Normalerweise reisen Jeannot Krecké (LSAP) und seine Beamten aus dem Wirtschaftsministerium in ferne Länder, wenn sie für den Standort Luxemburg werben wollen. Diesmal machten sie es umgekehrt und luden nach Luxemburg ein, um das Profil des Landes zu schärfen. Eine Konferenz über die so genannten sovereign wealth funds (SWF) hatte das Wirtschaftsministerium organisiert. Staatliche Investmentgesellschaften, die – je nach Quelle – bis zu drei Billionen Dollar schwer sind. Tagungsort: die Burg von Burglinster. Von weit her kamen die Teilnehmer angereist: aus Washington der Chef der Abteilung für Geld und Finanzsysteme des Internationalen Währungsfonds (IWF), aus Kuwait der Direktor der Kuwait Investment Authority (KIA), aus Moskau der stellvertretende Finanzminister und der früherer Wirtschaftsminister, aus Oslo der Zuständige für Investitionspolitik der norwegischen Zentralbank, aus Dublin der Direktor der National Treasury Management Agency und aus dem nicht ganz so exotischen Brüssel der Währungskommissar und der Direktor für Finanz- und Binnenmarkt der EU-Kommission, alle ins kleine Burglinster. Ziemlich viele Chefs waren das auf der Burg.
Weshalb überhaupt sollte man eine solche Konferenz in Luxemburg organisieren? Denn Budgetminister Luc Frieden hatte die Idee der Handelskammer, einen solchen Fonds für Luxemburg einzurichten (d’Land, 21.03.2008) bereits verworfen: Es sei kein Geld da, um einen solchen Fonds zu speisen, antwortete er kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage. Gibt es Interesse und Möglichkeiten für solche Fonds in Luxemburg zu investieren? Man sei dabei, das eine oder andere Projekt vorzubereiten, sagte Jeannot Krecké am Mittwoch in Burglinster gegenüber dem Land, zum Beispiel im Bereich der Gesundheitstechnologien, fügte er ein wenig konkreter hinzu. Dieses Projekt will Krecké den Leuten, denen er in der letzten Zeit Besuch abstattete, als Investitionsvorschlag unterbreiten. Erst im Dezember waren er und Forschungsminister François Biltgen (CSV) zu Prospektionszwecken in die USA geflogen, hatten dort Unternehmen aus dem Bereich der Gesundheitstechnologien besucht. Das neue Projekt, ein Resultat dieser Reise?
Dabei sind die SWF auch für die Luxemburger Fondsindustrie interessant. Sie investieren nämlich nicht nur direkt in Firmen und Finanzinstrumente. Einige von ihnen überlassen es auch Anlagenverwaltern, Teile ihres Vermögens zu investieren. So wie die KIA, die 255 Milliarden Dollar verwaltet und deren Vorsitzender Bader al-Saad Teilnehmer und Gastredner der 1st Luxembourg foreign trade conference war. Die Unterzeichnung eines Nicht-Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Kuwait und Luxemburg vergangenen Dezember habe dazu beigetragen, dass die KIA auch mit Luxemburger Asset Managern zusammenarbeite und von ihnen Gelder verwalten lasse, sagte Bader al-Saad dem Land.Jeannot Krecké wollte aber auch, wie er dem hochkarätigen Publikum zum Abschluss der Konferenz mitteilte, die relativ neutrale Position Luxemburgs nutzen, um als Vermittler zwischen den Parteien aufzutreten, und eine Bestandsaufnahme zu machen. Denn seit die G7-Länder gemeinsam und auch einzeln Sorge darüber ausgedrückt haben, dass die SWF mit ihren Investitionen nicht nur nach gute Renditen streben, sondern strategische und politische Ziele verfolgen könnten, gibt es eine gewisse Malaise zwischen den Eigentümern von SWF und den Staaten, in denen sie anlegen wollen. Deswegen soll der IWF noch dieses Jahr gemeinsam mit den staatlichen Investmentfonds Benimmregeln ausarbeiten, die festlegen, welche Informationen (Vermögen und Beteiligungen) sie offen legen müssen. Auf der anderen Seite ist es die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die versucht die Empfängerstaaten zu koordinieren und sie dazu zu bewegen, keine diskriminierenden Investitionsbarrieren aufzubauen; bis Mitte 2009 soll der Bericht der Arbeiten über die Investitionsfreiheit in der OECD vorliegen.
Dass dies nicht geschehen soll, ist auch die Sorge von Währungskommissar Joaquín Almunia, der am Dienstagabend als Gastredner auftrat. Ansonsten riskiere der freie Kapitalverkehr im EU-Binnenmarkt ins Stottern zu geraten. „Wir müssen Investitionen aus dem Ausland gegenüber eine positive Einstellung haben, ob diese nun aus privater oder aus öffentlicher Hand stammen“, sagte Almunia. „Manche Länder bereiteten solchen Investitionen Schwierigkeiten“, so der Kommissar, „wir waren uns des Bedarfs an Kapital nach den (Finanzmarkt-)Turbulenzen nicht bewusst.“ Damit trifft er den Nerv der Sache ziemlich genau.
Das Kräfteverhältnis zwischen Ost und West kehrt sich um, die Bewegung wurde durch die Finanzmarktkrise beschleunigt. Ist es auch weiterhin der Traum westlicher Firmen in China zu investieren, um vom dortigen Boom zu profitieren, wollen nun umgekehrt die Chinesen im Ausland investieren, zum Beipiel durch ihren Staatsfonds, der mit 200 Milliarden Dollar dotiert ist. Der Westen wird zusehends zum Bittsteller für Kapital aus dem Osten. Das wird nicht nur die gebeutelten Banken an der Wall Street betreffen. Wenn sich die Krise auf die Realwirtschaft durchschlägt – dass dies ausbleibt, beteuern nur noch sture Optimisten – wird es für große, aber vor allem für kleine und mittelständige Unternehmen, auch in Europa, schwierig, Bankkredite aufzunehmen. Diese brauchen sie, um sich weiterentwickeln zu können. Man stelle sich also dieses Bild vor: Während die Europäer Entwicklungshilfe in Afrika leisten, dämmert es ihnen, dass sie Geld aus den aufstrebenden Wirtschaften für Investitionen zu Hause brauchen. Eben just die Chinesen investieren viel in Afrika und leisten damit, wie Gastredner Gerard Lyons von Standard Chartered bemerkte, doch einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung auf dem schwarzen Kontinent. Konkurriert also Europa neuerdings mit Afrika um Gelder aus dem Osten?
Das neue Bewusstsein wird auch an folgendem Beispiel deutlich. Liefen vor Monaten vor allem Frankreich und Deutschland Sturm gegen die neuen Geldgeber und deren undurchsichtige Motive, war es eine französische Teilnehmerin, die fragte, wie man sicherstellen könne, dass wenn die Fonds in hiesige Firmen investiert hätten, sie ihr Geld nicht abrupt wieder abziehen und so Chaos verursachen würden. Fürchtete man sich früher vor dem Kommen der SWF, denkt man nun darüber nach, welche negativen Konsequenzen ihr Gehen haben könnte. Dabei zeigte die Präsentation der Deutschen Bank: Bisher haben sich die Fonds für Frankreich fast überhaupt nicht interessiert, 60 Prozent der Deals wurden in Großbritannien gemacht, gerade mal acht Prozent in Deutschland.
Wer am Mittwoch genau hinhörte konnte bemerken, wie sich das Vokabular, der Offiziellen verändert hat. Sprach man vor Monaten noch von Benimmregeln für die SWF, einem code of conduct, geht man jetzt zum Begriff best practices über. Lob für die Rettungsaktionen an der Wall Street ging jeder Andeutung von Besorgnis oder Kritik voraus. Die best practices sollen in einer Arbeitsgruppe unter Leitung des IWF zusammen mit den SWF aufgestellt werden, bis Ende dieses Jahres. Dabei ist derzeit noch nicht einmal klar, wie ein SWF definiert wird. Denn richten einige Staaten Investitionsgesellschaften oder Agenturen ein, so tätigen andere ihre Operationen einfach über ihre Zentralbanken, oder der Staat macht es gleich selbst. Allerdings sollen Firmen, die dem Staat gehören, nicht dazu gezählt werden, sagte Udaibir Das vom IWF auf der Konferenz. Das lässt Fragen offen. Zum Beispiel über mögliche Einkäufe ausländischer staatlicher Öl- oder Gasgesellschaften. Und wie soll überhaupt garantiert werden, dass die Fonds die Regeln respektieren? Denn unterschreiben, das machte Das klar, wird sie niemand. Man setzt darauf, dass sich die Fonds durch ihre Einbindung in die Ausarbeitung der Regeln quasi automatisch daran halten werden. Auch David Wright von der EU-Kommission bemühte sich klarzustellen, dass man nicht die Absicht habe, ein verbindliches Regelwerk auf EU-Ebene einzuführen.
Das Risiko, dass sich die Hoffnung auf ein freiwilliges Einlenken der Fonds als Wunschdenken entpuppt, ist allerdings real. Auf die Frage von Journalisten, ob Russland die best practices einhalten würde, sagte der stellvertretende Finanzminister Dimitri Pankin, es sei zu früh, um diese Frage zu bejahen. Auch Bader al-Saad meinte, das könne man jetzt noch nicht sagen. Ersterer bekräftigte in seinem Beitrag, die wahre Absicht hinter den Benimmregeln sei die Angst vor feindlichen Übernahmen in sensiblen Wirtschaftsbereichen. Ein gutes Beispiel hierfür seien die fehlgeschlagenen Gazprom-Versuche, in westeuropäische Verteilungsnetze einzusteigen. Man müsste diesen Aspekt klären. Damit wirft er viel fundamentalere Fragen auf. Nämlich die, wie man in einem Eu-ropa, in dem die Privatisierung und Liberalisierung der ehemals öffentlichen Dienstleistungssektoren oberstes Gebot und noch nicht vollständig abgeschlossen ist, überhaupt auf den Einstieg anderer Staaten in Bereichen wie der Energie oder Luftfahrt reagieren soll oder möchte.
Illustriert wurde die Problematik durch den Auftritt der Offiziellen der norwegischen und irischen Staatsfonds. Das man hier die „Guten“ vor sich hatte, wurde sofort klar. Sie legen alle Beteiligungen offen, erwerben niemals mehr als fünf Prozent an einem einzelnen Unternehmen und investieren kaum im eigenen Land, oder machen dies gleich aus Prinzip nicht. So entgeht man automatisch möglichen Vorwürfen über indirekte staatliche Beihilfen. Freundlich lächelnd berichtete der Ire John Corrigan von einer Kontroverse, ausgelöst durch eine Beteiligung des Staatsfonds an einer Firma, die Streubomben herstellt. Niemand im Saal fragte nach, ob die Beteiligung aufgegeben wurde.
„Völlige Transparenz wird mehr Fragen aufwerfen als beantworten“, meinte Bader al-Saad. „Keines der Empfängerländer kann uns erklären, wie Transparenz in der Offenlegung der Höhe des verwalteten Vermögens und der Renditen die Stabilität der globalen Finanzmärkten und die Sicherheit ihrer heimischen Märkte steigern könnte. Auch die Konferenzteilnehmer schienen dies nicht zu können. Nur wenige meinten, best practices würde ausreichen, um die westlichen Ängste zu entkräften.
„Die Geschichte hat gezeigt, dass alle Investitionen der KIA einer strikt kommerziellen Logik getätigt wurden, ohne politische Hintergedanken“, fügte ihr Direktor hinzu. Darin stimmt ihm Jeannot Krecké zu. Auch dass dieser meinte, es brauche keine zusätzliche Regelungen, gefiel dem Mann aus Kuwait. Die Aussagen des Ministers hätten seine Erwartungen an die Veranstaltung übertroffen. „Wir dürfen nicht in die Falle des Protektionismus fallen“, hatte der Wirtschaftsminister noch gewarnt. Aber auch auf der Dringlichkeit des Prinzips der Gegenseitigkeit bestanden: Wer in Europa anlegen will, muss sich selbst ebenfalls für Investitionen aus dem Ausland öffnen. Darauf ging nach Krecké aber niemand mehr ein.
Dennoch war der Minister zufrieden. Solch hochkarätige Redner und Zuhörer, so viel geballte Kompetenz nach Luxemburg zu bringen, sei ein gewisser Erfolg. Eine solche Tagung sei notwendig gewesen, um zu zeigen, dass die Meinungsviefalt noch überwiegt, so der Minister. Die Reaktionen der Teilnehmer hätten gezeigt, eine zweite Auflage der Luxembourg foreign trade conference könne sich auf jeden Fall lohnen, sagte Krecké. Das stimmt, einige Teilnehmer sprachen von einem Luxemburger Wirtschaftsforum, das man jährlich wiederholen sollte. So wie ein Mini-Davos, aber eben in Burglinster.