieter bei Nol op de Kapp, Strompannen, Konkurs des Kinobetreibers, Parkingebührendebatten – Negativschlagzeilen hat das Shoppingzentrum Belval Plaza etliche hervorgebracht. Dabei sollte Belval Plaza das strahlende Startprojekt der dynamischen Entwicklung auf Esch Belval sein. Esch Belval, dem Ort, wo auf dem ehemaligen Schmelzgelände die glänzende Zukunft Luxemburgs entstehen soll, mit Wohngebieten, Uni und womöglich Studenten wie aus dem Katalog.
Doch weil die Zukunft in Luxemburg immer ein bisschen Verspätung hat, steht die Uni noch nicht, die Wohnungen der zig Tausend Neu-Escher gibt es ebenso wenig und Gelegenheitsbesucher auf Belval haben immer noch Mühe, zwischen den Baustellen überhaupt ins Shoppingzentrum zu finden. Das ist eine von mehreren Ursachen, weshalb die Kundenzahlen wohl nicht ganz dem entsprechen, was die Promotoren 2006, als das Projekt an den Start ging, versprachen. Der Kiosk- und Buchladenbetreiber MPK, heute Valora, hatte sich deswegen kaum ein Jahr nach der Eröffnung im Herbst 2008 zurückgezogen. Der Sportartikelhändler Asport gab nach Differenzen mit den Betreibern im Sommer 2010 auf.
Erkämpften die Ladenbetreiber von Belval Plaza I 2009 medienwirksam Mietnachlässe, hat sich die Situation, und vor allem das Klima zwischen Mietern und Eigentümern, seither nur bedingt verbessert. Weitere Geschäftsleute denken darüber nach, sich aus Belval Plaza zurückzuziehen. Manche haben gegen die Eigentümer geklagt, darunter auch das „Zugpferd“, der Elektrowarenhändler Saturn, der sich dazu nicht äußern möchte. Was passiert, wenn Saturn Belval aufgibt? Wird das Zentrum zum weißen Elefanten? Denn in Belval Plaza II, das 2010 eröffnet wurde, steht ohnehin ein Großteil der Geschäftsflächen leer, auch das lockt nicht unbedingt Kundschaft.
Leerstehende Gebäude gab es in den vergangenen Jahren im Fernsehen häufig zu sehen, in Fernsehberichten über die geplatzten Immobilienblasen in Spanien oder Irland. Belval Plaza ist ein bisschen spanische Immobilienblase in Luxemburg. Zurück an die Anfänge von Belval Plaza: 2005 endeckten die niederländischen Projektentwickler Multiplan Belval für sich und beschlossen zu investieren. Für die Finanzierung konnten sie Bouwfonds Financiering Participaties gewinnen, den Baufinanzierungsarm von ABN Amro, der mit ihnen in einem Joint Venture zu gleichen Teilen Belval Plaza Holding gründete. Die Aufgabenteilung: Multiplan sollte für die Planung und die Bauleitung zuständig sein, Bouwfonds das Geld bereitstellen. Doch wenige Monate nach der Gründung des Joint Venture im April 2006 wurde Bouwfonds verkauft, an die ebenfalls niederländsiche Bank SNS Reeal. Die Bauarbeiten liefen an. Unter widrigen Bedingungen. Der Belval-Trägergesellschaft Agora hatten die Projektentwickler versprechen müssen, binnen 30 Monaten die Türen zu öffnen – obwohl die Infrastrukturarbeiten rund um Belval nicht im gleichen Tempo vorankamen. Aber das Geld floss nicht mehr. Ein Problem, das Anfang 2009 deutlich wurde, als die Firma CBI Blaton, die den Rohbau errichtet hatte, öffentlich machte, dass ihre Rechnungen nicht bezahlt worden waren. Bereits in der Jahresbilanz 2008 von Belval Plaza Holding hieß es dazu, dass laut externem Experten der damalige Wert des Projekts substanziell niedriger sei als die geschätzten Gesamtkosten. Dies sei, hieß es weiter, auf Kostenüberschreitungen sowie einen Verlust des Verkaufswertes zurückzuführen. Die Teilhaber engagierten sich allerdings, dem Projekt bis 2011 98 Millionen Euro zukommen zu lassen.
Dass sich die Joint-Venture-Partner um besagte Kostenüberschreitungen stritten, darum, ob sie berechtigt oder auf Fehler seites des Multiplan-Managements zurückzuführen waren; wer dafür aufkommen müsse, wurde spätestens deutlich, als SNS dem Multiplan-Manager Walter Laarhoven einen Co-Manager aus den eigenen Reihen, an die Seite stellte. Jos de Moel erklärte Anfang Juli 2009: „Die Kosten haben den Rahmen gesprengt, und die Finanzierung musste überarbeitet werden.“ Dass auch der neue Manager die Krise nicht in den Griff bekam, zeigt das Beispiel Zako Loft. Die Firma, die in Belval Plaza I ein Einrichtungsgeschäft betreibt, hat kürzlich angekündigt, sich von dort zurückziehen zu wollen, und die Belval-Plaza-Besitzer vor Gericht zitiert. Seit vier Jahren ist Zako in Belval präsent, belegte, auf Wunsch der Betreiber, das 1 100 Quadratmeter große Geschäftslokal, das MPK verlassen hatte. Die Möbelhändler interessierten sich eigentlich für ein deutlich kleineres Lokal in Belval Plaza II, das ihnen nach anfänglicher Zusage wieder abgesagt wurde. Aus technischen Ursachen: Auf den Plänen hatte eine Rolltreppe gefehlt, das versprochene Lokal wurde so nicht gebaut. Deswegen wurde nach Alternativen gesucht. Zako blieb im großen Lokal, sollte aber nicht nur Mieter, sondern sollte für 204 der rund 250 Wohnungen in Belval Plaza II die Einbauküchen verkaufen. Eine entsprechende Absichtserklärung, über den noch aufzusetzenden Miet- und Dienstleistungsvertrag wurde unterzeichnet. Zako richtete dafür unter anderem in seinem Lokal Modell-Apartments ein, in denen sich die Wohnungskäufer ein Idee von den Apartements machen, sowie ihre Küche auswählen konnten. Doch ein verbindlicher Vertrag folgte nicht, sagt die Zako-Geschäftleiterin Murielle Durand, irgendwann schickte Belval Plaza die Kunden zum Küchenkauf zur Konkurrenz. Weniger als 80 Küchen verkaufte und montierte Zako, nicht immer wurde bezahlt, weswegen Ende 2011 theoretische Mietschulden – theoretisch, weil ohne vertragliche Grundlage – gegen offene Rechnungen für Küchenlieferungen ausgeglichen wurden. Dennoch bleiben Rechnungen offen. Nun fordert Belval Plaza von Zako Miete ein, und Zako fordert von Belval Plaza 1,3 Millionen Euro Schadensersatz. Ohne die Zusage für den Küchenvertrag, sagt Durand, hätte sie niemals ein so großes Lokal gewollt. Küchen hat Zako vorher gar nicht verkauft. In ihrer Zeit in Belval haben Durands Ansprechpartner mehrmals gewechselt, das hat den Aufbau einer stabilen Geschäftsbeziehung nicht gefördert. Sie glaubt immer noch an den Standort Belval, betont Durand wiederholt. Würden die Besitzer wechseln, würde sie sofort bleiben, auch wenn sie gerade um die Existenz kämpft und wegen der nicht eingehaltenen Küchenvereinbarung drei Mitarbeiter entlassen musste.
Eingezogen ist Zako noch unter der Leitung Walter Laarhovens. Er, wie die Multiplan-Gesellschaften, waren kurz nach der Ernennung von Jos de Moel von SNS aus Belval Plaza ausgeschieden. Im Oktober 2009 teilte Multiplan mit, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, weil sich SNS nicht an die gemeinsamen Vereinbarungen gehalten und einseitige Entscheidungen getroffen habe. Multiplan fordere von SNS 150 Millionen Euro Schadensersatz (d’Land, 16.10.2009). Die Multiplan-Firmen verlegten ihre jeweiligen Geschäftssitze nach Belgien. Ganz freiwillig war der Rückzug von Multiplan nicht. Im Jahresbericht von Belval Plaza Holding 2009 schreibt der Buchprüfer, SNS habe sich die Anteile von Multiplan angeeignet, die Unterlagen seien unvollständig, wiesen aber Lieferantenschulden von 77,8 Millionen Euro aus. Ob dies richtig sei, wurde nicht kontrolliert. „Management has requested us not to perform confirmation procedures with third parties“, so die Buchprüfer. Außerdem sperrte sich das Management – nunmehr nur noch SNS-Leute – dagegen, dass die rüfungsgesellschaft überprüfte, ob die 140 000 Euro Provisionen für Rechtsstreitigkeiten akkurat seien. Was mit der Mehrwertsteuer los war, wie hoch die Außenstände waren und wie hoch die Schulden bei Multiplan, auch das konnte nicht bestimmt werden. Seit 2009 hat die Holding keine Bilanz hinterlegt. Dabei ist die Firma in den Konten der SNS-Bank konsolidiert, ein börsengehandeltes Unternehmen. Wegen der bekannten Kostenüberschreitungen und Marktwertverlusten sei die Holding möglicherweise nicht in der Lage, alle Schulden zurückzuzahlen, gestand die Firma im Jahresbericht 2009. Ihre Aktionäre engagierten sich allerdings, bis März 2012 56 Millionen Euro an Finanzierung für die diversen Projekte bereitzustellen.
Das war vor einem halben Jahr und ob das Finanzierungsloch von über zehn Millionen gedeckt wurde, ist angesichts der fehlenden Bilanzen unersichtlich. SNS machte in der Zwischenzeit in den Niederlanden negative Schlagzeilen. Die Bank, als „systemisch“ eingestuft, hatte 2008 – kurz vor der Eröffnung von Belval Plaza I – 750 Millionen Euro staatliche Hilfen erhalten, deren Rückzahlung 2013 erfolgen soll. Dieses Jahr musste SNS einräumen, dass es aufgrund des schwierigen Wirtschaftsumfelds und der steigenden Eigenkapitalanforderungen schwierig würde, die Hilfen, wie abgemacht, zurückzuzahlen. Ein Umstand, der mancherorts den Verdacht nährt, SNS habe in Belval weniger aufgrund der Teilhaberstreitigkeiten nicht gezahlt, sondern einfach, weil kein Geld da war. Seit 2009 habe der Baufinanzierungsarm von SNS über eine Milliarde Euro abschreiben müssen, berichtete Reuters im Juli. Seither hat die Bank über Anleihen über 1,9 Milliarden Euro aufnehmen können. Dennoch steigt bei manchen Geschäftsleuten die Sorge, dass wenn die SNS-Bilanz irgendwann gereinigt wird, die einfache Lösung darin bestehen wird, Zahlungsunfähigkeit für die Belval-Plaza-Gesellschaften anzumelden. Laut Halbjahresbilanz ist SNS dabei, das Immobilienportfolio abzuwickeln. Von insgesamt 4,7 Milliarden Euro austehenden Krediten sind 1,9 Milliarden „non-performing“.
Was es heißt, wenn der Besitzer mit derartigen Schwierigkeiten kämpft, lässt sich vor Ort gut beobachten: In Belval Plaza II stehen viele Lokale zwei Jahre nach der Eröffnung leer. Und sogar eine sehr zufriedene Ladenbetreiberin wie Bianka Lejeune, die Markenschmuck verkauft, und die vielen, auch von Kollegen verursachten, Negativschlagzeilen kontraproduktiv findet, räumt Zweifel am Einsatz der bisherigen Geschäftsleitung. Sie findet es ebenfalls ungerecht, dass so viele unterschiedliche Mieten gezahlt, beziehungsweise nicht gezahlt werden. Dass manche Geschäfte und Restaurants besser gehen als andere, führt sie aber an erster Stelle auf den Einsatz der Geschäftsleute und den gebotenen Kundenservice zurück. Wer sich bemüht, hat trotz der widrigen Umstände Kunden, lautet in etwa ihr Fazit. Oder andersherum, wenn es nicht läuft, ist nicht nur unbedingt Belval Plaza Schuld. Sie setzt auf die neue Mall-Leitung, die Belval Plaza der Firma Devimo angetragen hat. „Es tut sich durchaus etwas“, sagt Lejeune, die fragt, wie die Kunden Lust haben sollen, nach Belval zu kommen, wenn sie immer nur Schlechtes hören.
Devimo hat laut Michel Gaspar, Shopping Mall Manager, 2011 damit angefangen, eine Kostenaufteilung zwischen den verschiedenen Mitparteien aufzustellen. Das Ergebnis dieser Arbeit werde den Mietern bald vorgelegt, versichert er. Wie ohne eine solche Aufstellung vor seiner Zeit abgerechnet wurde, dazu will er sich nicht äußern. Auch nicht zu den juristischen Streitigkeiten mit den Mietern. Das sei Sache der Eigentümer, Belval Plaza. Seine Kollegin Karin de Bruyker ist damit beauftragt, alle Mietverträge mit den Ladenbetreibern neu zu verhandeln und auf eine ebenbürtige Basis zu stellen. „Work in progress“, sagt Gaspar, das sei Verhandlungssache und dauere deswegen. Das Mandat dazu haben sie erst kürzlich erhalten. De Bruyker ist es auch, die eine neue Strategie und Identität für das Shopping-Zentrum ausarbeiten soll. Und neue Ladenbetreiber anwerben. Einen Erfolg gibt es schon. Anfang 2013 soll Sine qua non die erste Luxemburg-Filiale in Belval eröffnen. Für Ende des Monats hat Devimo bei einer Einzelhandelsmesse in Belgien 40 bis 50 Termine vereinbart, um weitere Geschäftsflächen zu belegen. Dennoch können diese Initiativen nur fruchten, wenn die finanzielle Situation der Eigentümergesellschaft geklärt ist. Bis Redaktionsschluss war die Geschäftsleitung von Belval Plaza nicht zu erreichen. Die auf der Internetseite angegebene Kontaktperson habe Belval vor einer Woche verlassen, bedauert Gaspar.
josée hansen
Catégories: Architecture et urbanisme, Stil
Édition: 28.09.2012